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Regisseur Ruzowitzky über neuen Film "Hinterland"

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Oscarpreisträger Stefan Ruzowitzky bringt nun mit "Hinterland" einen besonderen Thriller ins Kino, der sich stilistisch am Deutschen Expressionismus orientiert und Murathan Muslu als traumatisierten Kriegsheimkehrer auf Mörderjagd schickt. Aus Anlass des Kinostarts sprach der 59-Jährige mit der APA über Digitales als Kampf gegen die Biederkeit, die Last der Freiheit und seine Überraschung, dass "Hinterland" auch beim Publikum reüssiert.

APA: "Hinterland" ist wie viele Projekte derzeit in der Zwischenkriegszeit angesiedelt. Haben Sie eine Erklärung dafür, dass diese Epoche für Künstler wieder interessant ist?

Stefan Ruzowitzky: Meine Generation ist an dieser Zeit ein wenig vorbeigeschrammt, weil lange der Fokus zu 100 Prozent auf dem Nationalsozialismus und Holocaust lag - aus guten Gründen, weil die Nazis damals noch unter uns waren. Und nun entdecken wir diese spannende Zeit wieder. Nach dem Ersten Weltkrieg hatte die Gesellschaft einen echten Kulturschock, der sich in radikalen Ideen und Strömungen geäußert hat. Das war eine tiefgreifende Krise, von der wir hier erzählen. Also nicht der Tanz auf dem Vulkan der Roaring Twenties.

APA: Wie war Ihre Beziehung zum Deutschen Expressionismus vor "Hinterland"?

Stefan Ruzowitzky: Ich bin kein Filmhistoriker, aber man weiß, dass der Deutsche Expressionismus eine der Säulen der heutigen Filmästhetik ist. Auf gewisse Formen und einen gewissen visuellen Stil berufen wir Filmemacher uns bis heute.

APA: Sie sind aber nicht der Freak mit der restaurierten Fassung von "Orlac's Hände" im Regal?

Ruzowitzky: Das nicht. Aber wenn man sich "Nosferatu" heute anschaut, ist das nach wie vor gut, was etwa die Kameraeinstellungen betrifft und nicht nur von historischem Interesse. Aber ich nehme für "Hinterland" in Anspruch, dass wir keine Zitatesammlung gemacht und den Deutschen Expressionismus imitiert haben. Wir wollten dasselbe erzählen und ausdrücken, weshalb wir auch zu denselben ästhetischen Lösungen gekommen sind. Unser Held empfindet wie die Gesellschaft nach dem Krieg die Welt als etwas, das aus dem Lot geraten ist. Das muss man derangiert darstellen. Es ist aber kein Film über den Deutschen Expressionismus, sondern etwas Neues.

APA: Stand die Idee der visuellen Umsetzung von Beginn an fest?

Ruzowitzky: Das Projekt stand, und dann hatten wir die Diskussion, wie man das umsetzen kann. Ich hatte ein wenig Angst, dass man bei Historienfilmen selbst mit einem größeren Budget schnell in einer gewissen Biederkeit landet. Dann dreht jeder an denselben fünf Stellen in Wien, die man schnell auf 20er-Jahre trimmen kann. Wir haben nun mit der Entscheidung für VFX große Stadtpanoramen schaffen können und sind der Gefahr des Kleinkrämerischen wohl erfolgreich entgangen. Und es war spannend, die VFX-Techniker, die es gewohnt sind, möglichst naturalistisch und daher unsichtbar zu arbeiten, zu überzeugen, dass bei uns die visuellen Effekte eine erzählerische Funktion haben und daher sichtbar sein sollen!

APA: Waren Sie dennoch überrascht, dass Sie mit "Hinterland" bei den Filmfestspielen von Locarno ausgerechnet den Publikumspreis gewonnen haben?

Ruzowitzky: Ich hatte "Hinterland" tatsächlich nicht als typischen Publikumsfilm gesehen hätte, sondern von der ästhetischen Seite her eher als Experimentalfilm. Insofern war es eine schöne Überraschung, dass das Publikum so darauf eingestiegen ist! Und es hilft natürlich bei den internationalen Verkäufen, wenn gesehen wird, dass auch die Zuschauer mit dem Film viel anfangen können.

APA: Ist die Macht des Regisseurs höher, wenn Sie dank Bluescreen die gesamte visuelle Gestalt des Bildes formen können?

Ruzowitzky: Ja, aber auf eine beinahe belastende Weise. Normalerweise gibt es bei einer Location vor Ort natürliche Begrenzungen, innerhalb derer man kreative Lösungen finden muss. Wenn man gar keine Rahmen hat, ist das auch eine Last. Es kostet nicht mehr, ob ich in einer Totalen einen oder fünf Kirchtürme habe. Man ist dann beinahe ein wenig verloren, weil man sich selbst die Grenzen setzen muss.

APA: Wäre es für Sie reizvoll, den finalen Schritt zu gehen und auch Schauspieler animieren zu lassen?

Ruzowitzky: Das wäre dann Animationsfilm. Ich finde aber die Arbeit mit den Schauspielern das Spannendste und Interessanteste am ganzen Prozess. Darauf will ich keinesfalls verzichten.

ribbon Zusammenfassung
  • Oscarpreisträger Stefan Ruzowitzky bringt nun mit "Hinterland" einen besonderen Thriller ins Kino, der sich stilistisch am Deutschen Expressionismus orientiert und Murathan Muslu als traumatisierten Kriegsheimkehrer auf Mörderjagd schickt.
  • Aus Anlass des Kinostarts sprach der 59-Jährige mit der APA über Digitales als Kampf gegen die Biederkeit, die Last der Freiheit und seine Überraschung, dass "Hinterland" auch beim Publikum reüssiert.

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