APA/APA/Zwischenbrücken/C. Mavric

Junge Medien im Kampf gegen Fördersystem und Bindungsängste

30. Mai 2025 · Lesedauer 5 min

Die Medienvielfalt befindet sich hierzulande eher im Ab- als im Aufbau. Mehrere junge Onlinemedien und -projekte versuchen derzeit, im kriselnden Medienmarkt Fuß zu fassen und dem bedrohlichen Trend entgegenzuwirken. Die Rückmeldungen fallen positiv aus, aber dennoch fällt es ihnen schwer, ein stabiles finanzielles Fundament aufzubauen. Medienforscher Andy Kaltenbrunner führt das u.a. darauf zurück, dass Risikofreudige von staatlicher Medienpolitik "eher bestraft" werden.

Die Medienförderung befindet sich gegenwärtig auf einem Höchststand, doch werden primär Medienunternehmen mit hohen Umsätzen, einer gewissen Reichweite und Journalistenanzahl gefördert. Auch vom Regierungsvorhaben, den regionalen Zeitungsvertrieb zu fördern, profitieren junge (Online-)Medien nicht. Ihrer nehmen sich etwa die Wiener Medieninitiative und der Ende 2024 erstmals ausgeschüttete länderübergreifende Media Forward Fund an, um sie beim Aufbau zu unterstützen.

Das inklusive Medium "andererseits" mit Fokus auf den Themenbereich Behinderung kam in den Genuss beider Förderungen. Durch 400.000 Euro aus dem Media Forward Fund wurde zuletzt von fünf auf zwölf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aufgestockt. Rund die Hälfte davon hat eine Behinderung. Derzeit unterstützen 2.500 Menschen das Medium mit einem Abonnement (ab 7 Euro pro Monat), 7.000 sind jedoch bis Ende 2026 nötig, um eine unabhängige Finanzierung zu ermöglichen und die Arbeitsplätze zu erhalten. "andererseits"-Geschäftsführerin Clara Porák bezeichnet das als "ambitioniertes, aber sehr realistisches Ziel".

"Wir müssen den Menschen gut erklären, warum wir das Geld brauchen, aber ihnen selten erklären, warum es uns braucht", sagt sie. Dass Leute nicht für Journalismus zahlen wollen, erlebe sie nicht. "Viele Neugründungen bewegen sich in dem Marktsegment der jungen, urbanen Akademiker - und das ist schon sehr gesättigt. Unsere Hauptzielgruppe sind Menschen, denen andere Medien kaum zugänglich sind", sagt Porák.

Die beiden "andererseits"-Newsletter werden von 15.000 Menschen abonniert, was bis Jahresende auf 30.000 verdoppelt werden soll. Werbeeinnahmen, die auch durch ein sechsmal pro Jahr erscheinendes Magazin generiert werden, "rechnen sich langsam", so Porák. Doch wolle man sich primär über Mitgliedschaften finanzieren. "Das stellt sicher, dass wir unabhängig bleiben", erklärt die Geschäftsführerin.

Tolles Feedback, wenig Bindungslust

Bis dahin ist aber noch Arbeit nötig - ebenso bei "Zwischenbrücken". Das Onlinemedium für den 2. und 20. Wiener Gemeindebezirk versorgt nach geglücktem Crowdfunding seine Leserinnen und Leser mit seriösen Lokalnachrichten. "Journalistisch läuft es super, die Aufmerksamkeit ist sehr groß", berichtet Gründer Bernhard Odehnal von "extrem vielen positiven Rückmeldungen". Auch verweist er auf die konstant hohe Öffnungsrate von ca. 80 Prozent für den Newsletter. Zum Vergleich: Laut Österreichischer Auflagenkontrolle (ÖAK) kommen die größten Newsletter des Landes nur in Ausnahmefällen über 40 Prozent Öffnungsrate. Doch bei "Zwischenbrücken" hat sich das hohe Interesse noch nicht eins zu eins in Mitgliedschaften (ab 4,50 Euro pro Monat) niedergeschlagen.

Odehnal ortet eine Tendenz dazu, sich nicht binden zu wollen. Einmalzahlungen - etwa in Form eines Crowdfundings - funktionieren dagegen gut. Falls es eng werden sollte, könnte er sich ein weiteres Crowdfunding als Backup vorstellen. Doch derzeit ist er optimistisch, "Zwischenbrücken" in Zukunft zu je einem Drittel aus Mitgliedschaften, Werbung und Förderung (derzeit Wiener Medieninitiative) finanzieren zu können. Denn: "Ich kann die Zielgruppe sehr genau definieren und ansprechen", so der Journalist.

Tausende Mitglieder gesucht

Noch nicht realisiert, aber derzeit ebenso auf Mitgliedersuche ist das Medienprojekt "Jetzt". Deutlich über 1.000 Mitglieder hat Gründer Florian Novak schon mit seinem Versprechen eines unabhängigen Onlinemediums mit Fokus auf Audio und Einbindung der Community bereits gefunden. 5.000 Mitglieder braucht er jedoch bis 12. Juni, um sein Vorhaben in die Tat umsetzen zu können. "Das wird was", zeigt er sich optimistisch. Aber natürlich werde man weiterhin dranbleiben müssen.

Vorbild und strategischer Partner von "Jetzt" ist "Zetland" aus Dänemark. Dort startete man vor rund zehn Jahren mit kleinem Team und blickt mittlerweile auf 100 Mitarbeiter und deutlich über 40.000 Mitgliedschaften, die den Großteil des Umsatzes ausmachen. Was in Dänemark funktioniert, muss aber nicht zwangsläufig in Österreich klappen. Das legen zumindest Daten aus dem "Reuters Institute Digital News Report" 2024 nahe. So ist die Zahlungsbereitschaft für Online-Medien in Österreich überschaubar. Lediglich 13,7 Prozent der Befragten haben hierzulande im Vorjahr für Onlinenachrichten bezahlt. In Dänemark sind es immerhin 17 Prozent, in Schweden 31 Prozent und in Norwegen gar 40 Prozent.

Skandinavisches Fördersystem als Innovationsmotor

"Europas Norden hat deutlich früher digitalisiert als Zentraleuropa. Der Community-Gedanke und die Vielfaltsforderung sind außerdem im Medienbereich viel stärker ausgeprägt. Beides hebt die Zahlungsbereitschaft", erklärt Medienhaus-Wien-Geschäftsführer Kaltenbrunner. Zudem unterstützen skandinavische Fördersysteme die Erreichung neuer Zielgruppen und Start-ups seit langem ausdrücklich. "Im Norden finanzieren sich nach staatlichen Anschüben viele gute spannende journalistische Projekte inzwischen sehr gut aus eigener Kraft", so der Medienexperte.

Aber auch im Süden Europas sei mit Blick auf Onlinejournalismus "sehr viel mehr Neues entstanden als bei uns". Neben Plattformen wie elDiario.es oder "El Confidencial" würden mehrere hunderte hyperlokale Medien mit ähnlichem Engagement wie "Zwischenbrücken" existieren, wobei sie ohne öffentliche Hilfe meist über Communities und lokale Werbung finanziert werden.

Marktverzerrung und politische Abhängigkeiten

In Österreich sorge das Fördersystem dafür, dass das meiste Geld jene erhalten, die den größten Marktanteil haben. "Das ist eigentlich die Antithese zur Idee von Medienvielfaltsförderung. Es verzerrt den Markt, schafft stärkere politische Abhängigkeiten und behindert qualitativen Wettbewerb", kritisiert Kaltenbrunner. Es werde weit mehr zerstört als kreiert, "weil die Konsequenzen aus Digitalisierung und Globalisierung von vielen Legacy Media zu lange in Komplizenschaft mit Medienpolitik nicht ernst genommen wurden", so der Medienforscher.

"Alle Risikofreudigen, die junge, journalistische Angebot auf die Beine stellen wollten, wurden von staatlicher Medienpolitik eher bestraft - gleichermaßen Kreative in Traditionshäusern", sagt Kaltenbrunner. Dabei ortet er in Österreich keineswegs geringeren Innovationsgeist als anderswo. "Aber die Behäbigkeit und Widerständigkeit konservativer politischer und wirtschaftlicher Systeme erfordert vom Einzelnen viel mehr Kraftanstrengung, damit das Neue in die Welt kommt."

Zusammenfassung
  • Junge Onlinemedien wie 'andererseits', 'Zwischenbrücken' und 'Jetzt' kämpfen in Österreich trotz positiver Resonanz mit finanzieller Unsicherheit und suchen neue Wege zur Unabhängigkeit.
  • 'andererseits' erhielt 400.000 Euro Förderung, konnte die Mitarbeiterzahl von 5 auf 12 erhöhen und benötigt bis Ende 2026 rund 7.000 zahlende Abonnenten, um unabhängig zu bleiben.
  • Die Newsletter von 'Zwischenbrücken' erreichen eine Öffnungsrate von etwa 80 Prozent, doch die Umwandlung in zahlende Mitgliedschaften (ab 4,50 Euro monatlich) bleibt schwierig.
  • Das österreichische Fördersystem bevorzugt etablierte Medienunternehmen und wird von Experten wie Andy Kaltenbrunner als innovationshemmend und marktverzerrend kritisiert.
  • Im internationalen Vergleich ist die Zahlungsbereitschaft für Onlinenachrichten in Österreich mit 13,7 Prozent deutlich niedriger als in Skandinavien, wo staatliche Förderungen Innovation und Vielfalt stärker unterstützen.