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Proust-Bearbeitung als besondere Uraufführung in Bregenz

Heute, 07:47 · Lesedauer 4 min

Es ist nicht eine Art komprimierte Bühnenfassung des über 5.000 Seiten starken, zum Kanon der Weltliteratur zählenden Romanzyklus von Marcel Proust, was das Bregenzer Theater Kosmos mit der Uraufführung unter dem Titel "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit - vom Kuchen ein (Theater)Stück" von Philip Jenkins am Donnerstagabend geboten hat. Dem Applaus zufolge hat das Publikum das Erzählen von realen und fiktiven Ereignissen dennoch glücklich gemacht.

Man braucht den Inhalt der sieben Bände von "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit" von Marcel Proust (1871-1922) nicht präsent zu haben, um dem neuen Projekt von Philip Jenkins gut folgen zu können. Der deutsche Regisseur, der unter anderem am Wiener Burgtheater und am Schauspielhaus Graz inszenierte, hat hier auch als Autor des Stücktextes keinen neuen Beitrag zu einem Proust-Symposium geliefert. Wer sein Repertoire an konkreten Interpretationsansätzen erweitern will, geht im als Ur- und Erstaufführungsbühne positionierten Theater Kosmos nun eher leer aus. Wer aber Ähnliches erwartet wie Jenkins mit "Don Quijote" vor drei Jahren in Bregenz realisierte, als er ebenfalls Amateure auftreten ließ, die erzählten, warum sie sich in ihrem Leben neuen Herausforderungen gestellt haben, liegt nicht nur richtig, ihm begegnet auch Bereicherndes.

"Es gibt unendlich viele Themen, die man nicht alle anschneiden kann, aber einige über Zeit, über das Wechselspiel verschiedener Zeitformen habe ich hineinzubringen versucht", erläutert Jenkins sein Vorhaben gegenüber der APA. Abgesehen davon, dass er die Spielszenen mit Charles Swann und Odette de Crécy, seiner einzigen neben dem Erzähler Marcel im Roman vorkommenden Figuren, nicht chronologisch ordnet, treten in Vorarlberg tätige Menschen auf und erzählen von sich. Sie beleuchten mit ihrer Biografie somit thematisch Aspekte des Werkes, sie verdeutlichen als Zeitgenossen aber auch den bei Proust so wichtigen Begriff des Erinnerns als ein Vergegenwärtigen.

Die Waldpädagogin Karin Müller-Vögel hat sich auf eine andere Art der Zeitrechnung eingestellt, erstreckt sich die Lebensspanne eines Baumes doch über mehrere Generationen. Monika H. Sommerer erklärt als Hypnotherapeutin wie mit Momenten aus der Vergangenheit Möglichkeiten für die Zukunft entwickelt werden. Ophélie Masson und Julien Sénamaud stammen aus Frankreich. Sie ist mit der Zukunft dadurch konfrontiert, dass sie vorausberechnen soll, wie viele Ersatzteile eines bestimmten Autotyps in 15 Jahren gebraucht werden und hat in der Vergangenheit an Orten gewohnt, die Proust inspiriert haben. Er befähigt als Lehrer Jugendliche zur Ausübung ihrer zukünftigen Berufe und ist zudem Bergretter, könnte also jederzeit gebraucht werden.

Monika Bauer hat sich als Literaturvermittlerin einen Lebenstraum erfüllen können und hat das bei Proust zu findende Nachahmen des Stiles eines anderen Autors auch für sich entdeckt. Philipp Salzgeber erzählt, wie viel mehr er als Astrofotograf sieht, obwohl feststeht, dass wir nicht sagen können, was Zeit eigentlich ist. Vergleichbar mit jener Spannung, die Proust mit dem Wechseln zwischen Autobiografie und Fiktion erzeugt, gelingt es mit den Vorträgen auf den nahezu leeren Podien der Bühnenbildnerin Mandy Hanke enorme Konzentration zu schaffen, die sich aufs Publikum überträgt.

Wie der Kuchen ins Stück kommt

Dass Proust ein Gesellschaftspanorama mit Adel, Bürgertum und Neureichen entfaltet hat, kann das zentrale Liebespaar Charles und Odette nur noch aufblitzen lassen. Die Kombination der fiktiven Handlung mit der realen Theatersituation, die der Musiker George Nussbaumer als in sich ruhender Erzähler stets betont, erfährt durch das Spiel von Hubert Dragaschnig und Sabine Lorenz jedoch eine raffiniert intendierte Überhöhung. Es ist bekannt, dass ein Biss in ein süßes Gebäck bei Proust entscheidende Erinnerungen auslöste. Nur wenige wissen aber, dass sich ein Gugelhupf-Diebstahl im Rahmen eines Schriftstellerkongresses in Wien, von dem hier die Rede ist, vor etwa vier Jahrzehnten wirklich zugetragen hat. Er ist bildlich in der Vorarlberger Landesbibliothek dokumentiert und nun in "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit - vom Kuchen ein (Theater)Stück" lohnend zu Literatur geworden.

(Von Christa Dietrich/APA)

(S E R V I C E - "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit - vom Kuchen ein (Theater)Stück" von Philip Jenkins. Regie: Philip Jenkins; Bühne: Mandy Hanke, Kostüm: Nicole Weniger. Mit Sabine Lorenz, Hubert Dragaschnig, George Nussbaumer, Monika Bauer, Ophélie Masson, Karin Müller-Vögel, Philipp Salzgeber, Julien Sénamaud, Monika H. Sommerer. Weitere Aufführungen am 10., 11., 15., 16., 17., 24., 25., 28. und 29. Mai im Bregenzer Theater Kosmos: www.theaterkosmos.at)

Zusammenfassung
  • Im Bregenzer Theater Kosmos wurde eine besondere Uraufführung von Philip Jenkins aufgeführt, die auf Marcel Prousts Werk basiert, aber keine direkte Bühnenadaption ist.
  • Das Stück thematisiert das Wechselspiel der Zeit und das Erinnern, indem es persönliche Geschichten von Amateuren mit fiktiven Elementen kombiniert.
  • Ein Gugelhupf-Diebstahl, der vor Jahrzehnten in Wien stattfand, wird als literarisches Element in das Stück integriert.