"Último Helecho" als getanzte Unterwelt bei ImPulsTanz
Die Unterwelt liegt im Verborgenen, stockfinster ist der Theatersaal. Erst als sanftes Licht einen kleinen Teil der Bühne beleuchtet, beginnen drei Barockposaunenspieler auf einer Plattform erhoben zu musizieren. Noch ist nicht ersichtlich, dass sie sich auf der oberen Ebene einer mineralischen Landschaft befinden. In ihr erwachen schon bald Körper zum Leben, geweckt von den Klängen einer Sachaguitarra.
Der Fokus des Lichts verlagert sich auf eine Figur am Boden, die sich langsam krümmt, ihre Gliedmaßen anwinkelt, ausstreckt, als müsste sie ihren Körper erst formen. Es ist eine Atmosphäre der Schwere und Trägheit. Nach und nach erwacht die Unterwelt: Sechs Musizierende und zwei Tanzende - der französische Choreograf François Chaignaud und die argentinische Sängerin Nadia Larcher - zeigen in zunehmender Geschwindigkeit die Vielfalt südamerikanischen Tanzes von Zambas über Chacareras bis zu Huaynos.
Symbiosen
Dass sich die Musizierenden zwischen den Tänzern auf der Bühne bewegen, manchmal sogar die steinernen Stufen zur oberen Ebene der Minerallandschaft erklimmen, lässt Tanz und Gesang zu einer Einheit werden, wie es heute weitgehend nicht mehr der Fall ist. Der Choreograf singt, die Sängerin tanzt. Ein Dialog entsteht - nicht nur zwischen den Kunstformen, auch zwischen westlichem Theater und südamerikanischer Geschichte. In dieser bilden Mensch und Natur eine Symbiose. Deutlich wird diese Verbindung nicht zuletzt durch kunstvoll gestaltete Kostüme: hautfarben, verziert mit Pflanzen. "Último Helecho" heißt "Der letzte Farn".
Das Bewegungsrepertoire mag zu Beginn noch unnatürlich wirken. Es folgen jedoch schwungvolle Drehungen und stampfende Schritte. Die Körper umkreisen einander, berühren einander, spielen mit Nähe und Distanz. Mal sind sie eins, mal sind sie voneinander getrennt.
Spannungsvolles Auf und Ab
Wirkt die Performance zu Beginn noch entschleunigend, sorgt der Rhythmus ab dem zweiten Drittel für mitwippende Füße und trommelnde Finger im Publikum. Dann: plötzliche Stille. Während das Keuchen des Darstellers zu hören ist, wird im Zuschauerraum die Luft angehalten. Doch sogleich erklingt erneut Musik. Wieder und wieder jagen einander Höhepunkt und Pause. Eine Dynamik, die fast schon vorhersehbar und monoton werden könnte, wären da nicht zahlreiche unerwartete Elemente wie Kostümwechsel oder Änderungen im Bühnenbild. So gelingt es Laisné, Chaignaud und Larcher, die bereits 2018 ein Stück im Rahmen von ImPulsTanz präsentierten, einen gut einstündigen Tanzabend ohne konkrete Handlung anhaltend spannend zu gestalten. Eine Tanzeinlage wurde vom Premierenpublikum sogar mit Zwischenapplaus belohnt.
Ein letztes Crescendo führt alle sechs Musizierenden sowie den Choreografen und die Sängerin die Stufen empor, zurück auf die obere Ebene der Minerallandschaft. Ein abschließendes Miteinander. Wo die Performance im Halbdunkel begann, findet sie nun zu Standing Ovations und Jubel aus dem Zuschauerraum ihr Ende. Überreicht wird ihnen während des Applauses ein Farn. Ob es wahrlich "der letzte Farn" war, wird sich bei der kommenden Vorstellung am Montag zeigen.
(Von Selina Teichmann/APA)
(S E R V I C E - "Último Helecho" im Rahmen des ImPulsTanz-Festivals im Wiener Volkstheater. Von Nina Laisné, François Chaignaud und Nadia Larcher. Weiterer Termin: 21. Juli um 21.00 Uhr im Volkstheater. https://www.impulstanz.com)
Zusammenfassung
- Die siebzigminütige Uraufführung von "Último Helecho" im Rahmen des ImPulsTanz-Festivals im Wiener Volkstheater verband südamerikanische Mythologie mit Tanz und Musik und bot dem Publikum einen dynamischen Wechsel von Spannung und Ruhe.
- Sechs Musizierende und zwei Tanzende, darunter François Chaignaud und Nadia Larcher, präsentierten südamerikanische Tanzstile wie Zambas, Chacareras und Huaynos, begleitet von Barockposaunen und Sachaguitarra.
- Die Performance endete nach mehreren Höhepunkten und Pausen mit Standing Ovations, wobei den Künstlern ein Farn als Symbol für den Titel "Der letzte Farn" überreicht wurde.