APA/BARBARA GINDL

Bedingte Haft nach IS-Treffen in elterlicher Wohnung

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Der 20-jährige wurde zu 15 Monaten bedingter Haft verurteilt. Der Vater des Angeklagten hatte sich aus Sorge um den jüngeren Sohn an die Behörden gewandt.

Ein mittlerweile 20-Jähriger ist am Mittwoch am Wiener Landesgericht für Strafsachen rechtskräftig wegen terroristischer Vereinigung zu 15 Monaten Haft verurteilt worden, die ihm unter Setzung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen wurden. Der junge Mann - laut seinem Verteidiger Andreas Stranzinger ein gläubiger Moslem - hatte sich als Teenager radikalisiert und sich mit 17 für die radikalislamistische Terror-Miliz "Islamischer Staat" betätigt.

Konkret wurde er dafür verurteilt, in mehreren WhatsApp-Gruppen insgesamt 22 Chats mit radikalislamistischen Inhalten geteilt zu haben. Im Sommer 2019 hielt er außerdem in der Wohnung seiner Eltern in Wien-Leopoldstadt ein Treffen mit Gleichgesinnten ab, das er vor Gericht zunächst als harmloses Beisammensein anlässlich des so genannten Zuckerfestes - das islamische Fastenbrechen Eid al-Fitr im Anschluss an den Fastenmonat Ramadan - abtat: "Die Absicht war, Torte und Tiramisu zu essen."

Mutmaßliches Bekenntnis-Treffen

Die Staatsanwältin konfrontierte den Angeklagten daraufhin mit einem Video, das er selbst mit einem seiner insgesamt vier im Zuge der Ermittlungen sichergestellten Smartphones von dieser Zusammenkunft aufgenommen hatte. Darauf war zu hören, wie die Versammelten Nasheeds (Gesänge bzw. Lobpreisungen mit religiösen Inhalten, Anm.) hören bzw. mitsingen, in denen es unter anderem um das Abschneiden der Köpfe von Ungläubigen ging, wie die Staatsanwältin darlegte. "Wir haben's einfach angehört, weil wir gerne Musik hören", bemerkte darauf der 20-Jährige, der zugab, damals die Gedanken des IS vertreten zu haben. "Das Treffen hat aber nur wegen dem Fest stattgefunden", versicherte er. Den Vorwurf der Anklage, er habe bei diesem Treffen eine Treueeid auf den IS abgelegt, bestritt er, er wurde hinsichtlich des Treueschwurs am Ende auch nicht schuldig gesprochen.

Wer neben dem Angeklagten an der inkriminierten Zusammenkunft von IS-Sympathisanten teilgenommen hatte, wusste die Staatsanwältin nicht. Das Treffen wurde vom Verfassungsschutz nicht observiert. Auf dem sichergestellten Video waren die Teilnehmer nicht zu erkennen, man sah nur ihre Konturen, die sich auf einem in der Mitte stehenden Glastisch spiegelten. Eine Identifikation war trotz - wie die Staatsanwältin versicherte - eingehender Bemühungen von Datenexperten und IT-Forensikern nicht möglich.

Verbreitete IS-Propaganda

Gesichert ist allerdings, dass sich der Angeklagte in den WhatsApp-Gruppen, in denen der damals 17-Jährige als IS-Propagandist tätig war, mit Personen austauschte, die direkten Kontakt zum späteren Attentäter von Wien hatten, der am 2. November 2020 in der Innenstadt vier Personen tötete. Dazu zählten etwa der einschlägig bekannte deutsche Islamist Anzor W. oder Blinor S., der nach dem Terror-Anschlag in Wien in seiner Wohnung in Osnabrück festgenommen wurde. Die Behörden in Deutschland gingen davon aus, dass Blinor S., der über soziale Medien seit längerem Kontakt zum Attentäter hatte, von dessen Anschlagsplänen wusste, zumal er im Juli 2020 an einem Islamisten-Treffen in Wien teilgenommen und bei dieser Gelegenheit in der Wohnung des Attentäters übernachtet hatte. Die Bundesanwaltschaft kam daher zum Schluss, Blinor S. habe den Anschlag billigend in Kauf genommen statt die Sicherheitsbehörden zu informieren.

Das Wiener Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) konnte wiederum nachweisen, dass auch der Angeklagte in direkter Verbindung mit Blinor S. stand. Im September 2019 bekam er von diesem auf sein Paypal-Konto knapp 600 Euro überwiesen. Gegen den damals 17-Jährigen wurde daher ursprünglich auch wegen Verdachts der Terrorismus-Finanzierung ermittelt, zumal er auch von anderen IS-Sympathisanten bzw. -Mitgliedern Spenden gesammelt hatte. Dieser Verfahrensaspekt musste jedoch von der Staatsanwaltschaft Wien eingestellt werden, weil sich nicht feststellen ließ, wohin der junge Wiener die Gelder überwiesen hatte. Er selbst behauptete dem Vernehmen nach dazu im Ermittlungsverfahren, er habe sie in den Kosovo geschickt, um Flüchtlinge zu unterstützen.

Angeklagter bekannte sich schuldig

Die internationalen Kontakte des Angeklagten und Finanzielles kamen in der Verhandlung nicht zur Sprache, da sie nicht Gegenstand der Anklage waren. Der inzwischen 20-Jährige gab sich vor einem Schöffensenat grundsätzlich geläutert und bekannte sich zu den 22 inkriminierten Chats schuldig. Er habe seinen Chat-Partnern "die Regeln im islamischen Staat erklärt", gab er zu Protokoll. So habe er etwa seine Tante belehrt, dass auf Ehebruch der Tod stünde. Zum IS sei er mit 16 gekommen, schilderte der Angeklagte: "Da habe ich zu partizipieren begonnen. Damals habe ich gedacht, es ist richtig." Auf die Frage, wie er nun zum IS stehe, erwiderte der Angeklagte: "Ich bin rausgekommen, indem ich selber recherchiert habe."

Bei einer Strafdrohung von bis zu fünf Jahren fand der Senat für den bisher Unbescholtenen mit 15 Monaten auf Bewährung das Auslangen. An sich wären 18 Monate zu verhängen gewesen, drei Monate habe man dem 20-Jährigen aber aufgrund der langen Verfahrensdauer erlassen, führte die vorsitzende Richterin in der Urteilsbegründung aus. Verurteilt wurde der Mann für einen Tatzeitraum von Mitte Dezember 2018 bis Anfang Jänner 2020. Er nahm nach Rücksprache mit seinem Verteidiger das Urteil ebenso an wie die Staatsanwältin. Neben Bewährungshilfe wurde seitens des Gerichts per Weisung auch das Durchlaufen eines Deradikalisierungsprogramms angeordnet.

Vater hatte sich an Polizei gewandt

Auf die Spur des nunmehr 20-Jährigen waren die Sicherheitsbehörden gekommen, weil sich dessen Vater an die Polizei gewandt hatte, der mit den zunehmend radikalen Ansichten seines Sohnes Probleme hatte und einen schlechten Einfluss auf den zweiten, jüngeren Sohn befürchtete. Diese bewahrheiteten sich dann insofern, als der jüngere Sohn am 3. November 2020 - sohin wenige Stunden nach dem Terror-Anschlag - festgenommen wurde, weil der damals 16-Jährige zunächst zu den engsten zwölf Kontaktpersonen des Attentäters gerechnet wurde, zum Teil dieselben Moscheen wie dieser besucht und am internationalen Islamistentreffen in Wien im Sommer 2020 teilgenommen hatte.

Bis Mitte Mai 2021 saß der 16-Jährige in U-Haft, ehe sich herausstellte, dass er nicht - wie ursprünglich vermutet - am Anschlag beteiligt war oder von den Terror-Plänen des Attentäters gewusst hatte. Der Jugendliche wurde allerdings - wie nun auch sein älterer Bruder - wegen terroristischer Vereinigung angeklagt und verurteilt, wobei er eine teilbedingte Haftstrafe ausfasste.

Der Vater der beiden dürfte den älteren Sohn dafür verantwortlich machen, dass der Jüngere zum IS fand. Wie der 20-Jährige am Rande der heutigen Verhandlung erzählte, musste er nach der Festnahme des Jüngeren von zu Hause ausziehen. Der Vater habe inzwischen "jeden Kontakt abgebrochen", gab der 20-Jährige bekannt, der mit dem IS nichts mehr zu tun habe, wie er abschließend beteuerte: "Ich konzentriere mich jetzt auf meine Freundin und meine Katzen."

ribbon Zusammenfassung
  • Ein mittlerweile 20-Jähriger ist am Mittwoch am Wiener Landesgericht für Strafsachen rechtskräftig wegen terroristischer Vereinigung zu 15 Monaten Haft verurteilt worden, die ihm unter Setzung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen wurden.
  • Die internationalen Kontakte des Angeklagten und Finanzielles kamen in der Verhandlung nicht zur Sprache, da sie nicht Gegenstand der Anklage waren.

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