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Debatte

Helmpflicht für E-Scooter & Co.: Sicherheit vs. Spontanität

Heute, 14:02 · Lesedauer 5 min

Verkehrsminister Peter Hanke (SPÖ) forderte vergangene Woche eine Helmpflicht für E-Bikes, E-Scooter und E-Mopeds. Kritik kommt nicht nur von Verkehrsclubs, sondern auch vom oberösterreichischen Infrastruktur-Landesrat Günther Steinkellner (FPÖ).

Egal ob Essenslieferanten, Geschäftsleute oder Jugendliche - sie alle trifft man immer häufiger auf E-Bikes, E-Scootern oder E-Mopeds an. Mit teils atemberaubenden Geschwindigkeiten brettern sie über die Straßen und das vorwiegend ohne Helm

Das soll sich künftig ändern, kündigte Verkehrsminister Peter Hanke (SPÖ) an. Eine Novelle der Straßenverkehrsordnung sieht eine Helmpflicht für E-Bikes, E-Scooter und E-Mopeds vor. Der Aufschrei war groß und erinnert an die Diskussion rund um die Gurtpflicht im Auto in den 70er Jahren.

"Angesichts der gefahrenen Geschwindigkeiten" sei eine Helmpflicht aber "nicht nur sinnvoll, sondern längst überfällig", teilte Hanke der APA bereits vergangene Woche mit. Für Motorrad- und Mopedfahrer:innen ist das Tragen eines Sturzhelms bereits seit 1985 Pflicht.

"Symbolpolitik"

Scharfe Kritik an der Novelle ließ nicht lange auf sich warten. Der oberösterreichische Infrastruktur-Landesrat Günther Steinkellner (FPÖ) ortete in der Maßnahme "Symbolpolitik". Eine "gesetzlich verordnete Helmpflicht für E-Bikes und E-Scooter schießt klar über das Ziel hinaus". 

Es handle sich um "zusätzliche Hürden", die Fahrrad- oder E-Bike-Fahrer:innen abschrecken könnten. 

Für mehr Sicherheit brauche es stattdessen "gute Infrastruktur und Eigenverantwortung". Steinkellner meinte: "Ein Helm kann sinnvoll sein, ja – aber seine Wirksamkeit hängt davon ab, ob er freiwillig und richtig getragen wird."

E-Scooter-Verleiher dagegen

Wenig überraschend findet die Idee auch keinen Anklang bei E-Bike- und E-Scooter-Anbieter. In einer gemeinsamen Stellungnahme warnen Lime, Voi und Dott: "In anderen Ländern führte eine gesetzliche Helmpflicht zu einem drastischen Einbruch der Fahrrad- und E-Scooternutzung – in Australien und Dänemark etwa ging diese um 50 Prozent bzw. 70 Prozent zurück. Eine ähnliche negative Entwicklung wäre auch in Österreich zu befürchten."

Eine Helmpflicht setze "ein falsches Signal". Sie erschwere den Zugang zur nachhaltigen Mobilität und schrecke Nutzer:innen davon ab, Autofahrten zu vermeiden.

VCÖ: "Helme können keine Unfälle verhindern"

Der Verkehrsclub Österreich (VCÖ) spricht sich ebenfalls gegen eine allgemeine Helmpflicht aus. "Helme können keine Unfälle verhindern", betonte VCÖ-Experte Michael Schwendinger im PULS 24 Interview. 

Von den 20 tödlichen E-Bike-Unfällen im Vorjahr hätte kein einziger "auf Radwegen oder Radverkehrsanlagen stattgefunden". Das Problem sei daher die Infrastruktur, dort wo der Rad- und Kfz-Verkehr zusammenstoßen, werde es "gefährlich". Der VCÖ fordert daher mehr Radwege und Mehrzweckstreifen, sowie ein Tempolimit von 30 km/h in solchen Gefahrenzonen.

Weniger Schmerzensgeld ohne Helm?

Eine Helmpflicht würde zudem "juristische und versicherungstechnische" Herausforderungen mit sich bringen. 

Schwendinger nannte als Beispiel, dass jemand spontan ein Rad ausleiht, allerdings keinen Helm dabei hat. Würde die Person dann "völlig unverschuldet in einen Unfall verwickelt" werden, könnte es passieren, dass sie Teile des Schmerzensgeldes selbst bezahlen müsse.

Das ist unter gewissen Umständen allerdings bereits jetzt so. Der Oberste Gerichtshof (OGH) urteilte Ende April bei einem Präzedenzfall, dass die Schmerzensgeldansprüche geringer ausfallen, beim Fahren mit einem E-Bike ohne Helm - selbst mit Unfallversicherung. Wer sich dazu entscheide, keinen Helm zu tragen, nehme das Unfallrisiko in Kauf, so der OGH.

Hohes Verletzungsrisiko

Zustimmung für die Helmpflicht gibt es hingegen vom Kuratorium für Verkehrssicherheit (KFV), das bereits seit Jahren eine Helmpflicht fordert. Denn bei Unfällen mit E-Bikes, E-Mopeds und E-Scootern gäbe es besonders oft Kopfverletzungen. 

"Und vor allem die Wahrscheinlichkeit eines Schädel-Hirn-Traumas ist, wenn man keinen Helm aufhat, um das Siebenfache höher als bei Helmträgern", sagte Verkehrsexperte Klaus Robatsch gegenüber dem ORF Wien.

Auch die Wiener Ärztekammer und der Wiener Gesundheitsverband (WIGEV) begrüßen die angekündigte Novelle. "Es ist auf jeden Fall sinnvoll, weil laut Studien zum Beispiel bei E-Scooter-Unfällen rund 50 Prozent den Kopfbereich betroffen haben", so Gerald Wozasek, der Fachgruppenobmann für Unfallchirurgie in der Wiener Ärztekammer, im ORF.

Argumente erinnern an Gurtpflicht-Debatte

Die Diskussion rund um die Helmpflicht erinnert an die Debatte rund um die Gurtpflicht im Auto, die in Österreich am 15. Juli 1976 eingeführt wurde. Jedoch wurde sie jahrelang nicht geahndet, erst ab dem 1. Juli 1984 drohte eine Geldstrafe beim Nicht-Anlegen des Sicherheitsgurtes.

Gegner:innen der Vorschrift gab es anfangs viele. Sie argumentierten etwa, dass mit einer Gurtpflicht die persönliche Freiheit eingeschränkt werde. Einen anderen Grund gab damals ein Autofahrer in einem noch schwarz-weißen Fernsehbeitrag an: Er würde sich nie einen Gurt kaufen, "da, wenn einem während der Fahrt aus Versehen die Zigarette runterfällt, man die nie erreichen würde."

Auch der "Spiegel" berichtete 1975 unter dem Titel "Gefesselt an's Auto" darüber, dass bei einer Studie 30 Prozent der Befragten Angst hatten "bei einem Unfall vom Gurt erwürgt zu werden". 

Die anfängliche Skepsis legte sich aber nach umfangreichen Aufklärungskampagnen und der Realisation, dass die Nutzung des Gurtes die Schwere der Verletzungen bei Unfällen senkt.

"In den vergangenen zehn Jahren lag der Anteil der tödlich verunglückten Fahrzeuginsass:innen ohne Gurt immer zwischen 25 und 35 Prozent", bekräftigte ÖAMTC-Verkehrstechniker David Nosé. Es sei anzunehmen, dass viele von ihnen noch leben würden, hätten sie einen Sicherheitsgurt verwendet.

Video: Immer mehr E-Scooter-Unfälle

Zusammenfassung
  • Verkehrsminister Peter Hanke (SPÖ) forderte vergangene Woche eine Helmpflicht für E-Bikes, E-Scooter und E-Mopeds.
  • Kritik kommt nicht nur von Verkehrsclubs, sondern auch vom oberösterreichischen Infrastruktur-Landesrat Günther Steinkellner (FPÖ).