APA/APA/operklosterneuburg/Dominik Stixenberger

Regie und Gesang: Doppelrolle hält Groissböck "ewig jung"

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Der niederösterreichische Starbass Günther Groissböck tritt ab 8. Juli in einer Doppelrolle bei der operklosterneuburg auf: Als Regisseur und als Philipp II in Verdis "Don Carlo". Im Interview mit der APA sprach er über Coronafolgen und -maßnahmen, "Cancel Culture" in der Kultur und darüber, was ihn, der bereits 2003 in Klosterneuburg sang, nun dorthin zurückführt.

APA: Warum haben Sie sich entschlossen, zur operklosterneuburg zurückzukehren?

Günther Groissböck: Ich komme gerne zurück an Plätze, wo ich Schönes erlebt habe. Aber zurückkommen hin oder her - der Ort schreit nach diesem Stück. Wenn man dann auch noch inszenieren und diese Traumrolle singen darf, kann man gar nicht nein sagen.

APA: Sie haben auch 2003, am Anfang Ihrer Karriere, in Klosterneuburg gesungen. Inwiefern fühlt sich die Bühne heute anders an?

Groissböck: Als Darsteller habe ich beim Betreten der Bühne eine ganz andere Routine und Selbstverständlichkeit. Lampenfieber und Nervosität haben sich zu einer freudigen Spannung und einem Ich-Darf-Gefühl entwickelt. Zu inszenieren ist aber etwas relativ Neues für mich. Von der Grundstimmung sind wir fast schon wieder im Jahr 2003, das ist irgendwo ein ewiges Jungbleiben.

APA: Was ist für Sie das Spannende an "Don Carlo"?

Groissböck: Das Stück ist für mich ein sehr politisches. Es geht um liberales, nach Freiheit strebendes Gedankengut, wie es die Rolle des Posa verkörpert. Er ist für mich die zentrale Figur, die Lebensader des Stückes. Es gibt einen Kontrast zwischen Freiheitsstreben und der Strenge dieser Zeit. Dieses Spannungsfeld sichtbar zu machen, macht für mich die Faszination des Stückes aus, genauso wie die unglaubliche Musik.

APA: Sie führen Regie und singen den Part des Philipp II. Welche Spannungsfelder tun sich da auf?

Groissböck: Das Wort "Schizophrenie" ist hoch gegriffen, aber es hat schon etwas. Man muss permanent switchen - Beobachter, Kritiker, Verbesserer sein und gleichzeitig nicht nur selbst eine Figur darstellen, sondern bis zu einem gewissen Grad beispielgebend für die Kollegen sein. Das gelingt nicht immer. Oft ertappt man sich bei den gleichen Fehlern, die man an Kollegen kritisiert. Man braucht eine große Portion an Selbstironie und liebevoller Strenge.

APA: Wie werden Sie sich "Don Carlo" als Regisseur nähern?

Groissböck: Modern-klassisch. Aufgrund der architektonischen Gegebenheiten und der Atmosphäre des Stiftshofes werden wir etwas ästhetisch Schönes, dem Stück Gerechtes auf die Bühne stellen. In der Interaktion zwischen den Charakteren herrscht eine moderne Bewegungsdynamik. Es wird nicht langweilig.

APA: Sie haben während der Coronapandemie Kritik an den Maßnahmen geübt. Wie beurteilen Sie den Umgang Österreichs mit der Pandemie, besonders mit Kultureinrichtungen, heute?

Groissböck: Ich habe das große Glück, viel herumzukommen, und habe gesehen, wie es in anderen Ländern gehandhabt wurde. Ich würde mit dieser Perspektive sagen, dass es in Österreich maßlos übertrieben war. Nach dem Salzburger Sommer 2020 haben wir gewusst, dass Oper und Theater keine Infektionstreiber sind.

APA: Seit Corona beklagen Kulturinstitutionen einen Besucherschwund. Woran könnte das liegen?

Groissböck: Ich glaube, das geschieht unabhängig von der Angst, die bis zu einem gewissen Grad gemacht wurde. Manchen Leuten ist es nicht mehr so leicht möglich, mit Geld umzugehen wie zuvor. Das könnte ganz pragmatische, wirtschaftliche Gründe haben.

APA: Viel diskutiert wird derzeit über "Cancel Culture", etwa im Zusammenhang mit Anna Netrebko. Auch der Fall Teichtmeister bietet Anlass zur Diskussion, ob Kunst und Künstler getrennt betrachtet werden können. Wie soll Ihres Erachtens damit umgegangen werden?

Groissböck: Diese beiden Fälle kann man nicht in einen Topf werfen. Ich finde es unmöglich, dass man Anna Netrebko für etwas verantwortlich macht, wofür sie keine unmittelbare Schuld trägt. Ich bin froh darüber, wie es in der Wiener Staatsoper gehandhabt wird (Netrebko tritt weiterhin auf, Anm.), und auch das Publikum reagiert richtig.

Generell ist "Cancel Culture" eine Sache, wo man sehr aufpassen muss. Vom Löschen von Meinungen, zum Verbrennen von Büchern, zum Verbrennen von Menschen ist es nicht so weit. Ich rege an, dreimal zu überlegen, auf wen man den ersten Stein wirft.

(Das Gespräch führte Ines Garherr/APA)

(S E R V I C E - "Don Carlo" bei der operklosterneuburg, Kaiserhof des Stiftes Klosterneuburg. Premiere am 8. Juli, weitere Vorstellungen bis 4. August, https://operklosterneuburg.at/)

ribbon Zusammenfassung
  • Der niederösterreichische Starbass Günther Groissböck tritt ab 8. Juli in einer Doppelrolle bei der operklosterneuburg auf: Als Regisseur und als Philipp II in Verdis "Don Carlo".
  • Im Interview mit der APA sprach er über Coronafolgen und -maßnahmen, "Cancel Culture" in der Kultur und darüber, was ihn, der bereits 2003 in Klosterneuburg sang, nun dorthin zurückführt.

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