Mala Herba, Shabaka und kreative Heilung am donaufestival
Zuvor ging es am Nachmittag aber nochmals durch den Performance-Parcours des dreitägigen Auftakts, der abseits des Donau-Doppelgängers von God's Entertainment oder des überaus gefühlvollen Werks "Silent Spills II" von Deva Schubert etwa mit Eman Hussein aufwartete. Die ägyptische Tänzerin und Choreografin klopfte in "Smell of Cement" die Bewegungsabläufe von Bauarbeitern auf ihr ästhetisches Potenzial ab. Dem Titel zuwiderlaufend, reichte dafür ein dickes Holzbrett auf zwei Stehern, um dieses als Bühne für rhythmische Schläge, Sprünge und Drehungen zu verwenden. Ergänzt um eine Baustellensoundkulisse, wurde daraus eine hypnotische Abhandlung über Kraft und Präzision, die kurz, aber ebenso prägnant ausfiel.
"Ritual der Heilung"
Szenenwechsel: Im nur spärlich ausgeleuchteten Mittelschiff der Minoritenkirche lud Zosia Hołubowska alias Mala Herba wenige Stunden später zu einem "Ritual der Heilung". Zu meditativen Visuals von Joanna Zabielska, die zwischen organischer Anmutung und fantasievoller Verfremdung angesiedelt waren, setzte es eine Mischung aus futuristischer Klangästhetik und folkloristischer Grundierung. Die elektronischen Beats von Hołubowska in Kombination mit mantraartigem Gesang erzeugten eine ganz eigene Stimmung, mit der sozusagen gegen die Polykrisen unserer Zeit angespielt wurde.
Zwei Jahre lang hat Hołubowska nach einem Label für dieses Material gesucht. Wie erfüllend die letztendliche Veröffentlichung vergangenen Herbst war? "Auf einer Skala von 1 bis 10? 100", lachte Hołubowska im APA-Gespräch. "Mir ist ein Stein vom Herzen gefallen." Trotz der Zeit, die vergangen sei, fühlen sich die Songs noch relevant an. "Das war bei meinem Debüt nicht unbedingt der Fall." In jedem Fall war das Album wie auch das Konzert in Krems eine kollaborative Angelegenheit. Neben Zabielskas Bildern ("Die Orte, die ich entstehen lasse, erfüllen denselben Zweck wie die Musik: sie heilen.") umfasste das auch eine Skulptur von Alma Bektas, die schamanenartig über dem Geschehen thronte.
Letztlich stehe und falle ein Auftritt aber mit den Menschen vor der Bühne. "Es gibt keine Kunst ohne das Publikum", nickte Hołubowska, gebürtig aus Polen und mittlerweile in Wien lebend. Manchmal sei der Austausch so befruchtend, dass sich das Ergebnis wie Magie anfühle. "Dabei ist es eine sehr widersprüchliche Situation: Du begibst dich wieder und wieder in diese verletzliche Position, bringst deine Innenwelt dar und lädst die Menschen ein. Da gibt es keinen Filter, das bin zu 100 Prozent ich." Mal werde es angenommen, mal nicht. "Es ist jedes Mal eine Herausforderung. Aber ich gebe nicht auf, sondern komme immer wieder zurück." Gerne auch direkt zwischen den Zuhörenden wandernd, wie gestern mit Räucherkegel oder geflochtenem Seil, das die Anwesenden miteinander verband.
Die Fasern einer Freundschaft
Eine besondere Verbindung haben auch Rachika Nayar und Nina Keith, die im Sommer als Disiniblud ein gemeinsames Album veröffentlichen werden und es Sonntagabend vorstellten. Behutsame Klaviermelodien trafen dabei auf pulsierende Elektronik, ätherisch anmutende Vocals vom Band und eine zwischenmenschliche Chemie, die überaus spielerisch und wertschätzend daherkam. Erstmals getroffen haben sich beide vor wenigen Jahren in einem Park in Brooklyn. "Dieses erste Gespräch war so besonders, es gab eine Verbindung auf so vielen Ebenen", erinnerte sich Nayar. "Damals gab es keine großen Pläne für gemeinsame Musik, die ist eher zufällig und ganz natürlich entstanden. Diese Lieder sind sozusagen aus den Fasern unserer Freundschaft erwachsen."
Flötenzauber von Shabaka
Und dann wurde es zum Abschluss noch mal ganz speziell: Der britische Musiker Shabaka Hutchings gilt seit Jahren als eine der spannendsten Figuren im zeitgenössischen Jazz. Unterstützt von Elliot Galvin an Piano und modularen Synths, bewies er das auch beim donaufestival. Ausgestattet mit einer Armada an verschiedenen Flöten, spielte er sich durch mehr als eine Stunde außerweltlicher Klänge, mal fein ziseliert, dann mittels polyrhythmischer Drumpatterns auf eine neue Ebene gehoben. Immer wieder huschte ein Grinsen über sein Gesicht, bevor er das nächste Instrument an seine Lippe setzte und ihm scheinbar Unmögliches entlockte.
Am Ende hielt Shabaka Hutchings ein Plädoyer auf die Kreativität und ihre Möglichkeiten. Schnell wurde deutlich, dass die Suche nach dem immer Neuen ein zentraler Antrieb für den Multiinstrumentalisten ist, der sich mit Formationen wie Sons of Kemet oder The Comet is Coming rund um den Globus und einmal quer durch die Avantgardemusik gespielt hat. So ließe sich auch die Überwältigung, die manche in diesen Tagen angesichts der weltweiten Krisen verspüren, verarbeiten. Heilung durch Musik eben. Kommendes Wochenende geht das donaufestival dann in sein Finale, wenn Auftritte von Spiritualized, Lankum, Moor Mother oder Jeff Mills anstehen.
(Von Christoph Griessner/APA)
(S E R V I C E - www.donaufestival.at)
Zusammenfassung
- Mala Herba präsentierte ihr Album 'Wounded Healer' im Klangraum Minoritenkirche mit mystischen Visuals und elektronischen Beats.
- Shabaka Hutchings beeindruckte mit einer einstündigen Jazz-Performance, in der er verschiedene Flöten und polyrhythmische Drumpatterns nutzte.
- Eman Hussein setzte in ihrer Performance 'Smell of Cement' Bauarbeiterbewegungen ästhetisch um und schuf eine hypnotische Abhandlung über Kraft und Präzision.
- Rachika Nayar und Nina Keith stellten als Disiniblud ihr gemeinsames Album vor, das aus ihrer Freundschaft heraus entstanden ist.
- Das donaufestival wird nächstes Wochenende mit weiteren Auftritten von Künstlern wie Spiritualized und Jeff Mills fortgesetzt.