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EU und USA verhängen Sanktionen gegen israelische Siedler

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Die EU hat erstmals Sanktionen wegen der Gewalt radikaler israelischer Siedler gegen Palästinenser im Westjordanland verhängt. Die EU-Staaten beschlossen die Strafmaßnahmen gegen Personen und Organisationen, die dafür verantwortlich sein sollen, am Freitag in einem schriftlichen Verfahren. Auch die USA kündigten am Freitag Sanktionen an. Seitens der Vereinigten Staaten wurde dieser Schritt aber nicht zum ersten Mal gesetzt.

Ab sofort wurden von der Europäischen Union vier Männer mit Sanktionen belegt, denen zum Beispiel Folter, Erniedrigungen oder Verstöße gegen das Eigentumsrecht vorgeworfen werden, wie aus dem EU-Amtsblatt hervorging. Zudem sind die radikale Jugendgruppe Hilltop Youth und eine rechtsradikale jüdische rassistische Gruppe mit dem Namen Lehava betroffen. Angriffe gegen Palästinenser werden wie der Siedlungsbau im Westjordanland als eines der Hindernisse für Bemühungen um eine langfristige Friedenslösung im Nahost-Konflikt gesehen - insbesondere auch nach dem Hamas-Massaker in Israel vom 7. Oktober. Die EU hat die Gewalttaten und den Siedlungsbau bereits wiederholt verurteilt - für Strafmaßnahmen gab es aber bis heute nie den erforderlichen Konsens.

Die Sanktionsentscheidung gilt deswegen als ein Anzeichen für einen Kurswechsel in der Israel-Politik der EU - auch wenn die Strafmaßnahmen an sich für die Betroffenen vergleichsweise geringe Auswirkungen haben. Im Idealfall sollen sie nach Angaben von Diplomaten aber dazu führen, dass die israelische Justiz sich künftig engagierter um die Verfolgung von Gewalt von israelischen Siedlern gegen palästinensische Dörfer und Olivenhaine kümmert.

Hilltop Youth wird im EU-Amtsblatt als eine Gruppe beschrieben, die sich aus Mitgliedern zusammensetze, die für Gewalttaten gegen Palästinenser und deren Dörfer im Westjordanland bekannt seien. Die Strafmaßnahmen gegen Lehava begründet die EU unter anderem damit, dass diese Gewalt anwende und zu Gewalt gegen Palästinenser, Christen und Messianische Juden anstifte. Lehava-Mitglieder hätten zum Beispiel "Tod den Arabern" gesungen und bei Kundgebungen dazu aufgerufen, zu den Waffen zu greifen.

Lehava organisiere zudem gewaltsame Proteste gegen jüdisch-muslimische Hochzeiten und die LGBTQI-Gemeinschaft. Lehava-Mitglieder schikanierten arabisch-jüdische Paare und griffen diese an. Zu den betroffenen Personen zählen Mitglieder von Hilltop Youth wie der Siedleraktivist Elisha Yered und ein Mann namens Neria Ben Pazi. Letzterer soll im Jahr 2019 vier der gewalttätigsten Außenposten im Westjordanland errichtet haben.

Die Sanktionen gegen Siedler hätten eigentlich bereits vor längerem beschlossen werden sollen. Die ungarische Regierung, die in der EU als besonders israelfreundlich gilt, signalisierte allerdings erst im vergangenen Monat, dass sie ihnen nicht mehr im Weg steht. Teil der Einigung war, dass es auch neue Strafmaßnahmen gegen bewaffnete islamistische Gruppen gibt. Sie waren bereits in der vergangenen Woche verhängt worden - insbesondere wegen des Einsatzes "systematischer und weiträumiger sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt".

Die Sanktionen wurden mithilfe des EU-Sanktionsinstruments zur Ahndung von schweren Menschenrechtsverstößen verhängt. Personen, die betroffen sind, dürfen nicht mehr in die EU einreisen und keine Geschäfte mehr mit EU-Bürgern machen. Außerdem müssen von den Betroffenen in der EU vorhandene Konten und andere Vermögenswerte eingefroren werden.

Mit den Sanktionen folgt die EU dem Beispiel der USA. Diese haben bereits Strafmaßnahmen verhängt, die sich gegen extremistische israelische Siedler richten. Die USA werfen den Betroffenen unter anderem vor, sich im Westjordanland an Gewalt gegen palästinensische Zivilisten beteiligt zu haben. Am Freitag teilte das Finanzministerium in Washington mit, die neuerlichen Sanktionen würden sich gegen zwei Organisationen richten, die den Angaben nach zwei bereits sanktionierte extremistische Siedler finanziell unterstützt haben. Die Männer seien "für die Zerstörung von Eigentum, Übergriffe auf Zivilisten und Gewalt gegen Palästinenser verantwortlich", erklärte der stellvertretende Finanzminister Wally Adeyemo. "Solche Handlungen untergraben den Frieden, die Sicherheit und die Stabilität im Westjordanland."

Zeitgleich sanktionierte die US-Regierung einen Mann namens Ben-Zion Gopstein. Dieser gilt als enger Vertrauter des radikalen israelischen Sicherheitsministers Itamar Ben-Gvir. Gopstein ist Gründer und Anführer einer rechtsradikalen jüdischen Gruppe namens Lehava. Als Folge der Sanktionen werden mögliche Vermögenswerte der Betroffenen in den USA blockiert. US-Bürgern oder Menschen, die sich in den Vereinigten Staaten befinden, sind Geschäfte mit den sanktionierten Organisationen und Personen untersagt. Banken, die mit ihnen Geschäfte machen, können ebenfalls Sanktionen drohen.

Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, hatte die Entwicklungen in dem Gebiet erst in der vergangenen Woche wieder als höchst besorgniserregend bezeichnet. Im Westjordanland würden Palästinenser ständig von Hunderten israelischen Siedlern angegriffen, die oft vom Militär unterstützt würden, ließ er mitteilen. Nach der Tötung eines 14-jährigen Israeli aus einer Siedlerfamilie seien bei Racheakten vier Palästinenser getötet worden, darunter ein Kind. Israel sei als Besatzungsmacht verpflichtet, Palästinenser vor Siedlerattacken und rechtswidriger Gewalt durch Sicherheitskräfte zu schützen, so Türk.

Ein Grund für die angespannte Lage im Westjordanland ist, dass Israel dort seit der Eroberung des Gebiets im Sechstagekrieg 1967 umstrittene Siedlungen ausbaut. Die Zahl der Siedler in dem Gebiet, das zwischen dem israelischen Kernland und Jordanien liegt, ist inzwischen auf etwa eine halbe Million gestiegen. Einschließlich Ost-Jerusalems sind es sogar 700.000. Die Siedler leben inmitten von rund drei Millionen Palästinensern.

Die Vereinten Nationen haben diese Siedlungen als großes Hindernis für eine Friedensregelung eingestuft, weil sie kaum noch ein zusammenhängendes Territorium für die Palästinenser bei einer möglichen Zweistaatenlösung zulassen. Als ein weiterer Grund für die angespannte Lage gelten Razzien der israelischen Armee in Städten des Westjordanlands wegen Anschlägen von Palästinensern auf Israelis.

ribbon Zusammenfassung
  • Die EU setzt erstmals Sanktionen gegen israelische Siedler durch, die für Gewalt gegen Palästinenser verantwortlich sind; damit folgt sie dem Beispiel der USA.
  • Zu den Strafmaßnahmen gehören Einreiseverbote in die EU und das Einfrieren von Vermögen der betroffenen vier Personen und zwei Organisationen.
  • Die Sanktionen könnten einen Kurswechsel in der EU-Israel-Politik signalisieren und sollen die israelische Justiz zu mehr Engagement bei der Verfolgung solcher Gewalttaten bewegen.