Nature Theater of Oklahoma eröffnete neues Theater bei Graz
Dass in Krisen- und Sparzeiten wie diesen ein neues Theater aufsperrt, ist an sich schon eine Sensation. Je länger der Postbus von Graz in die nächtliche Finsternis fährt, desto größer wird der Respekt vor der Schauspielerin und Prinzipalin Jula Zangger, die unter beträchtlichem finanziellen Risiko einen ehemaligen Gasthof 25 Autominuten östlich von Graz erworben und einen Theatersaal aus Beton-Fertigteilen angebaut hat. Draußen wirbt noch das Schild für "Gogo's Schmankerlstube", drinnen will bereits das "Gold & Pech Theater" für Avantgarde-Feeling sorgen.
Zangger mag das Märchen von der Frau Holle - und hat das gemütliche Lokal, dessen Wände nun in Gold und Aubergine strahlen, "Café Marie" genannt. Ab 8. Februar soll hier mit musikalisch untermalten Sonntagsbrunches örtliches Publikum angelockt werden. Ob die Präbacher, die viele Häuser mit prächtiger Weihnachtsbeleuchtung geschmückt haben, schon im Advent in das neue, rund 100 Plätze fassende Theater strömen werden, bleibt abzuwarten. Bis 20. Dezember sind jedenfalls neun Vorstellungen angesetzt. Es ist zu hoffen, dass sie voll sein werden - nicht nur, weil Risiko belohnt werden soll. Sondern auch, weil man wirklich allerhand geboten bekommt.
Pizza etwa. Denn in der Mischung aus Gaststube und Turnsaal, die Bühnenbildner Luka Curk in die neue Theaterhalle gebaut hat, und an deren Rückwand die sympathischen Sprüche "Don't work ever" und "Let's Party" stehen, wird schon kurz nach Vorstellungsbeginn Pizza serviert. Jeder und jede im Publikum bekommt ein Stück ab, nur das Quintett auf der Bühne kommt kaum zum Essen. Es hat nämlich alle Hände und Füße voll zu tun und liefert zur Musik vom Band beinahe unablässig Sprechgesang. Das von Kelly Copper und Pavol Liska geschriebene und inszenierte Stück ist eine Mischung aus Kammeroper und Musical und beeindruckt auch durch die aufwendigen Choreographien. Alleine schon die gefinkelten Bewegungsabläufe, mit denen verhindert wird, dass sich die langen und bunten Kabel, die in als Blumensträuße getarnten Mikros enden, verknoten, ringt Bewunderung ab.
Die Prinzipalin singt und tanzt mit den New Yorkern
Apropos Bewunderung: Jula Zangger, die sich die auch in Österreich seit langem gefeierte New Yorker Theatertruppe zur Eröffnung gewünscht hat, integriert sich spielend in das Treiben der englischsprachigen Avantgardeprofis, die todernst den Nonsense auf die Spitze treiben, und singt sich nicht nur im wohl tief nachempfundenen Song "Money isn't enough" die Seele aus dem Leib. Und auch der siebenköpfige Chor aus regionalen Nachwuchskräften hält tapfer mit. Der Schweiß strömt, die Energie, die von der Bühne herunterkommt, ist imposant.
"Alles oder nichts" lautet nicht nur das finanzielle und physische, sondern auch das inhaltliche Motto. Denn wenn das Ensemble einander das Leid klagt oder der Pizzabote, der möglicherweise bereits tot ist, zu einer großen Arie über die Höhen und Tiefen seines Berufs ansetzt, dann liegen Sinn und Unsinn stets nahe beieinander. Stringente Handlung darf man von dem Abend, dessen Titel bereits an Dada grenzt, nicht erwarten. Dafür Fragen wie "Welche Frisur passt am besten zu einer Weisheitszahn-Extraktion?", "Was ist der Zahlencode für 'Ich liebe Dich'?" oder "Warum essen wir Thunfische, aber keine Delfine?" - "I would like to know!"
Der Sinn des Lebens
"Was ist der Sinn des Lebens?" wird natürlich auch mehrfach gefragt. Das hat bekanntlich in dem Roman "Per Anhalter durch die Galaxis" von Douglas Adams ein Supercomputer durchgerechnet und als Antwort auf die "endgültige Frage nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest" jene Zahl ausgespuckt, die wohl nicht zufällig auf der titelgebenden Tür prangt, an die auf der Bühne der (tote?) Pizzabote klopft: 42. Die Hausnummer des neuen Theaters ist übrigens 60. Ob das ein gutes oder ein schlechtes Omen ist, kann nur die Zukunft weisen. Die Premiere wurde jedenfalls zu Recht bejubelt.
(Von Wolfgang Huber-Lang/APA)
(S E R V I C E - "Pizza oder eine Tür in der Dunkelheit tanzt nicht", Text und Regie: Kelly Copper und Pavol Liska, übersetzt von Ulrich Blumenbach. Musik: Robert M. Johanson, Bühne: Luka Curk, Mit: Gabel Eiben, Robert M. Johanson, Tobias Kerschbaumer, Bence Mezei und Jula Zangger. Chorleitung der Scholae Musici Cantores: Johannes Steinwender. Nature Theater of Oklahoma im Gold & Pech Theater, Riesstraße 60, Höf-Präbach. Weitere Aufführungen: 6., 11.-14., 16., 18.-20. Dezember, Karten: 0664 / 25 09 109, https://www.goldundpechmarie.at)
Zusammenfassung
- Das Nature Theater of Oklahoma eröffnete im steirischen Höf-Präbach ein neues Theater mit rund 100 Plätzen, etwa 25 Autominuten östlich von Graz.
- Jula Zangger kaufte einen ehemaligen Gasthof und baute unter finanziellem Risiko einen modernen Theatersaal an, der nun als "Gold & Pech Theater" firmiert.
- Zur Premiere wurde das Stück "Pizza oder eine Tür in der Dunkelheit tanzt nicht" aufgeführt, eine Mischung aus Kammeroper und Musical mit englischsprachigem Ensemble und regionalem Chor.
- Während der Vorstellung erhielten alle Gäste Pizza, das Ensemble beeindruckte durch aufwendige Choreographien und Sprechgesang.
- Bis 20. Dezember sind neun Vorstellungen geplant, weitere Aufführungen folgen am 6., 11.-14., 16., 18.-20. Dezember, und ab Februar soll das "Café Marie" mit Sonntagsbrunches das lokale Publikum anziehen.
