APA/APA/Wiener Festwochen/Gianmarco Bresadola

Verhörprotokolle im Derrick-Stil bei den Wiener Festwochen

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Hätte die junge Geheimdienstlerin mit dem sprechenden Namen Reality Winner 2017 nicht einen internen Bericht über russische Manipulationsversuche der US-Wahl an die Medien geschickt, die Causa wäre vielleicht nie bekannt geworden. US-Regisseurin Tina Satter hat sich mit ihrer Compagnie Half Straddles in "Is This a Room" die Verhörprotokolle des FBI als Textgrundlage genommen. Doch manchmal reicht die Realität nicht, wie Montagabend bei den Wiener Festwochen deutlich wurde.

Satter macht bei ihrer 2019 uraufgeführten Inszenierung genau das, was sie im Untertitel ankündigt: "Reality Winner Verbatim Transcription", also die wortgetreu Abbildung jenes ersten Verhörs, das drei FBI-Beamte in Reality Winners Haus in Georgia führten, nachdem man der Informantin auf die Schliche gekommen war. Gestrichen wurde nichts für den Abend, der als Spielfläche einen leeren, schmalen Steg hat, um den herum das Publikum gruppiert ist. Einzig, wenn im ursprünglichen Transkript des Verhörs Stellen geschwärzt wurden, verharren die Schauspieler zu einem kurzen Lichtimpuls stumm.

Ansonsten gibt es viel Geplänkel, Small Talk oder auch Humor, bis sich das eigentliche Verhör anbahnt und die Beamten Justin G. Garrick und R. Wallace Taylor ihr nervöses Gegenüber langsam einkreisen. Es ist letztlich ein Kräftemessen, ein Machtspiel zwischen den Polizisten und einer "Täterin", das man so aus TV-Serien kennt - allerdings nicht aus neueren Streamingproduktion, sondern aus der guten alten "Derrick"-Zeit, in der im Schlussgespräch ausführlich und gemächlich vor dem Geständnis konversiert wird.

Letztlich verhalten sich die Vernehmer korrekt und beinahe undramatisch, wenn man als Gegenbild die klassischen Good-Cop/Bad-Cop-Spiele aus fiktionalen Produktionen im Kopf hat. Und auch die ausgebildete Sprachwissenschafterin Reality Winner behält in diesem nüchtern bis zum Stauben gehaltenen Dokumentartheater letztlich ihre Würde. Das eigentliche Drama, dass die heute 30-jährige Whistleblowerin nach diesem Verhör zu 5 Jahren und 3 Monaten Haft verurteilt wurde, erscheint an diesem Abend lediglich als Fußnote am Ende. Schade.

(S E R V I C E - "Is This A Room: Reality Winner Verbatim Transcription" im Rahmen der Wiener Festwochen im Museumsquartier, Halle G, Museumsplatz 1070 Wien. Regie: Tina Satter, Bühne: Parker Lutz. Mit Will Cobbs, Joe Lanza, Katherine Romans, Pete Simpson. Weitere Aufführungen am 14., 15. und 16. Juni. www.festwochen.at)

ribbon Zusammenfassung
  • US-Regisseurin Tina Satter hat sich mit ihrer Compagnie Half Straddles in "Is This a Room" die Verhörprotokolle des FBI als Textgrundlage genommen.
  • Doch manchmal reicht die Realität nicht, wie Montagabend bei den Wiener Festwochen deutlich wurde.
  • (S E R V I C E - "Is This A Room: Reality Winner Verbatim Transcription" im Rahmen der Wiener Festwochen im Museumsquartier, Halle G, Museumsplatz 1070 Wien.

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