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China nimmt Hongkong an noch kürzere Leine

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China hat die Kontrolle über Hongkong verschärft. Zum Abschluss seiner Jahrestagung billigte der Volkskongress am Donnerstag in Peking eine Änderung des Wahlsystems, mit dem die ohnehin begrenzte Demokratie in der chinesischen Sonderverwaltungsregion weiter beschnitten wird. Die knapp 3.000 Delegierten in der Großen Halle des Volkes verabschiedeten auch den neuen Fünf-Jahres-Plan, mit dem sich China technologisch und wirtschaftlich unabhängiger vom Rest der Welt machen will.

Die Regierung will die Binnennachfrage stärken und die Investitionen in Forschung und Entwicklung steigern. Damit soll die Abhängigkeit vom Ausland verringert werden. Nach Darstellung des Regierungschefs Li Keqiang hat China großen Nachholbedarf und will Innovation fördern. Die Strategie ist auch eine Reaktion auf die Unterbrechung von Lieferketten durch US-Sanktionen gegen Chinas Technologie-Konzerne und die globale Rezession durch die Corona-Pandemie.

Fast einstimmig nahm der Volkskongress die Wahlreform für Hongkong an. Kritiker sehen einen weiteren Schlag gegen das freiheitliche System der früheren britischen Kronkolonie. Das Vorgehen stieß in Hongkong und im Ausland auf Empörung, besonders bei der ehemaligen Kolonialmacht Großbritannien. "Dies ist der jüngste Schritt Pekings, Platz für demokratische Debatten in Hongkong auszuhöhlen - entgegen der von China gemachten Versprechen", sagte Außenminister Dominic Raab. Es untergrabe das Vertrauen, dass China seinen Verpflichtungen als führendes Mitglied der Weltgemeinschaft noch gerecht werde.

Kritik gab es auch seitens der EU und USA. "Die Europäische Union appelliert an die chinesischen und die Hongkonger Behörden, das Vertrauen in den demokratischen Prozess in Hongkong wiederherzustellen", forderte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Donnerstag. Die "Verfolgung jener, die demokratische Werte verteidigen", müsse beendet werden, fügte er hinzu. Ein Sprecher des US-Außenministeriums sprach wiederum von einem "direkten Angriff auf Hongkongs Wirtschaft, Freiheiten und demokratische Prozesse". Mit der geplanten Reform sollten in Hongkong die "demokratische Repräsentation vermindert und die politische Debatte erstickt" werden.

Der chinesische Premier verteidigte die "Verbesserungen" des Wahlsystems, die sicherstellen sollten, dass Hongkong "von Patrioten regiert" werde. Nach dem Beschluss wird das Komitee zur Wahl des Hongkonger Regierungschefs von bisher 1.200 auf 1.500 Mitglieder vergrößert. Bei der Auswahl der Mitglieder wird das ohnehin dominante Pro-Peking-Lager noch mehr an Einfluss gewinnen, während die Oppositionskräfte zurückgedrängt werden.

Ein neu zu schaffender "Überprüfungsausschuss" wird zudem künftig die Kandidaten sowohl für das Wahlkomitee als auch für Hongkongs Parlament überprüfen. Bei diesem Gesinnungstest geht es darum, ob sie auch "patriotisch" sind. Kritiker sehen darin praktisch ein Vetorecht schon bei der Aufstellung der Kandidaten. Denn "Patrioten" seien aus Pekings Sicht nur solche Kandidaten, die auch der Linie der Kommunistischen Partei folgten.

Es ist das zweite Mal innerhalb von neun Monaten, dass Peking angesichts der Proteste und des Rufes nach mehr Demokratie in Hongkong die Zügel straffer zieht. Im Juli trat ein ebenfalls scharf kritisiertes Sicherheitsgesetz in Hongkong in Kraft, das seither dazu genutzt wird, auch juristisch gegen Demokratie-Aktivisten vorzugehen. Es richtet sich gegen Aktivitäten, die Peking als umstürzlerisch, separatistisch, terroristisch oder verschwörerisch ansieht.

Während das Schicksal Hongkongs die Tagung überschattete, billigte das nicht frei gewählte Parlament zum Abschluss auch erwartungsgemäß die Wirtschaftspolitik der Regierung. Regierungschef Li Keqiang erwartet in diesem Jahr ein Wachstum um "mehr als sechs Prozent" - nach 2,3 Prozent im Vorjahr.

China profitiert davon, dass es das Coronavirus seit Sommer weitgehend im Griff hat. Peking verfolgt eine "Null-Covid-Strategie": Es bedient sich dabei strikter Maßnahmen wie Ausgangssperren, Quarantäne, Massentests, Kontaktverfolgung und weitgehender Einreisebeschränkungen.

Vor dem Hintergrund der wachsenden Spannungen mit den USA, Indien, Taiwan und Nachbarn im Ostchinesischen und Südchinesischen Meer sollen auch die Verteidigungsausgaben wieder kräftig um 6,8 Prozent steigen. Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping rief das Militär zur "Kampfbereitschaft" auf, um die "nationale Souveränität, Sicherheit und die Entwicklungsinteressen" des Landes zu verteidigen. Er forderte auch eine "hochkarätige strategische Abschreckung".

Zugleich unterstrich Li Keqiang die gemeinsamen Interessen der Volksrepublik und der USA. Es gebe viele Bereiche für eine Zusammenarbeit und er hoffe, dass sich die Beziehungen beider Staaten auf eine gesunde Art und Weise entwickeln könnten. Dies solle auf dem Respekt für die jeweiligen Interessen basieren, auf einer Zusammenarbeit, in der beide gewinnen könnten, und auf der Nicht-Einmischung in interne Angelegenheiten. China werde auch weiterhin seine Wirtschaft für ausländische Investoren öffnen, fügte Li hinzu.

Li äußerte sich, nachdem US-Präsidialamtssprecherin Jen Psaki erklärt hatte, die Regierung von Präsident Joe Biden plane ein erstes Treffen zwischen US-Außenminister Antony Blinken mit Chinas oberstem Diplomaten Yang Jiechi kommende Woche in Alaska. An der Begegnung am nächsten Donnerstag sollen Bidens Sicherheitsberater Jake Sullivan sowie der chinesische Staatsrat Wang Yi teilnehmen. Das Außenministerium in Peking bestätigte den Termin.

ribbon Zusammenfassung
  • Zum Abschluss seiner Jahrestagung billigte der Volkskongress am Donnerstag in Peking eine Änderung des Wahlsystems, mit dem die ohnehin begrenzte Demokratie in der chinesischen Sonderverwaltungsregion weiter beschnitten wird.
  • Nach Darstellung des Regierungschefs Li Keqiang hat China großen Nachholbedarf und will Innovation fördern.
  • China profitiert davon, dass es das Coronavirus seit Sommer weitgehend im Griff hat.

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