APA/APA (Polyfilm)

"Stop Making Sense" macht Sinn: Talking Heads-Konzert wieder im Kino

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Konzertfilme im Kino boomen. Taylor Swift, Beyoncé, Metallica, Billie Eilish, David Garrett, Electric Callboy und viele andere mehr flimmerten mit ihren Shows schon über die Leinwand. Somit ist auch der Griff in die Mottenkiste legitim, der uns ein Wiedersehen mit den Beatles, mit Queen oder ab Donnerstag mit den Talking Heads beschert - in diesem Fall mit einer ganz besonderen Preziose. Die Wiederbelebung ihres Kultwerks "Stop Making Sense" macht durchaus Sinn. Und Spaß.

Um ihr Album "Speaking In Tongues" zu promoten, kreierten die Talking Heads 1983 unter Federführung von Frontman David Byrne eine neuartige Bühnenshow, die gehörig für Aufsehen sorgte. Der spätere Oscar-Preisträger Jonathan Demme ("Das Schweigen der Lämmer", "Philadelphia") erkannte das filmische Potenzial und entwickelte mit Byrne einen entsprechenden Drehplan. Vier Shows im Pantages Theatre in Hollywood wurden aufgezeichnet, ein Jahr später erschien der Film unter dem Titel "Stop Making Sense". Das damals häufig verliehene Attribut "bester Konzertfilm aller Zeiten" wird bis heute verwendet.

Der Beginn des Konzerts ist ernüchternd und so gar nicht viel versprechend: Byrne marschiert mit Gitarre und einem Kassettenrekorder auf die völlig leer geräumte Bühne, drückt Play und ergänzt den ertönenden Drumcomputer-Sound mit seiner allerersten Komposition für die Band, "Psycho Killer". Zum zweiten, ebenfalls akustischen Stück gesellt sich Bassistin Tina Weymouth dazu, für Lied Nummer drei macht der dritte Talking Head (Chris Frantz) samt Schlagzeug seine Aufwartung, Song vier komplettiert die Band mit Jerry Harrison, und die Bühne füllt sich Stück für Stück mit Instrumenten und Technik. Mit der sechsten Nummer ist der Bühnenaufbau abgeschlossen, drei Gastmusiker und zwei Background-Sängerinnen verstärken das Quartett, die Show hat sich optisch wie akustisch gänzlich entfaltet und steht voll im Saft.

Dreh- und Angelpunkt des akribisch aufgenommenen Auftritts ist Byrne, der die unbändig-lustvolle und schweißtriefende Mannschaft mit seiner fiebrig-elektrisierenden Performance rast- und atemlos durch den Songkatalog treibt. Dem ersten Höhepunkt "Burning Down The House" folgen "Making Flippy Floppy", "This Must Be The Place (Naive Melody)" bis hin zur einzigen Coverversion "Take Me To The River". In einer Umziehpause kommt das Nebenprojekt vom Ehepaar Frantz/Weymouth, Tom Tom Club, zu einem Einsatz, der ein bisschen raus- und abfällt. Aber spätestens dann, wenn Byrne im Anschluss in seinem "Big Suit" - einem maßangefertigten weißen Anzug in Übergröße - antanzt, steuert der Filmgenuss seinem würdigen Finale entgegen.

Die Rechte am Film, dessen 40-Jahr-Jubiläum 2023 bevorstand, gingen erst unlängst wieder an die Band. Die US-Filmproduktions- und -vertriebsfirma A24 erhielt den Zuschlag für die neuerliche audiovisuelle Verwertung, nicht nur weil sie eine zeitgemäße Restaurierung des Materials zusagte, sondern unbedingt für eine Wiederaufführung im Kino plädierte, anstatt eine Ausstrahlung über Streaming anzustreben. Im März vergangenen Jahres erging der Arbeitsauftrag an einen Spezialisten, dem es in detektivischer Arbeit gelang, sowohl die Originalnegative als auch die Originaltonaufnahmen aufzutreiben, was den Film in einem Glanz erstrahlen lässt wie nie zuvor. Bemerkenswert: Die Wiederaufführung von "Stop Making Sense" erzielte im Herbst vergangenen Jahres in den USA ein höheres Einspielergebnis als die gesamten gut 40 Wochen Laufzeit der Erstaufführung. Warum? Offenbar hat eine neue Generation erkannt, was die Alten immer schon wussten: Dieser Film schafft Lebensfreude. Oder wie es im hirneinbrennenden Kracher "Once In A Lifetime" ewigkeitsgültig heißt: "Same As It Ever Was!"

(Von Winfried Radl/APA)

(S E R V I C E - https://polyfilm.at/film/stop-making-sense; https://a24films.com/films/stop-making-sense)

ribbon Zusammenfassung
  • Der legendäre Konzertfilm 'Stop Making Sense' der Talking Heads kehrt nach einer Restaurierung durch A24 ins Kino zurück.
  • 1984 unter der Regie von Jonathan Demme entstanden, gilt der Film als Meilenstein der Konzertfilme und feierte nun das 40-jährige Jubiläum.
  • Die Wiederaufführung erzielte in den USA höhere Einspielergebnisse als die ursprüngliche Laufzeit, was das anhaltende Interesse an diesem Kultwerk bestätigt.