APA/ROLAND SCHLAGER

"Jetzt ist alles noch frisch": Hochmair legt Biografie vor

14. Juli 2025 · Lesedauer 6 min

Wenige Tage vor der "Jedermann"-Premiere bei den Salzburger Festspielen legt Philipp Hochmair mit "Hochmair, wo bist du?" im Brandstätter Verlag eine reich bebilderte Biografie vor. Dafür hat die deutsche Autorin und Journalistin Katharina von der Leyen mit zahlreichen Wegbegleitern gesprochen. Im Interview mit der APA erklärt Hochmair, warum das Buch bereits der dritte Anlauf für eine Biografie ist, wie er als Legastheniker seine Texte lernt und wie er dereinst sterben will.

APA: Sie legen mit 51 Jahren nun eine Biografie vor. Warum gerade jetzt?

Philipp Hochmair: Das ist schon der dritte Anlauf, und dieser Anlauf war jetzt genau richtig. Ich habe aus den anderen beiden Versuchen gelernt und habe nun in Katharina von der Leyen wirklich das beste Gegenüber für mich gefunden, weil sie viel Erfahrung mit exzentrischen Menschen hat. Einer der Buchtitel, die wir verworfen haben, lautete: "Ich schreibe es jetzt auf, weil in 20 Jahren weiß ich es nicht mehr". Das ist eine Motivation, weil jetzt ist es noch frisch, es sind noch alle da, meine Eltern sind noch halbwegs fit, alle sind da, um sie zu befragen. Man kann die Quellen noch anzapfen, und das ist wichtig.

APA: Woran sind die bisherigen zwei Versuche gescheitert?

Hochmair: Die erste Biografie war zu schnell zusammengezimmert. Da war ich noch ganz jung und am Ende fand ich, dass da zu wenig Aussage da war. Beim zweiten Versuch war es ähnlich. Jetzt war es genau die richtige Mischung aus Tiefe, dem Nacherzählen von Fakten und auch der Konfrontation mit meinen Zeitgenossen. So hat mich Katharina etwa wieder mit Nicolas Stemann zusammengebracht. Nicht, dass wir auseinander waren, aber unsere Leben haben sich einfach in unterschiedlichen Welten weiterentwickelt. Es war eine ganz große Leistung dieses Buches, dass man die Kameraden aus der Anfangszeit aufsucht und mit ihnen wieder in Kontakt tritt.

APA: Das Buch heißt "Hochmair, wo bist du?" Bezieht sich das darauf, dass Sie innerhalb von zwei Wochen an sieben Orten spielen? Oder mehr: "Wo bist du jetzt in deinem Leben?"

Hochmair: Beides. Dieser Tag heute ist sehr beispielhaft: Ich bin ganz in der Früh aus Altaussee gekommen, dann war ich beim Zahnarzt, jetzt habe ich dieses Interview, danach einen TV-Auftritt und trete später in Bad Vöslau auf. In der Nacht fahre ich zu meinem nächsten Auftritt nach Graz. Also ist die Frage "Hochmair, wo bist du?" gerade heute sehr zutreffend. Ich werde so viele Orte frequentieren, dass mir selber schwindelig wird. Aber es macht mir Spaß: Ich sitze auf einem Hexenbesen, und der flitzt so durch die Welt.

APA: Auch rund um die "Jedermann"-Premiere sind Sie ziemlich viel unterwegs.

Hochmair: Ich liebe das Ebbe-und-Flut-System: Lieber richtig in die Flut springen, wo man im schäumenden Meer die Orientierung verliert, und dann wieder Ruhephasen einlegen. So tröpfchenweise homöopathisch Theater spielen, das kann ich nicht.

APA: Ihre Eltern waren dagegen, dass Sie Schauspieler werden. Warum?

Hochmair: Für meinen Vater waren Künstler arme, brotlose Menschen. Im Krieg hat er miterlebt, dass tolle Pianisten für eine Mahlzeit in seiner Schule gespielt haben. Für meinen Vater ist Kunst ein nicht zu verstehender Kampf ums Überleben.

APA: Im Buch wird eine Szene beschrieben, in der Sie in der Schule Goethes "Totentanz" rezitieren und den Moment als Erweckungserlebnis empfunden haben. Wie war das genau?

Hochmair: Rückblickend war das ein ähnlicher Mechanismus wie das Einspringen in Salzburg 2018. Ich wusste, ich kann den Text von "Jedermann", und ich weiß, das ist eine Bühne und das wird irgendwie klappen. So war das in der Schule auch. Ich habe in einer Hundertstelsekunde entschieden: Ich springe jetzt auf den Tisch und trage das vor. Damals habe ich zum ersten Mal erfahren, dass ich diese "0 auf 100"-Zündung kann.

APA: Sie sind Legastheniker. Wie bewältigen Sie die Textmengen?

Hochmair: Ich bin ein auditiver Typ und habe dann meistens jemanden gegenüber, der mir den Text vorliest und ich wiederhole ihn. So entsteht ein Dialog. Der Text wird zur Musik, zum Gesang. So merke ich mir das.

APA: Mit Solo-Projekten wie dem "Werther" sind Sie seit fast 30 Jahren unterwegs. Was reizt Sie so an diesem Format?

Hochmair: Das ist erkämpftes Terrain, und das gibt man nicht so schnell her. Also ich habe dieses Land, das ich da gefunden habe, gepflügt, beackert, bepflanzt, und jetzt ernte ich tolle Früchte, die ich überall weitergeben kann.

APA: Im Innenumschlag des Buches findet sich eine Liste mit verworfenen Titel-Ideen. Eine davon lautet: "Ich sage immer Ja". Wozu hätten Sie in Ihrer Karriere rückblickend Nein sagen sollen?

Hochmair: Wenn ich mich getraut hätte, hätte ich gerne die Schule abgebrochen. Diese Aussage hat natürlich keinen Vorbildcharakter, also formulieren wir es lieber als Fantasie: Ich hätte mich gerne früher mit Kunst beschäftigt, ohne so lange in der schulischen Tretmühle zu bleiben. Oder ich hätte gerne eine Weltreise gemacht, wie es auch in Stifters "Hagestolz" dem jungen Victor von seinem Oheim vorgeschlagen wird.

APA: Im Buch heißt es, dass Sie dank Ihrer Rolle in den "Vorstadtweibern" plötzlich auf der Straße erkannt wurden. Hat sich das mit dem "Jedermann" potenziert?

Hochmair: "Jedermann" ist nicht Fernsehen, "Jedermann" ist Hochkultur. Der "Jedermann" ist für das Publikum etwas Großes, kaum zu verstehendes, davon hat man gehört, das ist in Salzburg, da kriegt man keine Karten. Über das Fernsehen wird man bekannt, über den "Jedermann" wird man geadelt. Das "Erkennen" in Salzburg findet auf einer anderen Ebene statt.

APA: Ihr Vertrag als "Jedermann" läuft bis 2026. Wie lange wollen Sie diese Rolle spielen?

Hochmair: Mein Leben lang. Ich möchte wie Molière auf der Bühne sterben - wie Molière als eingebildeter Kranker: Ich als Jedermann imaginaire.

(Das Gespräch führte Sonja Harter/APA)

(S E R V I C E - "Hochmair, wo bist du?" von Katharina von der Leyen und Philipp Hochmair, Brandstätter Verlag, 256 Seiten, 26 Euro. Wiederaufnahme-Premiere "Jedermann" bei den Salzburger Festspielen: 19. Juli. Regie: Robert Carsen, Bühne: Robert Carsen, Luis F. Carvalho, Kostüme: Luis F. Carvalho. Mit u.a. Philipp Hochmair (Jedermann), Deleila Piasko (Buhlschaft), Dominik Dos-Reis (Tod), Andrea Jonasson (Jedermanns Mutter), Christoph Luser (Jedermanns guter Gesell / Teufel). www.salzburgerfestspiele.at)

Zusammenfassung
  • Philipp Hochmair veröffentlicht mit 51 Jahren und im dritten Anlauf seine reich bebilderte Biografie "Hochmair, wo bist du?" im Brandstätter Verlag.
  • Die deutsche Autorin Katharina von der Leyen führte für das 256-seitige Buch zahlreiche Gespräche mit Wegbegleitern und brachte Hochmair mit alten Kollegen wie Nicolas Stemann wieder in Kontakt.
  • Hochmair schildert im Interview seinen rastlosen Alltag, in dem er an einem Tag mehrere Auftritte an verschiedenen Orten absolviert und das Reisen als Teil seiner Identität sieht.
  • Als Legastheniker lernt Hochmair seine umfangreichen Theatertexte auditiv, indem ihm diese vorgelesen werden und er sie wie Musik einstudiert.
  • Die "Jedermann"-Premiere bei den Salzburger Festspielen findet am 19. Juli statt, Hochmairs Vertrag läuft bis 2026, doch er möchte die Rolle am liebsten lebenslang spielen.