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"Musique": Mathilde Monnier lässt den Wiener Walzer wälzen

11. Mai 2025 · Lesedauer 4 min

Drei Paare tanzen Walzer im Liegen: Mit diesem eindrucksvollen Schlussbild hat am Samstag die französische Choreografin Mathilde Monnier ihre Arbeit "Musique - In the Spirit of Johann Strauss. The Missing Step" beendet. Der Titel der einstündigen Uraufführung im Wiener Volkstheater war jedoch so kompliziert wie die eingearbeiteten Strauss-Bezüge. Die Koproduktion zwischen Strauss-Jahr und ImPulsTanz, die nur noch am Montag zu sehen ist, war interessant, doch nicht mitreißend.

"Nie im Leben hätte ich mir gedacht, einmal etwas über Johann Strauss zu machen", hatte Monnier, seit 1994 Dauergast bei dem regulär erst am 10. Juli startenden Tanzfestival, im Vorfeld zugegeben. Sie habe die Musik des Walzerkönigs ins Heute holen wollen und erst durch die in Wien lehrende Komponistin, Pianistin und mdw-Professorin Judit Varga einen Zugang gefunden. Tatsächlich ist das erste Scheinwerferlicht des Abends auf ein Klavier gerichtet.

Der Bösendorfer Konzertflügel, der auf der rechten Bühnenseite steht, beginnt von alleine zu spielen. Es ist ein Disklavier, ein computergesteuertes Reproduktionspiano, das in sechsmonatiger Arbeit von Varga bespielt und programmiert wurde - mit einem Mix aus bearbeiteten Strauss-Motiven und eigenen Kompositionen. Varga sitzt auf der linken Bühnenseite an einem zweiten Klavier, spielt mal alleine, mal im Duett mit der Maschine. Das ergibt manche schöne, mitunter auch magische Momente, klingt aber nur augenblicksweise nach Strauss. Dann wehen Fetzen weltbekannter Melodien, verlangsamt und verfremdet, aus der Ferne an unser Ohr.

Sie habe beim Arbeiten oft jene Szene aus "2001: Odyssee im Weltraum" von Stanley Kubrick vor Augen gehabt, in der der Donauwalzer im All und in einem Raumschiff erklingt, sagt Monnier in einem Interview im Programmheft. "Der Walzer ist dort nicht mehr an eine Tanzfläche gebunden, nicht an einen gesellschaftlichen Rahmen - er schwebt frei im Raum, lose von jeder Schwerkraft, fern von allem Irdischen." Genau das ist aber bei "Musique" nicht der Fall.

Tüllkleider als Andenken

Sie verortet den Abend durch 21 an drei Seiten die Tanzfläche begrenzende goldene Sessel in einem Ballsaal, in dem Erinnerungen präsent sind, vielleicht sogar der Geist von Johann Strauss selbst. Der von den Streichern anschwellend intonierte Beginn des Donauwalzers ertönt am Schluss vom Band - und ist die einzige Szene, in der die drei Tänzerinnen und drei Tänzer nicht neben-, sondern miteinander tanzen. Alles davor ist weniger Emotion als Konzept.

Sechs Mitglieder des Dance On Ensembles betreten nach und nach den Raum, jedes trägt ein Stück Tüllstoff mit sich und baut dieses in Gesten und Bewegungen seines Solos ein. Die Berliner Compagnie besteht aus Profi-Tänzern jenseits des 40. Lebensjahres, und die Idee, dass über die Gegenstände Erinnerungen an einst zum Leben erweckt werden, vermittelt sich sofort. Die Stoffe entpuppen sich als durchsichtige Ballkleider, und eine der schlüssigsten Passagen der Choreographie führt das Sextett offenbar zum Maßnehmen und Anprobieren beim Schneider.

Eine Schwerkraft, die alle schafft

Schwerelos und schwebend wird der Abend jedoch nie, und die von Varga angekündigte "musikalische Trance" eines "Derwisch-Walzers zwischen Ekstase und Meditation" stellt sich kaum ein. Entschädigt wird man dafür mit einem starken Moment, in dem die Schwerkraft übermächtig wird. Endlich formieren sich aus den sechs Solistinnen und Solisten drei Tanzpaare, doch da zwingt sie eine starke Kraft zu Boden. Dort tanzen sie den Walzer nicht, sondern wälzen ihn. Horizontale und Vertikale sind vertauscht, und dennoch gilt: Alles Walzer! Voller Präzision und Körperspannung schafft sich hier die Kunst "in the Spirit of Johann Strauss" ihre eigenen Gesetze. Da hätt' er schön g'schaut, der Schani.

Zwei weitere Zusammenarbeiten mit ImPulsTanz hat das Strauss-Jahr heuer noch zu bieten: Im Juli folgt "Walzerwut" von Eva-Maria Schaller und Wolfgang Mitterer und im Dezember in Zusammenarbeit mit dem Ballett der Oper Genf "Imperial Ball" von Sidi Larbi Cherkaoui.

(Von Wolfgang Huber-Lang/APA)

(S E R V I C E - Mathilde Monnier / Dance On Ensemble & Judit Varga: "Musique - In the Spirit of Johann Strauss. The Missing Step", Uraufführung. Noch eine Vorstellung am 12. Mai, 20 Uhr, Volkstheater, www.impulstanz.com)

Zusammenfassung
  • Die französische Choreografin Mathilde Monnier präsentierte am Samstag im Wiener Volkstheater die einstündige Uraufführung von „Musique – In the Spirit of Johann Strauss. The Missing Step“, bei der drei Paare den Walzer im Liegen tanzten.
  • Die Musik stammte von Judit Varga, die einen Bösendorfer Disklavier in sechsmonatiger Arbeit mit bearbeiteten Strauss-Motiven und eigenen Kompositionen programmierte und live begleitete.
  • Die Produktion mit sechs Tänzer:innen des Berliner Dance On Ensembles, alle über 40 Jahre alt, ist eine Koproduktion zum Strauss-Jahr und ImPulsTanz-Festival und wird am 12. Mai ein weiteres Mal aufgeführt.