Chronologie: Die Kurz-Löger-Treffen, die die WKStA stutzig machen

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Wer hat Hartwig Löger auf die WKStA-Ermittlungen gegen ihn vorbereitet? Diese Frage beschäftigt aktuell die Staatsanwaltschaften. Vor allem mehrere Gespräche zwischen Löger und Sebastian Kurz nähren den Verdacht, dass der Ex-Finanzminister vorab von der geplanten Hausdurchsuchung wusste.

Neue Ermittlungen rund um die Causa Ibiza lassen aktuell aufhorchen. Es geht um die Hausdurchsuchung bei Ex-Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) am 11. November 2019 in Zusammenhang mit dem CASAG-Verfahren und den Verdacht, dass er über diese im Voraus informiert gewesen sein könnte. Auch andere Beteiligte - so etwa Novomatic-Geschäftsführer Harald Neumann oder ÖBAG-Vorstand Thomas Schmid - sollen über Hausdurchsuchungen im Casinos-Verfahren gewarnt gewesen sein.

"Dann kriegst du auch Hausdurchsuchungen"

Löger selbst bzw. sein Anwalt bestreiten dies. Aber bei einer Einvernahme durch die Ermittler im Dezember 2020 gab der Ex-Finanzminister an, er sei im Sommer 2019 gewarnt worden, dass es wohl auch Hausdurchsuchungen bei ihm geben werde. Löger schilderte, ihm gegenüber sei gesagt worden: "Na ja, bei dir werden sie auch vorbeikommen und dann kriegst du auch die Hausdurchsuchung und du weißt eh", zitiert die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) in einem Amtsvermerk, der PULS 24 vorliegt, aus dem Einvernahmeprotokoll.

"Profil"-Journalist Michael Nikbakhsh war am Dienstag im Newsroom LIVE bei Sabine Loho zu Gast. Er spricht über den Rücktritt von ÖBAG-Chef Thomas Schmid und über die mögliche Vorwarnung von Hartwig Löger, vormals ÖVP-Finanzminister, vor einer Hausdurchsuchung.

Ihm sei auch empfohlen worden, wie er Daten auf seinem Handy am besten löschen könne, sagt Löger weiter. Und es wurde ihm nahegelegt, sein Handy als "verloren" zu melden. "Besorgst du dir ein neues, dann ist es weg", so die Empfehlung, die er erhielt. Von wem diese kam, wollte er nicht sagen.

Gespräche mit Kanzler Kurz

Die Ermittler interessieren sich laut einem Amtsvermerk vor allem für Treffen und Kommunikation Lögers mit Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) rund um zwei zentrale Termine. Das bedeutet aber nicht, dass gegen den Kanzler ermittelt wird. Es sind zwar Untersuchungen wegen des vermuteten Verrats von Amtsgeheimnissen anhängig, diese richten sich aber gegen unbekannte Täter, nicht gegen Kurz.

Bei den Terminen handelt es sich zum einen um den 15. Oktober 2019, dem Tag als die WKStA Ermittlungen gegen Löger als Beschuldigten im Casinos-Postenschacher-Verfahren einleitete. Zum anderen geht es um den 8. November 2019, dem Tag, als die WKStA die Behörden über die geplante Hausdurchsuchung bei Löger informierte.

Eine Chronologie zum Beschuldigtenstatus Lögers:

  • 15. Oktober 2019: Die WKStA berichtet der Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Wien, ihrer Oberbehörde, dass auch Löger und der damalige Aufsichtsratschef der Casinos Austria (CASAG), Walter Rothensteiner, als Beschuldigte im Casinos-Verfahren geführt werden. (Es geht um Gefälligkeiten für Glücksspiellizenzen zwischen Novomatic und FPÖ. Alle Betroffenen bestreiten sämtliche Vorwürfe.)
  • 16. Oktober 2019: Um 15.00 Uhr findet eine Besprechung der WKStA mit den Ermittlern der "Soko Tape" (die dem Innenministerium untersteht) statt, in der die Soko-Ermittler darüber unterrichtet werden, dass Löger und Rothensteiner nunmehr Beschuldigte sind.
  • Am selben Tag um 19.06 Uhr ruft Sebastian Kurz Löger an, die beiden telefonieren annähernd fünf Minuten lang. Es ist die erste telefonische Kommunikation zwischen Kurz und Löger seit fast vier Monaten. Laut Handy-Auswertung haben die beiden zuletzt am 6. Juni per SMS und am 7. Juni per WhatsApp kommuniziert. Das letzte geplante Treffen zwischen den beiden fand laut Lögers Kalender am 1. Juli 2019 statt.
  • 22. Oktober 2019: Kurz' Sekretärin will ein Treffen von Kurz und Löger vereinbaren. Es gelingt zunächst nicht, einen passenden Termin zu finden. Schließlich wird aber ein Treffen für den 7. November fixiert.
  • 29. Oktober 2019: Der damalige Übergangs-Finanzminister Eduard Müller übermittelt Löger die Handynummer des damaligen Übergangs-Innenministers Wolfgang Peschorn. Löger schreibt Peschorn daraufhin: "Würde sehr gerne deine Zeit/ca 20min in einer dringlichen persönlichen Sache in Anspruch nehmen. Zwei Tage später kommt es zu einem Treffen.
  • 7. November 2019: Das vereinbarte Treffen zwischen Kurz und Löger findet statt. Direkt im Anschluss führt Löger mehrere Telefonate, darunter mit ÖVP-Rechtsanwalt Werner Suppan, der Löger später im Verfahren als Anwalt vertritt. Suppan übermittelt Löger daraufhin per SMS die Adresse seiner Kanzlei. Laut WKStA deuten die Anrufe darauf hin, dass Löger und Kurz wohl "das (beiden zu diesem Zeitpunkt offiziell nicht bekannte) Ermittlungsverfahren besprochen" haben. Aber auch Lögers Absicht, in die Privatwirtschaft zu wechseln, dürfte höchstwahrscheinlich Thema gewesen sein. Darauf deuten anschließende Telefonate mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden der Vienna Insurance Group, Günther Geyer, hin, bei der Löger ab 2021 Vorstandsmitglied ist.

Eine Chronologie zur Hausdurchsuchung bei Löger:

  • 8. November 2019: Die WKStA übermittelt einen so genannten Informationsbericht an die OStA Wien. Darin wird die OStA Wien über die bevorstehende Hausdurchsuchung bei Löger in Kenntnis gesetzt. Am selben Tag ergeht auch eine entsprechende Anordnung an die "Soko Tape". Auch Christian Pilnacek, Sektionschef für Strafrecht im Justizministerium, erfährt an diesem Tag von der geplanten Maßnahme.
  • Um 23.16 Uhr ruft Kurz Löger auf WhatsApp an. Dieser hebt aber nicht ab. Kurz versucht es anschließend ein weiteres Mal mit einem normalen Anruf, auch diesmal erfolglos.
  • 9. November 2019: Löger bemerkt in den frühen Morgenstunden die entgangenen Anrufe und schreibt an Kurz: "Bin jederzeit erreichbar und freue mich auf unser Treffen um 15.30!" Etwa drei Stunden später ruft Kurz bei Löger an. Die beiden telefonierten rund zwei Minuten lang miteinander. Wenig später wird der angepeilte Termin auf 16.00 Uhr verlegt.
    Die WKStA merkt an, dass dieses Treffen nicht über Kurz' Sekretärin sondern offenbar spontan vereinbart wurde und bei Kurz zu Hause stattfand, wie aus Lögers Kalender hervorgehe.
  • 10. November 2019: Kurz und Löger telefonieren am Vormittag abermals rund zehn Minuten lang miteinander.
  • 11. November 2019: Löger schickt Kurz das Foto eines "Presse"-Zeitungsartikels vom Tag zuvor. Darin werden Löger wenig Chancen auf eine Rückkehr als Finanzminister eingeräumt. Löger schreibt dazu: "Hallo Sebastian - wir sollten tatsächlich bald gemeinsame Kommunikation abstimmen."
  • In den Abendstunden fragt Kurz' Sekretärin bei Löger wegen eines Termins für den nächsten Tag an.
  • 12. November 2019: Die Hausdurchsuchung bei Löger findet statt. Der für diesen Tag geplante Termin mit Kurz kommt nicht mehr zustande.

Die ÖVP wies gegenüber "Standard", "profil" und ORF alle Vorwürfe zurück und drohte bei der Unterstellung, Kurz hätte die Hausdurchsuchung verraten, mit Klagen. Bei den Treffen bzw. Gesprächen sei es um eine mögliche Beteiligung Lögers an den damals anstehenden Regierungsverhandlungen gegangen, teilte Lögers wie auch Kurz' und Blümels Anwalt Werner Suppan den Medien mit. Das dürfte auch zumindest zum Teil Gesprächsthema gewesen sein, wie auch die WKStA in ihrem Amtsvermerk bestätigt und gewisse Telefonate und Nachrichten nahelegen.

Löger habe zudem "spätestens seit August 2019" Journalistenanfragen zu seinem Beschuldigtenstatus und zu allfälligen Hausdurchsuchungen erhalten. "Eine konkrete Information darüber wurde erst anlässlich der Hausdurchsuchung erteilt."

Die WKStA merkt jedenfalls an, dass Löger übereinstimmend mit seiner Aussage keine Daten von seinem Handy gelöscht hat (wie dies etwa der inzwischen zurückgetretene ÖBAG-Vorstand Thomas Schmid versucht hatte). Die ausgewertete Korrespondenz dürfte vollständig sein.

Für alle Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung.

ribbon Zusammenfassung
  • Wer hat Hartwig Löger auf die WKStA-Ermittlungen gegen ihn vorbereitet? Diese Frage beschäftigt aktuell die Staatsanwaltschaften. Vor allem mehrere Gespräche zwischen Löger und Sebastian Kurz nähren den Verdacht, dass der Ex-Finanzminister vorab von der geplanten Hausdurchsuchung wusste.

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