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Vier Staatsoberhäupter eröffnen Plečnik-Ausstellung

30. Sept. 2025 · Lesedauer 5 min

Kurz nach dem Beschluss einer umstrittenen Verfassungsänderung in der Slowakei haben die Staatsoberhäupter von Österreich, Tschechien, Slowakei und Slowenien am Mittwoch auf der Burg Bratislava eine Ausstellung über den slowenischen Architekten Jože Plečnik eröffnet. Bundespräsident Alexander Van der Bellen würdigte in seiner Rede das Verbindende in Plečniks Kunst und wandte sich gegen die Nationalisierung des künstlerischen Ausdrucks.

Der slowakische Staatspräsident Peter Pellegrini empfing als Gastgeber seine Amtskollegen und -kolleginnen Alexander Van der Bellen, Nataša Pirc Musar sowie Petr Pavel. Van der Bellen betonte bei der Eröffnung der Ausstellung "Jože Plečnik - Mitteleuropäischer Architekt", dass die vier Länder durch die Geschichte Mitteleuropas "so eng miteinander verbunden sind". Die gemeinsame Vergangenheit bedeute Verantwortung und bilde die Grundlage für das Verständnis der Gegenwart.

"Jože Plečnik war ein Innovator" und ein "Avantgardist", sagte Van der Bellen in seiner Rede. "Seine spektakulärsten Werke befinden sich in Prag und Ljubljana. Seine künstlerischen Wurzeln liegen jedoch in Wien." Plečniks Werk schaffte eine künstlerische Verbindung zwischen den vier Ländern. "Kunst war schon immer eines der wirkungsvollsten Mittel, um Grenzen zu überwinden. Natürlich nicht jede Form von Kunst, denn wir wissen, wohin es führt, wenn künstlerischer Ausdruck nationalisiert, in falschen patriotischen Fesseln gekettet wird", erklärte der Bundespräsident. "Hier, in dieser Ausstellung, sehen wir das genaue Gegenteil: die Kraft der Kunst, die uns verbindet."

Auch Pellegrini hob hervor, dass Plečnik in Mitteleuropa Brücken gebaut habe. Pirc Musar sagte, Plečnik sei ein Symbol Mitteleuropas, in dem es diverse Einflüsse gebe. Und Pavel ergänzte, dass der Architekt eine kulturelle Verbindung zwischen den Ländern Mitteleuropas darstelle. Plečnik erinnere daran, dass das kulturelle Erbe ein gemeinsames sei.

Schau auf der Burg Bratislava

Der Architekt prägte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts das Antlitz seiner Heimatstadt Ljubljana ebenso wie die Prager Burg und Wiener Bauwerke. Die Schau im Historischen Museum des Slowakischen Nationalmuseums auf der Burg Bratislava präsentiert nicht nur Plečniks Werke aus Wien, Prag und Ljubljana. Gezeigt werden auch die Arbeiten seiner Schüler, die die Architekturszene der ehemaligen Habsburgermonarchie maßgeblich beeinflussten. Der slowakische Teil der Ausstellung beleuchtet etwa das Werk von Dušan Jurkovič, mit dem Plečnik in Kontakt stand. Das Projekt hat außerdem den Anspruch, ein Ereignis der Kulturdiplomatie zu sein.

Karriere begann in Österreich

Plečniks Karriere zum slowenischen Nationalarchitekten, dessen Werke in Ljubljana zum UNESCO-Weltkulturerbe gehören, begann in Österreich. Geboren am 23. Jänner 1872 als Sohn eines Tischlers, erlernte er zunächst das Tischlerhandwerk in Graz, ehe er bei Otto Wagner in Wien studierte. Er wirkte bei zahlreichen Projekten Wagners mit, unter anderem beim Bau der Wiener Stadtbahn. Nach dem Studium machte er eine einjährige Reise nach Italien und Frankreich, was stark seinen späteren Architekturstil beeinflusste. Nach der Rückkehr nach Wien führte er dort bis 1911 sein Architekturbüro. In dieser Zeit entstanden seine wichtigsten Wiener Bauten: das Zacherl-Haus in der Wiener Innenstadt, die Villa Langer, die Heilig-Geist-Kirche in Wien-Ottakring sowie der Karl-Borromäus-Brunnen in Wien-Landstraße. Van der Bellen verwies in seiner Rede auch darauf, dass einige seiner Gebäude in Wien oft nicht Plečnik, sondern seinem Lehrer Otto Wagner zugeschrieben werden - zum Beispiel die "Stadtbahn"-Stationen an der Friedensbrücke und der Rossauer Lände.

Der Paradeproponent der K.u.K-Monarchie wurde nach seiner Zeit in Wien Lehrender an der Kunstgewerbeschule in Prag. Die 1918 vom Präsidenten der neu gegründeten Tschechoslowakei, Tomas Masaryk, beauftragte Renovierungen und Umbauten der Prager Burg sollten die neue demokratische Staatsordnung sichtbar machen. Später zog es Plečnik wieder in seine Heimat zurück. Hier schuf er ein beinahe unüberschaubares Gesamtwerk aus Sakral- und Wohnbauten, Büroanlagen oder öffentlichen Räumen. Unter anderem geht die markante Konstruktion aus drei Brücken über die Ljubljanica im Zentrum der slowenischen Hauptstadt von Anfang der 1930er Jahre auf Plečnik zurück. Er schuf außerdem die Nationalbibliothek, das Stadion, die Markthallen an der Ljubljanica, den Hauptfriedhof Zale, die Franziskus-Kirche sowie die Michaels-Kirche im Laibacher Moor. Nach dem Zweiten Weltkrieg und unter dem kommunistischen Regime geriet Plečnik außer Mode und wurde nach seinem Tod 1957 für lange Zeit vergessen.

Offene Kritik an dem pro-russischen Kurs der slowakischen Regierung unter Ministerpräsident Robert Fico und an der nationalistischen Politik von Kulturministerin Martina Šimkovičová war in den Reden der Staatsoberhäupter nicht zu hören. Die Gelegenheit zu einem Austausch bot sich ihnen bei einem anschließenden gemeinsamen Abendessen.

Das Parlament in der Slowakei beschloss vergangene Woche eine Änderung der Verfassung, die nach Ansicht von Kritikern einen Konflikt zu den Vorgaben der EU-Verträge darstellt. Die Novelle schreibt die Nachrangigkeit von EU-Recht hinter nationalem Recht in "kulturell-ethischen Fragen" fest. Sie schränkt die Rechte von sexuellen Minderheiten ein und erkennt nur zwei Geschlechter an. Die Verfassungsänderung soll am 1. November in Kraft treten.

Zusammenfassung
  • Die Staatsoberhäupter von Österreich, Tschechien, Slowakei und Slowenien eröffneten am Mittwoch auf der Burg Bratislava eine Ausstellung über den slowenischen Architekten Jože Plečnik.
  • Bundespräsident Alexander Van der Bellen betonte in seiner Rede die verbindende Rolle von Plečniks Kunst und die Verantwortung der vier Länder aufgrund ihrer gemeinsamen mitteleuropäischen Geschichte.
  • Die Ausstellung präsentiert Werke Plečniks aus Wien, Prag und Ljubljana sowie Arbeiten seiner Schüler und weiterer bedeutender Architekten wie Dušan Jurkovič.
  • Plečnik, geboren am 23. Jänner 1872, begann seine Karriere in Österreich, prägte später aber auch maßgeblich die Architektur von Prag und Ljubljana, wo seine Werke heute UNESCO-Weltkulturerbe sind.
  • Die Ausstellung findet vor dem Hintergrund einer umstrittenen Verfassungsänderung in der Slowakei statt, die ab 1. November EU-Recht bei "kulturell-ethischen Fragen" dem nationalen Recht unterordnet und Rechte sexueller Minderheiten einschränkt.