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Wadephul fordert von Israel ernste Bemühungen um Waffenruhe

11. Mai 2025 · Lesedauer 7 min

Deutschlands Außenminister Johann Wadephul fordert von Israel ernste Bemühungen um eine Waffenruhe im Gazakrieg. Bei der ersten Reise nach Nahost in seiner neuen Funktion warnte er am Sonntag davor, den Krieg zwischen Israel und der radikalislamischen Hamas in dem Küstenstreifen nur militärisch lösen zu wollen. Für eine dauerhafte Beendigung des Konflikts komme nur ein politischer Prozess in Frage, sagte er im Beisein seines israelischen Amtskollegen Gideon Saar in Jerusalem.

Der CDU-Politiker betonte auch, dass der Gazastreifen Teil der palästinensischen Gebiete im Nahen Osten bleiben müsse. Er sei sich auch nicht sicher, ob das militärische Vorgehen Israels im Gazastreifen seiner eigenen Sicherheit diene, sagte Wadephul auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Saar.

Weltweit wird das Vorgehen des israelischen Militärs, bei dem bisher mehrere 10.000 Palästinenser getötet wurden, mitunter als rücksichtslos und unverhältnismäßig kritisiert. Zudem streben rechtsextremistische Mitglieder der Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu eine Annexion des Gazastreifens an.

Netanyahu lobte am Sonntagnachmittag bei einer Runde mit weiteren Repräsentanten beider Länder in Jerusalem die exzellenten bilateralen Beziehungen. Man wolle diese fortsetzen. "Wir haben viele gemeinsame Interessen, viele gemeinsame Werte und viele gemeinsame Herausforderungen", sagte Netanyahu. Wadephul dankte Netanyahu für den Empfang, beide schüttelten sich vor den Medien freundlich lächelnd die Hände. Das Verhältnis von Wadephuls Vorgängerin Annalena Baerbock (Grüne) zu Netanyahu galt zuletzt als zerrüttet.

Israel hatte für den Gazastreifen zuletzt eine Großoffensive angekündigt für den Fall, dass die Hamas dort nicht aufgibt und die verbliebenen Geiseln freilässt. Auch eine Besetzung des Gebiets ist im Gespräch. Wadephul bekräftigte bei der Pressekonferenz mit Saar aber auch, dass die verbliebenen Geiseln im Gazastreifen unverzüglich freigelassen werden müssten. Saar sagte, nur die Hamas sei für den Krieg verantwortlich. Es dürfe nicht zugelassen werden, dass dies so weitergehe. "Die Hamas muss besiegt werden."

"Sicherheit Israels ist für Deutschland Staatsraison"

Wadephul betonte, die Sicherheit Israels sei für Deutschland Staatsraison. Die Bundesregierung werde dem Land dazu alles bereitstellen, was für dessen Sicherheit erforderlich sei. Aber es sei auch legitim, dass man sich unter Freunden kritisiere.

Ein Waffenstillstand müsse den Weg für die dauerhafte Versorgung der palästinensischen Bevölkerung im Gazastreifen ebnen, mahnte Wadephul bei seinem Antrittsbesuch in Israel. Dort komme seit 70 Tagen keine humanitäre Hilfe mehr an, die große menschliche Not verschärfe sich jeden Tag. Der Minister zeigte Verständnis für den israelischen Ansatz, dass Hilfslieferungen den Menschen und nicht der Terrororganisation Hamas zugutekommen sollten, "die diese Hilfslieferung in der Vergangenheit auch missbraucht hat".

Saar: Israel unterstützt US-Plan für Hilfe im Gazastreifen

Saar erklärte, Israel unterstütze einen Vorschlag der US-Regierung für eine Neuorganisation der humanitären Hilfe im Gazastreifen "voll und ganz". Es gehe darum, die Menschen im Gazastreifen "direkt" und an der Hamas vorbei zu versorgen.

Saar warf der radikalislamischen Palästinenserorganisation vor, Hilfsgüter zu stehlen und sie für ihre "Kriegsmaschinerie" zu nutzen. Israel habe im Laufe des Gaza-Kriegs humanitäre Hilfe zugelassen und ermöglicht, "aber die Hamas hat der Bevölkerung diese Hilfe gestohlen", sagte der israelische Außenminister. "Wenn die Hilfe weiterhin der Hamas und nicht den Menschen im Gazastreifen zugutekommt, wird der Krieg ewig weitergehen", fügte Saar hinzu.

US-Außenministerium kündigte Gründung einer privaten Stiftung an

Das US-Außenministerium hatte am Donnerstag die Gründung einer privaten Stiftung angekündigt, die künftig federführend an der Verteilung von Hilfsgütern im Gazastreifen beteiligt sein soll. US-Botschafter Mike Huckabee führte am Freitag aus, der Plan sehe keine direkte Beteiligung der israelischen Armee an der Verteilung von Hilfsgütern vor. Israel werde die Ausgabe von Lebensmitteln lediglich militärisch absichern, sagte der US-Botschafter in Jerusalem. International wurde der Plan kritisiert, weil damit offenbar die UNO und im Gazastreifen aktive Hilfsorganisationen umgangen werden sollen.

Wadephul hielt fest: "Wenn dies ein Weg ist, um eine hinreichende humanitäre Versorgung sicherzustellen, dann wird die deutsche Bundesregierung das unterstützen." Er kündigte an, am Dienstag in Berlin mit UN-Generalsekretär António Guterres über den Vorschlag zu sprechen.

Wadephul macht Bedingungen für Friedenslösung deutlich

Zugleich machte Wadephul ungewöhnlich deutlich die Vorstellungen der neuen schwarz-roten Regierung (CDU/CSU/SPD) für eine Friedenslösung zwischen Israel und den Palästinensern klar. Gebraucht werde eine politische Lösung für den Wiederaufbau von Gaza ohne die Hamas, von der keine Bedrohungen für Israel mehr ausgehen dürfe. Der arabische Wiederaufbauplan mit einer starken Rolle der Palästinensischen Behörde (PA) sei dafür ein guter Ausgangspunkt.

Klar sei aber auch, dass der Gazastreifen Teil der palästinensischen Gebiete bleiben müsse, betonte Wadephul. Er sei sich mit Saar einig gewesen, dass die Palästinenser dort "eine Zukunft haben können und von niemandem gezwungen werden, dieses Gebiet zu verlassen". Die Präsenz der israelischen Armee dort werde nur von vorübergehender Natur sein - auch darüber habe Einigkeit bestanden. Kritiker befürchten, Israel strebe eine dauerhafte Besetzung des Gazastreifens oder eine Vertreibung der Palästinenser an.

Kranzniederlegung in Yad Vashem

Zuvor hatte Wadephul am Sonntag in Jerusalem die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem besucht und einen Kranz im Namen der Bundesrepublik Deutschland niedergelegt. Weiters wird mit Premier Benjamin Netanyahu zusammentreffen. In Ramallah im Westjordanland ist zudem ein Gespräch mit dem Ministerpräsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde, Mohammed Mustafa, geplant.

Nach der Kranzniederlegung trug sich der Politiker der konservativem Regierungspartei CDU in das Gästebuch der Gedenkstätte ein, die an die Ermordung von sechs Millionen Juden durch Nazi-Deutschland erinnert. Es sei bleibende Verantwortung, das Bewusstsein für dieses von Deutschland begangene unermessliche Unrecht "aufrechtzuerhalten, der Opfer zu gedenken, die Überlebenden zu würdigen und entsprechend den Lehren aus dem Menschheitsverbrechen der Shoah zu handeln", sagte Wadphul.

Er rief dazu auf, "gemeinsam gegen Antisemitismus aufzustehen und auf der Basis der unteilbaren Menschlichkeit die Zukunft zu gestalten". Wadephul zeigte sich erschüttert, nachdem er in der Halle der Erinnerung die Ewige Flamme entzündet und im Gedenken an die von Nazi-Deutschland ermordeten sechs Millionen Jüdinnen und Juden einen Kranz niedergelegt hatte. "Mit Entsetzen und mit Scham stehe ich hier als Außenminister Deutschlands", sagte der Minister. "Dieser Ort führt uns Deutschen immer wieder vor Augen: Die Monstrosität der Shoah wurde in deutscher Sprache befohlen, von Deutschen geplant, von Deutschen ausgeführt."

Politische Gespräche mit heiklen Themen

Im Zentrum des Antrittsbesuchs stehen laut einer Sprecherin des Auswärtigen Amtes in Berlin bilaterale Themen sowie die Lage im Gazastreifen und der Region. Am Samstag nannte Wadephul die Perspektive einer Zweistaatenlösung von Israel und Palästina als "beste Chance für Frieden und Sicherheit".

Deutsche Medien: Lackmustest für Wadphul

Die Reise ist laut deutschen Medien ein erster diplomatischer Lackmustest für Wadephul. Bei den politischen Gesprächen müsse Wadephul wohl auch heikle Themen wie das umstrittene Vorgehen der israelischen Regierung im Gazastreifen ansprechen und vielleicht auch Kritik daran üben. Der Besuch steht vor dem Hintergrund der diese Woche anstehenden Feiern zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Deutschland und Israel vor 60 Jahren.

Saar würdigte die neue deutsche Regierung in diesem Zusammenhang als "echten Freund Israels". Er freue sich auf die Zusammenarbeit und strebe einen Besuch in Berlin im Juni an. "Deutschland ist Israels Partner und unser wichtigster Handelspartner in Europa", sagte Saar. "Das zeigt, dass wir mit Führung und Entschlossenheit gemeinsam für eine bessere Zukunft arbeiten können, ohne die Schrecken der Vergangenheit zu vergessen."

Zusammenfassung
  • Deutschlands Außenminister Johann Wadephul hat bei seinem ersten Besuch in Israel ernsthafte Bemühungen um eine Waffenruhe im Gazakrieg gefordert und betont, dass der Konflikt nur politisch gelöst werden könne.
  • Wadephul äußerte Zweifel, ob das militärische Vorgehen Israels der eigenen Sicherheit diene, und bekräftigte, dass der Gazastreifen Teil der palästinensischen Gebiete bleiben müsse.
  • Er forderte die sofortige Freilassung der verbliebenen Geiseln und sprach sich für einen arabischen Wiederaufbauplan mit starker Rolle der Palästinensischen Behörde aus.
  • Israel unterstützt einen US-Plan zur Neuorganisation der humanitären Hilfe im Gazastreifen, um die Bevölkerung „direkt“ und an der Hamas vorbei zu versorgen.
  • Wadephul nannte die Sicherheit Israels „Staatsraison“ für Deutschland, forderte aber auch die dauerhafte Versorgung der palästinensischen Bevölkerung, da seit 70 Tagen keine humanitäre Hilfe mehr angekommen sei.