APA/APA/Petra Moser

Linzer "Geierwally" schlussendlich skurril

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Stark wie ein Kerl, stur wie ein Bock - die Geierwally hat ihren eigenen Kopf und lässt sich von Männern nichts sagen. Auch Regisseurin Sara Ostertag zeigt bei der Premiere Freitagabend in den Linzer Kammerspielen wie gewohnt Mut und richtet den grellen Scheinwerfer des 21. Jahrhunderts auf den literarischen Stoff. Die Inszenierung mäandert zunächst ein wenig, mündet aber letztlich in einen skurrilen Showdown. Absolutes Highlight: die Bühnenmusik von Jelena Popržan.

Walburga Stromminger, Tochter des reichen Höchstbauern, wagt, was keiner der Männer im Dorf sich traut: Sie klettert in eine steile Felswand und räumt ein Adlernest aus. Seither nennt man sie respektvoll die Geierwally. Aber auch die selbstbewusste und eigenständige Wally prallt immer wieder gegen eine Mauer patriarchaler Strukturen - etwa als ihr Vater will, dass sie Vinzenz heiratet und sich gegen eine Hochzeit mit dem Bärenjosef querlegt. Zwischen den weiteren Verstrickungen dieser alpendörflichen Familienaufstellung zieht sich Wally ins ewige Eis zurück, wo sie in der Gesellschaft der Tiere ganz zu sich findet.

"Eher schmilzt der Gletscher" als dass die Wally (eine stets alles überblickende Gunda Schanderer) dem Vinzenz (mit Witz gespielt von Benedikt Steiner) das Ja-Wort gibt, was dieser schmerzvoll erfahren muss. Aber seit dem Roman von Wilhelmine von Hillern aus dem Jahr 1873 und diversen Filmfassungen hat sich nicht nur der Zustand der Gletscher geändert, sondern auch die Sicht auf den Feminismus. Felix Mitterer hat aus der Vorlage ein Volksstück für die Freilichtbühne Elbigenalpe gemacht, Sara Ostertag sein Werk inhaltlich weiter in die Gegenwart geholt und mit dem Themenkomplex häusliche Gewalt und Femizide verknüpft.

Ostertag geht mutig vor und scheut sich nicht, dem Stück ihren eigenen Stempel aufzudrücken. Die lange Story der Geierwally steht dem Vorhaben, rasch zum inhaltlichen Kern zu kommen, aber im Weg. Die Regisseurin spult Einiges im Zeitraffer ab, alpine Versatzstücke mischen sich mit mystischen Bildern, die buckeligen Frauen am Hof - alle von Männern gespielt - kehren mit Reisigbesen, manchmal fliegen sie auch damit, die Landarbeiter bewegen sich teils Linedance-artig choreografiert, der zuvor erlegte Bär marschiert auf den steilen Bühnenelementen herum, Dialekte werden wild gemischt, vielleicht um zu zeigen, dass das Problem nicht geografisch begrenzt ist.

Anfangs ist nicht ganz klar, wo die Inszenierung hinwill, allmählich fasst sie aber Tritt. Im letzten Drittel gewinnt die Skurrilität Oberhand und erweist sich als probates Mittel, die Unzulänglichkeiten der Alpen-Alphas vorzuführen. Denn auch der tolle Bärenjosef hat männliche Eroberungsfantasien: einen Kuss will er nur, wenn er ihn sich erkämpfen muss, "Was a echter Jaga is, der schiaßt ka Wüd außer im Sprung oder im Flug". Irgendwann reicht's und die nach dem langwierigen Ableben des Vaters zur reichen Hofbesitzerin aufgestiegene Wally, die mittlerweile ihren Kletter-Overall gegen einen überdimensionalen roten Reifrock getauscht hat, greift durch. Spoiler: nicht nur eine Axt spielt dabei eine Rolle.

Großartig ist die Musik von Jelena Popržan, die mit ihrer Bratsche auf einer erhöhten Plattform steht, spielt, gleichzeitig jodelt, singt, kichert und in der Luft schwebenden Trommeln vom Wind verwehte, mystische Klänge entlockt, die sich mit ihren Gesängen mischen. Dieser musikalische Teppich hält alles zusammen, schafft eine Aura von wilder Natur, spart nicht mit schrägen (An)klängen und hilft dort mit stilistischer Stringenz aus, wo diese auf der Bühne manchmal noch nicht am Gipfel angelangt ist.

(S E R V I C E - "Die Geierwally" von Felix Mitterer nach einem Roman von Wilhelmine von Hillern, Regie: Sara Ostertag, Bühne und Kostüme Nanna Neudeck, Musik: Jelena Popržan. Mit Gunda Schanderer (Geierwally), Daniel Klausner (Höchstbauer), Benedikt Steiner (Vinzenz Gellner), Helmuth Häusler (Bärenjosef) u.a. Weitere Vorstellungstermine: 4., 16., 27. Februar, 12., 15., 23., 26., 30. März, Landestheater Linz, Kammerspiele, www.landestheater-linz.at)

ribbon Zusammenfassung
  • Stark wie ein Kerl, stur wie ein Bock - die Geierwally hat ihren eigenen Kopf und lässt sich von Männern nichts sagen.
  • Auch Regisseurin Sara Ostertag zeigt bei der Premiere Freitagabend in den Linzer Kammerspielen wie gewohnt Mut und richtet den grellen Scheinwerfer des 21. Jahrhunderts auf den literarischen Stoff.
  • Die Inszenierung mäandert zunächst ein wenig, mündet aber letztlich in einen skurrilen Showdown.