Pensionen & Abwanderung
Ärztestatistik: Weiße Kittel werden rar
Die österreichische Ärzteschaft steht vor einer Zerreißprobe: Während der Babyboomer-Jahrgang in den kommenden Jahren in Pension geht, wächst die Bevölkerung – und damit auch der Bedarf an medizinischer Betreuung. Die jüngste Ärztestatistik, präsentiert von Ärztekammer-Präsident Johannes Steinhart, zeigt: Das Land braucht jährlich fast 2.000 neue Ärztinnen und Ärzte, allein um das aktuelle Versorgungsniveau zu halten.
Ein Drittel geht ins Ausland
Rund ein Drittel der ausgebildeten Medizinerinnen und Mediziner bleibt nach dem Studium gar nicht im österreichischen Gesundheitswesen – viele wandern ins Ausland aus oder gehen zurück in ihre Heimat. Mehr Studienplätze allein lösen das Problem nicht, "wir würden bloß noch mehr Ärztinnen und Ärzte an das Ausland verlieren", warnt Steinhart. Die Kammer fordert stattdessen bessere Arbeitsbedingungen, flexiblere Modelle und die unkomplizierte Anerkennung von Abschlüssen.
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Alternde Ärzteschaft
Jede dritte Ärztin bzw. jeder dritte Arzt ist bereits über 55 Jahre alt. In den nächsten zehn Jahren müssen damit jährlich rund 1.800 Pensionierungen kompensiert werden, damit das medizinische Angebot nicht schrumpft – und das vor dem Hintergrund veränderter Wünsche der jungen Generation an den Beruf: Teilzeit, weniger Überstunden, mehr Zeit für Familie, flexible Arbeitsmodelle.
Pichlbauer: "Wir bilden viel zu viele Ärzte aus"
Warum fehlen Kassenärzte, obwohl Österreich mehr Medizinstudierende hat als die Schweiz? Gesundheitsökonom Ernest Pichlbauer erklärt: Das Problem ist kein Mangel an Absolventen, sondern ein fragmentiertes System und fehlende Ausbildungsplätze.
Forderungen: Ohne Strukturwandel droht Engpass
Die Ärztekammer drängt auf eine Generalüberholung des Systems: Mindestens 1.000 zusätzliche Kassenarztstellen, eine bessere Ausstattung der elektronischen Gesundheitsakte ELGA, eine EU-weite Quote von Mindeststudienplätzen, um "Sogwirkungen" zwischen den Ländern zu minimieren und einen echten Bürokratieabbau und eine Modernisierung der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK).
Das Ziel: Die Kassenpraxen wieder attraktiv machen und Versorgungsengpässe vermeiden. Man sei quasi an einem Wendepunkt – jetzt entscheide sich, ob Österreich auch künftig flächendeckend medizinische Betreuung bieten könne.
Zusammenfassung
- Die Ärztekammer warnt vor einem langfristig starken Nachbesetzungsbedarf, da in den nächsten zehn Jahren 18.189 Ärztinnen und Ärzte das Regelpensionsalter erreichen.
- Aktuell arbeiten 52.005 Ärztinnen und Ärzte in Österreich, was einem Zuwachs von 2,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht.
- Ein Drittel der in Österreich ausgebildeten Medizinerinnen und Mediziner arbeitet nicht im heimischen Gesundheitssystem, was insbesondere durch attraktivere Arbeitsbedingungen im Ausland bedingt ist.
- Jährlich müssten laut Ärztekammer bis zu 1.932 Ärztinnen und Ärzte nachbesetzt werden, um den Status quo zu erhalten, während es aktuell nur 1.756 Studienplätze für Humanmedizin gibt.
- Die Ärztekammer fordert flexiblere Arbeitsmodelle, einen deutlichen Bürokratieabbau sowie mindestens 1.000 zusätzliche Kassenstellen und eine grundlegende Reform der ÖGK.