APA/APA/Wiener Festwochen

"Singing Youth" als lebendes Denkmal bei den Festwochen

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"Singende Jugend" heißt ein Denkmal vor dem Sportstadion in Budapest. Ein ungarisches Künstlertrio hat dem Monument für "Singing Youth" Leben eingehaucht und eine aus Kampfliedern, Reden von Machthabern und Popsongs gespeiste Collage auf die Bühne gebracht. 2021 uraufgeführt, feierte der schräge Denkanstoß über Sport und Kultur als Instrument politischer Propaganda am Donnerstagabend seine Wiener-Festwochen-Premiere.

70 Jahre hat die titelgebende Skulptur bereits auf dem Buckel - und in ihrer kleinen Geschichte spiegeln sich gewissermaßen auch die großen Umwälzungen des Landes in den vergangenen Jahrzehnten. Geschaffen wurde das überlebensgroße Figurentrio - zwei Mädchen und ein Bub - 1953 vom aus Griechenland gebürtigen und nach Ungarn geflohenen Bildhauer Memos Makris. Damals herrschte der äußerst repressive kommunistische Machthaber Mátyás Rákosi. Die Skulptur überdauerte nicht nur ihn und den späteren Systemwechsel 1989, sondern auch den Abriss der ursprünglichen Arena und den von der rechtsnationalistischen Regierung Viktor Orbáns veranlassten Stadionneubau, der 2019 fertiggestellt wurde.

Für "Singing Youth" haben die Theatermacherin Judit Böröcz, der bildende Künstler Bence György Pálinkás und der Musiker Máté Szigeti das dreiköpfige Skulpturenensemble verdoppelt. Sechs Sängerinnen und Sänger nehmen vor einer großen Leinwand, auf die neben Fotos der beiden Stadien vor allem die deutsche und englische Übersetzung projiziert werden, auf der ansonsten völlig leeren Bühne Aufstellung und verkörpern die von Makris geschaffenen überlebensgroßen Aluminiumteenager. Dargebracht wird ein A-cappella-Konzert, das sich aus Texten von Agitprop-Liedern, politischen Ansprachen, Gesetzesauszügen, Zeitungsartikeln oder öffentlichen Förderausschreibungen aus den späten 1940er- und frühen 1950er-Jahren sowie ab 2010 zusammensetzt.

Die pointierte Verschneidung bzw. Montage der Zitate lässt einen staunen, wie sehr sich die Rhetorik der Rákosi- und Orbán-Ära ähneln. Nationalstolz, Verteidigung, Patriotismus, Volk und (Kultur-)Kampf sind da oft bemühte Worte und Werte, die in eingängige Marschmelodien oder pathetische Chorarrangements verpackt oder einfach nur laut skandiert werden. 50 Minuten dauert diese - im nicht ausverkauften Schauspielhaus heftig akklamierte - originelle, wenn man den Kniff einmal raus hat aber auch etwas statische Auseinandersetzung mit der jüngeren Geschichte Ungarns.

Wem das Lehrstück über die politische Praxis, Massenphänomene wie Sport und Musik für politische Ideologien zu instrumentalisieren, nicht genügt, kann sich am Sonntag mit den drei "Singing Youth"-Machern auf den Weg in das Wiener Allianz-Stadion machen. Im Zuge der Festwochen-Reihe "Guided by Artists" wollen sie bei einer Tour unter anderem der Frage besprechen, wie "Ideologie in Beton gegossen" wird. Die Heimstätte von Rapid ist dafür nicht die schlechteste Wahl.

(S E R V I C E - Judit Böröcz, Bence György Pálinkás, Máté Szigeti: "Singing Youth". Text und Regie: Judit Böröcz, Bence György Pálinkás, Máté Szigeti. Musik: Máté Szigeti. Chorleitung: Péter Fehérváry. Chor: Benjamin Bozi, Péter Fehérváry, György Juhász, Maxim Jurin, Katalin Mezei, Eszter Sokhegyi. Choreografie: Zsófia Tamara Vadas. Wiener Festwochen im Schauspielhaus Wien. Ungarisch mit deutschen und englischen Übertiteln. Weitere Aufführungen am 2. und 3. Juni, 20.30 Uhr; "Guided by Artists"-Tour in das Allianz-Stadion: 4. Juni, 11 und 14 Uhr, Teilnahme nach Anmeldung kostenlos; www.festwochen.at/singing-youth)

ribbon Zusammenfassung
  • "Singende Jugend" heißt ein Denkmal vor dem Sportstadion in Budapest.
  • Ein ungarisches Künstlertrio hat dem Monument für "Singing Youth" Leben eingehaucht und eine aus Kampfliedern, Reden von Machthabern und Popsongs gespeiste Collage auf die Bühne gebracht.
  • (S E R V I C E - Judit Böröcz, Bence György Pálinkás, Máté Szigeti: "Singing Youth".
  • Chor: Benjamin Bozi, Péter Fehérváry, György Juhász, Maxim Jurin, Katalin Mezei, Eszter Sokhegyi.

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