Lankum lieferten beim donaufestival ein spätes Debüt
"Vor 15 Jahren waren wir schon hier", schmunzelte Sänger und Multiinstrumentalist Ian Lynch in der Mitte des Sets. Was er damit meinte: Die ursprüngliche Inkarnation der Gruppe, damals unter dem Namen Lynched nur aus Ian und seinem Bruder Daragh bestehend, spielte zu jener Zeit einen Gig im Wiener EKH. "Gibt es das noch?", erkundigte sich Zweiterer und stellte immerhin in Aussicht, dass der nächste Abstecher in hiesige Gefilde nicht so lange dauern sollte.
Bleibt zu hoffen, dass sich dieses Versprechen bewahrheitet. Lankum, seit mehr als zehn Jahren mit Cormac MacDiarmada und Radie Peat zum Quartett angewachsen und live von einem Drummer unterstützt, haben das Kunststück vollbracht, mit traditioneller irischer Musik die Massen in Verzückung zu bringen. Es ist ein erdiger, durchaus der Repetition ergebener Zugang, den Lankum Stücken wie "The Wild Rover" zuteil werden lassen. Vierstimmiger Gesang, Gitarre und Geige, stampfende Percussion, aber auch Akkordeon und die obligatorischen Uilleann Pipes (irischer Dudelsack) ergeben ein Klangbild, das gleichermaßen urtümlich wirkt und dabei eine unbändige Energie erzeugt.
"Wir sind alle ein wenig schräg", meinte Daragh Lynch augenzwinkernd wenige Stunden vor dem Gig auf die Frage, was die vier Musiker zusammengeführt hat. Vier Außenseiter, die sich in den Pubs von Dublin bei den vielen Sessions gefunden und auf Anhieb verstanden haben. Die Harmonien, die Vorliebe für traditionelle Musik, aber eben auch die unvermeidlichen Drones, die dem Sound von Lankum eine ganz eigene Qualität verpassen: "Wir haben das einfach weiterverfolgt", nickte Peat im APA-Gespräch. "Das waren die verbindenden Elemente."
"Seitdem ist es nur verrückter geworden"
Dass sie mit dieser Kombination so durch die Decke gehen würden, damit haben Lankum wohl nicht gerechnet. "Schon vor zehn Jahren haben wir mit einem Auftritt bei Jools Holland eigentlich mehr erreicht, als wir uns erträumt haben", so Ian Lynch. "Und seitdem ist es nur verrückter geworden." Ein Album, das sie erfüllt und zufrieden stellt - das war laut Peat das Ziel, als sie 2014 an "Between the Earth and Sky" arbeiteten. Das wurde es auch, aber es folgten weitere Platten, die weit mehr als nur zufriedenstellend waren. Mit "False Lankum" folgte 2023 schließlich der endgültige Durchbruch. Wie sich der Erfolg widerspiegelt? "Wir haben unseren eigenen Tontechniker", lachte Daragh.
Und der hat viel zu tun, gilt es doch nicht nur die vier Stimmen, sondern auch unzählige Instrumente zusammenzuführen, damit die leisen Töne ebenso glänzen wie die hymnischen Ausbrüche. "Wir haben das ja nicht erfunden, wir sind nicht die großen Revolutionäre", betrieb Ian sympathisches Understatement. "Wir nehmen einfach Elemente, die schon da sind. Vielleicht fokussieren wir sie ein wenig anders. Aber alles, was wir machen, gibt es in der traditionellen Musik schon. Wir legen es nur unters Vergrößerungsglas." Aber wie! Das zeigten selbst die festivalbedingt knappen 60 Minuten, in denen Lankum ihr Publikum zu jeder Sekunde bei sich hatten und mit Songs wie "On A Monday Morning" oder "Go Dig My Grave" begeisterten.
Bergbau, Piraten und walisische Mystik
Eine kleine Aufwärmrunde gab es schon am frühen Nachmittag in der Minoritenkirche, wo das achtköpfige Shovel Dance Collective aus London der Kollegenschaft gewissermaßen den Boden bereitete. Auch hier galt: Tradition war angesagt und wollte eifrig auf Gültigkeit abgeklopft werden. Die Gruppe sang von der entbehrungsreichen Arbeit unter Tage ebenso wie zwielichtigen Piraten, wobei der Fokus stets auf dem sozialkritischen Unterbau der historischen Stücke lag. All das wurde mit viel Verve und reichlich klassischem Instrumentarium dargebracht.
Ebenso einer Folklore verpflichtet, aber bei weitem entrückter präsentierte sich hingegen das walisische Trio Tristwch Y Fenywod. Gwretsien Ferch Lisbeth (Stimme, Zither), Leila Lygad (E-Drums) und Sidni Sarffwraig (Bass) inszenieren sich nicht nur für ihr im vergangenen Jahr veröffentlichtes, selbstbetiteltes Debütalbum als naturalistischer Hexenzirkel, sondern boten auch live eine mystisch angehauchte Mischung, die Gothic-Klänge in einer aufs Wesentliche reduzierten Version bot.
"Es hat drei Minuten gedauert bei unserer ersten Probe bis wir wussten, dass es passt", rekapitulierte Sarffwraig die Anfänge der ersten 2022 gegründeten Gruppe, die seitdem ordentlich von sich reden macht. Sich neuen Dingen zu öffnen stand quasi als Leitmotto am Anfang, galt dies doch nicht nur für die Instrumente, sondern auch für die Sprache: Walisisch habe sie für die Band wieder gelernt, erzählte Ferch Lisbeth. Die Sprache ihrer Kindheit war auch eine Möglichkeit, sich selbst neu zu entdecken. "Es war genau der richtige Zeitpunkt", nickte die Sängerin, die ihre Musik auch als Angebot an alle Leute sieht, "die wie wir queer und anders sind". Für das dem Walisischen nicht mächtigen Publikum wurde die vermeintliche Sprachbarriere mit der Kraft der Musik überwunden. "Sie funktioniert universell", nickte Lygad. "Die Leute wissen, was gemeint ist."
Diplomatie gerät aus den Fugen
Einiges zu verarbeiten hatten in jedem Fall jene, die sich in Ayla Pierrot Arendts "Death in Peace" wagten: Die meditative Videooper, in der fünf Performer:innen zu hypnotischen Sounds ein Spiel von Macht und Abhängigkeiten durchdeklinierten, beschäftigte sich auf sehr assoziative Art mit Auslösern für kriegerische Konflikte, stellte aber auch die Frage, wer überhaupt eine Grenze, ein Land verteidigen dürfe. Dabei wurden drei Leinwände ebenso bespielt wie die Decke der Halle 1, während das Publikum auf einem Kunstrasen liegen über Begriffe wie Identität, Nationalismus oder Diplomatie sinnieren konnte, die zusehends aus den Fugen gerieten. Wem danach der Kopf schwirrte, konnte sich bei Haley Foh alias Circuit des Yeux wieder fallen lassen - diese Stimme, dieser Sound! Der Auftritt im Stadtsaal war ein wahres Fest eklektischer Klänge und großer Gesten.
(Von Christoph Griessner/APA)
(S E R V I C E - www.donaufestival.at)
Zusammenfassung
- Die irische Band Lankum feierte beim donaufestival in Krems ein spätes Österreichdebüt mit einer Mischung aus traditioneller Musik und Avantgarde.
- Der Auftritt dauerte festivalbedingt etwa 60 Minuten und umfasste Songs wie "The Wild Rover", "On A Monday Morning" und "Go Dig My Grave".
- Seit über zehn Jahren besteht Lankum als Quartett und wurde beim Festival von einem Drummer unterstützt.
- Mit dem Album "False Lankum" gelang der Band 2023 der endgültige Durchbruch, nachdem sie bereits vor 15 Jahren als Duo Lynched in Österreich aufgetreten waren.
- Neben Lankum traten auch das achtköpfige Shovel Dance Collective aus London und das walisische Trio Tristwch Y Fenywod sowie weitere Acts mit sozialkritischen und mystischen Folk-Interpretationen auf.