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Erneut mehrere Tote bei heftigen Gefechten in Syrien

Heute, 13:13 · Lesedauer 4 min

Wenige Monate nach der Übernahme der neuen Regierung in Syrien kommt es in dem Land erneut zu blutigen Gefechten. Bei heftigen Zusammenstößen nahe der Hauptstadt Damaskus wurden nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Sana mindestens elf Menschen getötet. Bewaffnete Gruppen haben demnach seit Dienstagabend Zivilisten sowie Fahrzeuge der öffentlichen Sicherheit beschossen und unter anderem einen Kontrollpunkt in der Stadt Saidnaya angegriffen.

Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte sprach von mindestens 22 Toten und mehreren Verletzten. Der Beobachtungsstelle zufolge kämpften Mitglieder der drusischen Minderheit gegen regierungstreue, sunnitische Kämpfer. Die Opferzahl werde wohl noch weiter steigen, hieß es.

Am Abend erklärte der Leiter der Sicherheitsdirektion für den ländlichen Raum von Damaskus, die "Sicherheitsoperationen" in Saidnaya seien beendet. Sicherheitskräfte seien in allen Stadtteilen stationiert worden. Augenzeugen hatten zuvor berichtet, dass die Stadt von Regierungstruppen abgeriegelt worden sei.

Die Kämpfe in Saidnaya folgen auf gewaltsame Ausschreitungen in der nahe gelegenen Stadt Jaramana. Dort wurden seit Montagabend nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle mindestens 17 Menschen getötet. Auslöser der Unruhen war eine Tonaufnahme, in welcher der Prophet Mohammed beleidigt worden sein soll. Sie wurde zunächst einem Mitglied der drusischen Gemeinschaft zugeschrieben. Daraufhin brachen die Gefechte aus.

Die Drusen sind eine religiöse Minderheit, die heute vor allem in Syrien, dem Libanon, Israel und Jordanien angesiedelt ist. Die Religionsgemeinschaft ist im 11. Jahrhundert aus dem schiitischen Islam hervorgegangen. In den jeweiligen Ländern legen ihre Angehörigen Wert auf inneren Zusammenhalt und Loyalität zum jeweiligen Staat. In Israel dienen viele Drusen freiwillig in der Armee. Während der Herrschaft des gestürzten Präsidenten Bashar al-Assad standen viele Drusen in Syrien der Regierung nahe.

Bei den Toten in Saidnaya handle es sich um sechs Mitglieder der drusischen Gruppen und 16 regierungstreuen Kämpfern, hieß es von der Beobachtungsstelle weiter. Unter den Verletzten sollen auch Zivilisten gewesen sein. Die Beobachtungsstelle mit Sitz in Großbritannien bezieht ihre Informationen aus einem Netz von Informanten und Aktivisten vor Ort.

Bewohner von Saidnaya berichteten der dpa von erheblichen Schäden an Häusern und Autos durch Maschinengewehrfeuer und Granaten. Viele Menschen seien in Panik geraten. Sicherheitskräfte seien unter schwerem Beschuss in das Zentrum von Saidnaya vorgedrungen, um Viertel mit überwiegend drusischer Bevölkerung zu erreichen und die Lage zu beruhigen.

Israelische "Warnoperation": Syrischer Soldat getötet

In einer gemeinsamen Mitteilung des israelischen Ministerpräsidenten und des Verteidigungsministers hieß es unterdessen, das israelische Militär habe in Syrien eine "Warnoperation" gegen eine "extremistische Gruppe" durchgeführt, die einen Angriff auf die Drusen in Saidnaya vorbereitet habe.

Israel erwarte von Syrien, dass es Maßnahmen ergreife, um die Drusen zu schützen, hieß es weiter in der Erklärung. Israel sieht die Drusen als Verbündete.

Syrische Regierungskreise bestätigten der dpa, dass bei einem israelischen Drohnenangriff am frühen Nachmittag ein syrischer Soldat getötet wurde. Die Syrische Beobachtungsstelle gab an, dass dabei auch mehrere Menschen verletzt wurden. Mindestens zwei israelische Angriffe hätten den Stadtrand von Saidnaya getroffen, sagte der Leiter der Beobachtungsstelle, Rami Abdel-Rahman.

Das israelische Militär gab an, die Luftwaffe habe im Außenbereich von Damaskus Personen attackiert, die Drusen angegriffen hätten. Das Militär sei angewiesen worden, sich auf Angriffe auf Ziele der syrischen Regierung vorzubereiten, sollte die Gewalt gegen die drusische Gemeinschaft anhalten. Nach Angaben von Bewohnern flogen israelische Kampfflugzeuge weiter über der Stadt.

Innenministerium: Suche nach Verantwortlichem

Sowohl das syrische Innenministerium als auch die drusische Gemeinschaft hatten zu der Tonaufnahme zuvor erklärt, dass der beschuldigte Druse nicht in Verbindung mit der Aufnahme stehe. Das Innenministerium arbeitet nach eigenen Angaben noch an der Identifizierung des Verantwortlichen. Vertreter der Drusen in Jaramana erklärten, die Aufnahme sei gefälscht und solle gezielt Unruhe stiften.

Seit dem Sturz von Syriens Langzeitmachthaber Bashar al-Assad hat sich die neue von Islamisten dominierte Führung in Damaskus zum Ziel gesetzt, das gespaltene Land zu einen.

Bereits im März war es in der westlichen Küstenregion Syriens zu blutigen konfessionellen Kämpfen zwischen Regierungstruppen der neuen Machthaber und Assad-treuen Milizen gekommen. Dabei kamen Hunderte Menschen ums Leben.

Zusammenfassung
  • In Syrien sind bei schweren Gefechten nahe Damaskus mindestens 11 Menschen getötet worden, während die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte von 22 Toten spricht.
  • Bei den Kämpfen zwischen der drusischen Minderheit und regierungstreuen sunnitischen Kämpfern wurden auch Zivilisten verletzt, und die Stadt Saidnaya wurde von Sicherheitskräften abgeriegelt.
  • Israel führte eine 'Warnoperation' durch, bei der ein syrischer Soldat getötet wurde, während die Spannungen durch eine beleidigende Tonaufnahme weiter angeheizt wurden.