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198 tote Zivilisten durch russische Angriffe, 100.000 Ukrainer flüchteten nach Polen

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Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine haben nach Angaben des stellvertrenden polnischen Innenministers rund 100.000 Menschen aus der Ukraine die Grenze zu Polen überquert.

Medwedew, Vizevorsitzender des russischen Sicherheitsrats, erklärte am Samstag im Sozialen Netzwerk Vkontakte: "Die Militäroperation zum Schutz des Donbass wird vollständig und bis zum Erreichen aller Ergebnisse durchgeführt. Nicht mehr und nicht weniger." Daran änderten auch die Strafmaßnahmen des Westens nichts. Medwedew bezeichnete die Sanktionen des Westens als "politische Ohnmacht, die sich aus der Unfähigkeit ergibt, den Kurs Russlands zu ändern". "Jetzt werden wir von überall vertrieben, bestraft, verängstigt, aber wir haben wieder keine Angst", sagte der Vertraute von Präsident Wladimir Putin. Russland werde "spiegelbildlich" antworten. Überhaupt brauche sein Land keine diplomatischen Beziehungen zum Westen. Es sei an der Zeit, "Botschaften zu schließen".

An Tag drei der russischen Ukraine-Invasion haben sich beide Seiten Gefechte um die Hauptstadt Kiew und andere Städte geliefert. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj rief seine Landsleute in Videobotschaften am Samstag zur Abwehr russischer Angriffe auf. Nach UNO-Angaben sind Hunderttausende in der Ukraine auf der Flucht. Allein in Polen sind nach Regierungsangaben bisher 100.000 Flüchtlinge aus dem Nachbarland angekommen.

198 Tote Zivilisten, darunter drei Kinder

Bei den Angriffen der russischen Armee sind laut den ukrainischen Behörden bisher 198 Zivilisten getötet worden. Unter den Todesopfern seien drei Kinder, erklärte Gesundheitsminister Viktor Ljaschko am Samstag auf Facebook. Zudem seien 1.115 Menschen verletzt worden, darunter 33 Kinder. Diese Angaben lassen sich von unabhängiger Seite kaum überprüfen. Russland will laut Ex-Präsident Dmitri Medwedew trotz westlicher Sanktionen den Einmarsch in die Ukraine nicht abbrechen.

"Kein Krankenhaus hat geschlossen", betonte der Gesundheitsminister. In der Stadt Cherson im Südosten des Landes seien unter Beschuss zwei Buben in einer Entbindungsstation geboren. Das UNO-Menschenrechtsbüro hatte am Freitag von Berichten über 25 getötete und 102 verletzte Zivilisten gesprochen. Die überwiegende Mehrheit der Fälle sei aus Gebieten gemeldet worden, die von der ukrainischen Regierung kontrolliert werden, sagte eine Sprecherin.

Selenskyi: Land muss verteidigt werden

Der russische Präsident Wladimir Putin hatte am Donnerstag den Angriff auf das Nachbarland begonnen. Bereits am Freitag drangen russische Truppen an den Rand der Hauptstadt Kiew vor, die auch aus der Luft beschossen wurde. In Kiew leben rund 2,8 Millionen Menschen. Kämpfe gab es auch um Odessa, Mariupol und andere Städte im ganzen Land. Die Europäische Union und die USA wollen nicht militärisch in den Konflikt eingreifen. Sie verhängten aber scharfe Sanktionen, auch gegen Putin selbst.

Selenskyj meldete sich in der Nacht auf Samstag und am Morgen immer wieder in Videobotschaften. Unter anderem forderte er die Aufnahme seines Landes in die EU - derzeit ein aussichtsloses Unterfangen. Vor allem wollte er zeigen, dass er die Ukraine nicht verlassen habe: "Ich bin hier." Das Land müsse verteidigt werden. Putin hatte die ukrainische Armee aufgefordert, die Waffen niederzulegen. Das zeichnete sich nicht ab.

In der Nacht und in der Früh wurden Gefechte aus Kiew gemeldet, unter anderem um ein Heizkraftwerk und eine Kaserne der ukrainischen Streitkräfte. Bilder zeigten Treffer in einem Wohngebäude. Schließlich warnten die ukrainischen Behörden: "Auf den Straßen unserer Stadt laufen jetzt Kampfhandlungen. Wir bitten darum, Ruhe zu bewahren und maximal vorsichtig zu sein!" Der Bürgermeister von Kiew, Vitali Klitschko, betonte, die Hauptstadt sei weiter in ukrainischer Hand. Mit Stand 5.00 Uhr MEZ gebe es 35 Verletzte, unter ihnen zwei Kinder.

Diplomatische Lösung nicht in Sicht

Von beiden Kriegsparteien gab es militärische Erfolgsmeldungen. Das ukrainische Militär erklärte, man habe 3.500 russische Soldaten getötet und 200 weitere gefangen genommen. Zudem seien 14 Flugzeuge, acht Hubschrauber und 102 Panzer sowie mehr als 530 weitere Militärfahrzeuge zerstört worden.

Russland meldete seinerseits, es seien mehr als 800 ukrainische Militärobjekte "außer Gefecht" gesetzt worden. 14 Militärflugplätze, 19 Kommandoposten, 24 Flugabwehr-Raketensysteme vom Typ S-300 und 48 Radarstationen seien zerstört, acht Marine-Boote der Ukraine getroffen worden. Russische Truppen hätten die Kontrolle über die südostukrainische Kleinstadt Melitopol.

Diese Angaben der Kriegsparteien können nicht von unabhängiger Seite überprüft werden. Gesicherte Informationen sind immer schwerer verfügbar. Viele westliche Journalisten haben Kiew verlassen.

Eine diplomatische Lösung für den Konflikt ist nicht in Sicht. Russland erklärte sich zwar bereit für Gespräche, und ein Sprecher Selenskyjs schrieb auf Facebook, die Führung in Kiew sei darüber mit Moskau in Kontakt: "Unmittelbar in diesen Stunden führen die Seiten Konsultationen über Ort und Zeit eines Gesprächsprozesses." Der Ort solcher Gespräche ist jedoch umstritten. Auch hat Putin deutlich gemacht, dass er die ukrainische Führung um Selenskyj stürzen will. Eine gegen den russischen Angriff gerichtete Resolution im UNO-Sicherheitsrat scheiterte wie erwartet am Veto Moskaus.

Neue EU-Sanktionen

Um Druck auf Russland auszuüben, traten in der Nacht auf Samstag neue EU-Sanktionen in Kraft. Die Strafmaßnahmen sollen Russland und seiner Wirtschaft erheblichen Schaden zufügen. Dafür werden zum Beispiel die Refinanzierungsmöglichkeiten des Staates und von ausgewählten privaten Banken und Unternehmen eingeschränkt. Zudem erlässt die EU Ausfuhrbeschränkungen für strategisch wichtige Güter. Darüber hinaus setzen die EU, Großbritannien und die USA Putin und den russischen Außenminister Sergej Lawrow persönlich auf ihre Sanktionslisten. Damit könnten ausländische Konten oder Vermögen eingefroren werden.

Russland warf der ukrainischen Seite indes den Beschuss von Wohngebieten im Separatistengebiet Donbass vorn. "Ukrainische Nationalisten" hätten am Samstagvormittag unter anderem die Stadt Starobilsk im Luhansker Gebiet angegriffen, erklärte das Moskauer Verteidigungsministerium der Agentur Interfax zufolge. "Infolgedessen ist in der Stadt ein Feuer ausgebrochen, es gibt zerstörte Wohngebäude und Tote unter der Zivilbevölkerung", hieß es. Russland bezeichnet die ukrainischen Streitkräfte regelmäßig als Nationalisten und Nazis. Auch diese Angaben ließen sich zunächst nicht überprüfen.

Zugleich betonte das Ministerium in Moskau erneut, die russische Seite attackiere keine ukrainischen Wohnsiedlungen. Zuvor war allerdings ein Hochhaus in der Hauptstadt Kiew bei schweren Angriffen russischer Truppen getroffen worden. Bilder von dem Hochhaus zeigten deutlich sichtbar einen Einschlag in oberen Stockwerken. Mindestens vier Etagen auf einer Seite des Hauses wurden dabei zerstört. Unklar war zunächst, was genau vorgefallen war und ob es Opfer gab.

ribbon Zusammenfassung
  • Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine haben nach Angaben des stellvertrenden polnischen Innenministers rund 100.000 Menschen aus der Ukraine die Grenze zu Polen überquert.
  • Das gab der stellvertretende polnische Innenminister Pawel Szefernaker am Samstag bekannt. Die Menschen seien von Orten "entlang der gesamten Grenze" nach Polen eingereist.
  • Ukrainische Behörden wiederum melden am Samstag, dass bei den Angriffen der russischen Armee bisher 198 Zivilisten getötet worden.
  • Unter den Todesopfern seien drei Kinder, erklärte Gesundheitsminister Viktor Ljaschko am Samstag auf Facebook. Zudem seien 1.115 Menschen verletzt worden, darunter 33 Kinder.
  • Diese Angaben lassen sich von unabhängiger Seite kaum überprüfen. Russland will laut Ex-Präsident Dmitri Medwedew trotz westlicher Sanktionen den Einmarsch in die Ukraine nicht abbrechen.

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