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Die Regierung strauchelt, die SPÖ streitet

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Für einen Moment gab es in der Regierungskrise die Möglichkeit für Pamela Rendi-Wagner, Kanzlerin zu werden. Zumindest theoretisch. Dennoch wird sie nun von der eigenen Partei kritisiert, dass sie genau das versucht hat.

Seit der sogenannten Vranitzky-Doktrin von 1986 schließt die SPÖ eine gemeinsame Regierung mit der FPÖ auf Bundesebene aus. Doch als die Grünen ob der Vorwürfe gegen Sebastian Kurz mit ihm nicht mehr weiterregieren wollten, überlegte die SPÖ genau das, um eine realistische Alternative zu Türkis-Grün darzustellen. 

Einen kurzen Moment gab es für SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner die Möglichkeit, Kanzlerin zu werden. Eine "außergewöhnliche Situation" brauche "außergewöhnliche Handlungen", sagte Rendi-Wagner. Sie nahm Gespräche mit FPÖ-Chef Herbert Kickl auf, der zuvor klargemacht hatte, eine Minderheitenregierung aus SPÖ, Grünen und NEOS nicht stützen zu wollen. Am Samstagnachmittag - wenige Stunden vor Kurz' Rücktritt - fand das Vieraugengespräch zwischen Rendi-Wagner und Kickl statt.

Auf die Gespräche mit allen im Parlament vertretenen Parteien abseits der ÖVP hatte sich das SPÖ-Parteipräsidium kurz zuvor geeinigt. Dennoch hagelt es nun Kritik aus den roten Reihen: Allen voran Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil, selbst bis 2020 in einer Koalition mit der FPÖ, warf der Parteichefin vor, die SPÖ nun wegen ihr ein " massives Glaubwürdigkeitsproblem" habe. Damit habe sich die SPÖ "ähnlich geschadet wie die Grünen, indem sie Kurz jetzt das Putin-Modell verwirklichen lassen", sagte Doskozil der "Presse". Dem "Standard" gegenüber meinte er, dass er sich lieber für Neuwahlen eingesetzt hätte, als mit den Freiheitlichen eine mögliche Zusammenarbeit auszuloten.

Doskozil rechnet mit Neuwahlen 2022

Damit geht die Obfrau-Debatte in der SPÖ in die nächste Runde: Nur rund 75 Prozent Zustimmung hatte Rendi-Wagner im Juli beim SPÖ-Bundesparteitag erhalten. Das historisch schlechteste Ergebnis bei einer Vorsitzwahl ohne Gegenkandidaten. Die SPÖ will sich derzeit nicht festlegen, wer Spitzenkandidat bei den nächsten Nationalratswahlen sein soll.

Eine öffentliche Debatte darüber will man aber auch nicht führen, obwohl Doskozil mit Neuwahlen schon im Jahr 2022 rechnet. Erst im Sommer war ein öffentlichen Streit zwischen Doskozil und Rendi-Wagner entbrannt. Gegenseitig wurden sich Nettigkeiten ausgerichtet: Rendi-Wagner, meinte Doskozil, erinnere ihn an den ehemaligen ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner. Umgekehrt zog Rendi-Wagner Vergleiche zwischen Doskozil und FPÖ-Chef Herbert Kickl.

Für die Bundes-SPÖ gehe es laut Doskozil nun aber vor allem darum, das "System Kurz" aufzuarbeiten und einen neuen U-Ausschuss in die Wege zu leiten. Für eine Obmann-Debatte bleibe da keine Zeit. Rendi-Wagner selbst zeigte sich enttäuscht darüber, dass die Grünen lieber mit der ÖVP unter Schallenberg als mit ihr als Kanzlerin weiterregieren.

ribbon Zusammenfassung
  • Seit der sogenannten Vranitzky-Doktrin von 1986 schließt die SPÖ eine gemeinsame Regierung mit der FPÖ aus. Doch als die Grünen ob der Vorwürfe gegen Sebastian Kurz mit ihm nicht mehr weiterregieren wollten, zog die SPÖ es in Betracht.
  • Einen kurzen Moment gab es für SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner die Möglichkeit, Kanzlerin zu werden. Eine "außergewöhnliche Situation" brauche "außergewöhnliche Handlungen", sagte sie.
  • Sie nahm Gespräche mit FPÖ-Chef Herbert Kickl auf, der zuvor klargemacht hatte, eine Minderheitenregierung aus SPÖ, Grünen und NEOS nicht stützen zu wollen.
  • Auf die Gespräche mit den im Parlament vertretenen Parteien abseits der ÖVP hatte sich das SPÖ-Parteipräsidium kurz zuvor geeinigt. Dennoch hagelt es nun Kritik aus der eigenen Partei.
  • Allen voran Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil, selbst bis 2020 in einer Koalition mit der FPÖ, warf der Parteichefin vor, die SPÖ in ein " massives Glaubwürdigkeitsproblem" zu stürzen.
  • Damit habe sich die SPÖ "ähnlich geschadet wie die Grünen, indem sie Kurz jetzt das Putin-Modell verwirklichen lassen", sagte Doskozil der "Presse".