Metalband Lorna Shore schlug "die Köpfe gegen die Wand"
Was der charismatische Musiker damit meint: Nach dem großen Erfolg der EP "...And I Return To Nothingness" sowie des Vorgängeralbums "Pain Remains" (Ramos war direkt davor zur Gruppe gestoßen), sind die Erwartungen ordentlich gestiegen und haben ihre Spuren hinterlassen. "Wir hatten zwar mehr Zeit als jemals zuvor bei einem Album, aber trotzdem fühlte es sich so an, als ob wir uns da durchkämpfen müssen - bis zur letzten Minute. Das ist wahrscheinlich typisch für uns. Der Druck auf unseren Schultern war schon vorhanden."
Ähnlich formulierte es Gitarrist Adam De Micco. "Für 'Pain Remains' war die Reise klar, wir wollten einfach den Sound der EP fortsetzen und auf ein Album heben. Jetzt aber gab es die Fragen: Was wollen wir eigentlich machen? Was können wir tun? Insofern lief viel per Trial-and-Error ab. Immer wieder versuchten wir einen Schuss ins Blaue und haben geschaut, was passiert - bis wir endlich unseren Weg gefunden haben." Das habe den Prozess für die Gruppe, die von Bassist Michael Yager, Rhythmusgitarrist Andrew O'Connor sowie Drummer Austin Archey komplettiert wird, ziemlich herausfordernd, vor allem aber kräftezehrend gemacht.
Das Ergebnis kann sich nun aber hören lassen: Die zehn neuen Songs kommen auf eine Länge von über einer Stunde und überzeugen mit einem dichten, ungemein intensiven Klangbild. Die Verschmelzung von Hochgeschwindigkeitspassagen, orchestralen Einsprengseln und bitterbösen Growls ist zwar typisch für Deathcore, aber Lorna Shore gelingt es, dieser Formelhaftigkeit gerade im Songwriting besondere Momente abzuringen. So etwa in der ersten Single "Oblivion", die geradezu monolithisch ausgefallen ist. "War Machine" und "A Nameless Hymn" gefallen sich wiederum als brutale Nackenbrecher, während "Glenwood" mit atmosphärischen Zwischenspielen aufwartet. All diese Elemente zusammen führt dann das eingängige "Unbreakable".
Gut auf dem Papier
Gab es also einen Moment, als es beim Songwriting bzw. im Studio "klick" gemacht hat und alles Sinn machte? "Keine Ahnung, ob dieser Zustand je eingetreten ist", lachte Ramos. "Wir haben einfach immer weiter gemacht. Es gab so viele Sounds. Wir wollten diverser klingen, ohne unsere Eigenheiten abzulegen. Wir mochten auch die Songs. Aber wenn du so lange an etwas arbeitest, stumpft es dich irgendwann ab. Die Situation war einfach: Auf dem Papier schaut es gut aus, auch unser Produzent sagte uns, dass es toll klingt - aber wir durften es niemandem zeigen!" So habe man irgendwann den Bezug zu den Liedern verloren.
"Du bist wie gefangen in deinem eigenen Kopf", ergänzte De Micco. "Jeder sitzt in seiner Ecke, arbeitet an seinem Instrument, an einem neuen Part, und hinterfragt dabei alles." Erst als im weiteren Verlauf mehr Meinungen von außen dazugekommen seien, habe sich dieses Gefühl der Enge etwas gelegt. "Andererseits: Wenn früher im Prozess eine zweite Meinung da gewesen wäre, hätten wir sie wohl nicht geglaubt", grinste der Gitarrist. "Wir hätten sicher einen Einwand gehabt: Was ist mit dem? Oder was ist damit?" Ungeachtet dessen sei das Label beim ersten Hördurchlauf ziemlich von den Socken gewesen. "Das war schön, aber eben auch verdammt spät", meinte Ramos. "Immerhin war da alles schon fertig."
Ein Haus voller Klänge
Wieso aber nicht zwischendurch ein wenig Abstand gewinnen und den Kopf frei bekommen? "Ja, das wäre schon gut gewesen. Aber unser Manager lag uns konstant in den Ohren", grinste der Sänger. "Außerdem hatten wir dieses Haus im Nirgendwo. Zuerst arbeitest du acht Stunden im Studio, dann bist du fertig und kommst dort an." Aber statt Ruhe, seien die verschiedenen Riffs durch die Räume gegeistert. "Dort haben wir einfach weitergearbeitet. So wurde es schwer, die Songs wirklich wertzuschätzen, weil es keinen Moment gab, an dem wir nicht an sie dachten."
Textlich habe er diesmal versucht, abseits fiktionaler Story auch aus seinen eigenen Erfahrungen zu schöpfen. "Die Fans haben dadurch einen anderen Bezug zu den Texten, sie werden ein Teil davon. Jeder hat natürlich seine eigenen Erlebnisse. Aber je authentischer ich bin, umso stärker können sich die Leute damit identifizieren. So geht es ja auch mir selbst als Musikhörer oder Fan anderer Bands." Dabei sei die Livereaktion durchaus miteinkalkuliert. "Ich dachte an Bands wie Queen. Wie schreibst du Song? Natürlich so, dass etwas zurückkommt", so Ramos. "Du willst mit dem Publikum interagieren, du willst Emotionen vermitteln." Also müsse nicht zwingend ein technisch anspruchsvoller Part auf den nächsten folgen. "Es muss Platz sein, uns gegenseitig Wow-Momente zu verschaffen. Dadurch wird es noch kraftvoller."
(Das Gespräch führte ein letztes Mal Christoph Griessner/APA)
(S E R V I C E - https://lornashoreband.com)
Zusammenfassung
- Das neue Album von Lorna Shore mit dem Titel 'I Feel the Everblack Festering Within Me' erscheint am 12. September und umfasst zehn Songs mit einer Gesamtlänge von über einer Stunde.
- Die Band beschreibt den Entstehungsprozess als besonders stressig und kräftezehrend, da nach dem Erfolg von EP und Vorgängeralbum die Erwartungen stark gestiegen waren.
- Das Songwriting verlief über einen langwierigen Trial-and-Error-Prozess, wodurch die Musiker zeitweise den Bezug zu ihrem eigenen Material verloren.
- Musikalisch vereint das Album Hochgeschwindigkeitspassagen, orchestrale Elemente und intensive Growls und bietet laut Band und Label trotz Deathcore-Formel besondere Momente, etwa in der Single 'Oblivion'.
- Sänger Will Ramos ließ diesmal mehr persönliche Erfahrungen in die Texte einfließen, um Authentizität und Identifikation für die Fans zu schaffen.