Kunsthalle Wien zeigt "Bahnbrechendes" von Ibrahim Mahama
"Meine ganze Kindheit lang habe ich keinen einzigen Zug gesehen, obwohl in der Nähe eine stillgelegte Bahnstrecke verlief", erzählte der 1987 in Tamale geborene Konzept- und Objektkünstler am Dienstag bei der Presseführung. Gebaut wurde das Schienennetz Ende des 19. Jahrhunderts unter der britischen Kolonialherrschaft, um den Süden der Goldküste (heute Ghana) mit anderen britischen Kolonien in der Region zu verbinden. Was im Norden des Landes, wo Mahama lebt, geblieben ist, sind die nutzlos gewordenen Schienen, die an die Zeit der Kolonialherrschaft bis zur Unabhängigkeit 1957 erinnern.
In der Ausstellung finden sich nicht nur massive Holzschwellen, auf denen großformatige Fotografien thronen, auch die Bilderrahmen hat Mahama aus Resten von Schienen konstruiert. Auf den farbenprächtigen Fotos sind von zahlreichen übereinandergestülpten Schüsseln ("Headpans") verdeckte Frauen zu sehen, an der gegenüberliegenden Wand findet sich eine Installation aus 125 Röntgenbildern, die die vom schweren Tragen deformierten Wirbelsäulen von ghanaischen Frauen zeigen. In der Mitte des Ausstellungsraums führt er die Auseinandersetzung mit Last in einer imposanten Installation zusammen: 5.000 übereinandergestülpte ausrangierte Schüsseln bilden einen langen Gang, über dem eine ausgeschlachtete deutsche Lokomotive aus den 1950er-Jahren zu schweben scheint.
Schüsseln mit Geschichte
"Frauen tragen im Laufe ihres Lebens in diesen Schüsseln Gewichte, die in etwa jenem dieser Lokomotive entsprechen", erläuterte der Künstler. In einer Videoinstallation sind einige der Frauen zu sehen, die die jeweiligen Geschichten ihrer Schüsseln erzählen. Schließlich werden darin nicht nur Waren zum Markt transportiert, sondern auch Feuerholz gesammelt, Öl zubereitet, Kinder gebadet oder auch gekocht. Jene Aktion, in denen die Frauen ihre geschichtsträchtigen Schüsseln gegen neue, glänzende Schüsseln austauschen konnten, ist in einem anderen Film zu sehen, der auf einer langen Leinwand im Rahmen einer Fünf-Kanal-Videoarbeit parallel zu Videos des Transports der Lokomotive läuft.
Das im Laufe seines künstlerischen Lebens gesammelte Material stellt Mahama in seinem Atelier im Norden Ghanas aus, das er 2014 mit dem Geld für sein erstes verkauftes Werk aufbaute und in den vergangenen Jahren auf rund 80 Hektar ausgebaut hat und das der lokalen Bevölkerung als Ausstellungs- und Workshopraum zur Verfügung steht.
Kunst zwischen Schafen und Ziegen
Jene Gebäude, die auf den umliegenden Grundstücken standen, hat Mahama in sein Projekt integriert: "Wenn es dort eine Farm gab, wird diese jetzt als Teil des künstlerischen Prozesses weiter als Farm betrieben, wenn es eine Schule war, wird das Lernen nun zum künstlerischen Prozess", so der Künstler. "In meinem Atelier gibt es auch Schafe und Ziegen." Nachsatz: "Ich mache Kunst nicht nur für Menschen, sondern für das gesamte Ökosystem."
(S E R V I C E - Ausstellung "Ibrahim Mahama: Zilijifa" in der Kunsthalle Wien. 9. Juli bis 2. November. www.kunsthallewien.at)
Zusammenfassung
- Der ghanaische Künstler Ibrahim Mahama zeigt in der Kunsthalle Wien 5.000 Blechschüsseln und eine entkernte Lokomotive, um die Last des Tragens und die Kolonialgeschichte Ghanas zu thematisieren.
- Zu sehen sind außerdem 125 Röntgenbilder, die die durch das Tragen von Lasten deformierten Wirbelsäulen ghanaischer Frauen dokumentieren, sowie Videoinstallationen mit den Geschichten der Frauen hinter den Schüsseln.
- Mahama betreibt in Ghana ein 80 Hektar großes Atelier, das als Ausstellungs- und Workshopraum für die lokale Bevölkerung dient, und integriert ehemalige Farmen und Schulen in sein künstlerisches Ökosystem.