Internationale Kunstschau in Athen zeigt Empathie mit Tieren
Die bekannte griechische Kuratorin wollte bewusst keine Fotografien oder Videoarbeiten über misshandelte Pferde, vernachlässigte Hunde oder grausam abgeschlachtete Schweine zeigen. "Wir alle kennen solche Bilder aus Dokumentarfilmen zur Genüge. Mittlerweile verfehlen sie sogar ihren Effekt. Stattdessen habe ich mich für Künstler entschieden, deren Werke Tierrechte und die Beziehung zwischen Menschen und Tieren nuancierter, komplexer, fantasievoller und einfühlsamer beleuchten", erklärte Gregos zum Auftakt der am Freitag anlaufenden Ausstellung im Gespräch mit der APA.
Anstatt das von Menschen provozierte Leid von Tieren zu zeigen, um das Publikum für die Tierrechte zu sensibilisieren, setzte sie bei der Auswahl der Künstler und Werke aufs Subtile, auf die Andeutung von Gewalt und vor allem auf Empathie mit "nicht menschlichen Wesen, die ähnlich wie wir Menschen fühlen, denken, ein Bewusstsein und Erinnerung haben", so die Kuratorin. Ihre Gruppenausstellung mit 60 internationalen Künstlerinnen und Künstlern und über 200 Werken auf insgesamt sieben Etagen ist die größte jeweils gezeigte Wechselausstellung in der Geschichte des Museums.
Obwohl es keine thematische Aufteilung gibt, spürt man den Werken vom Unter- bis zum Obergeschoss aufsteigend eine gewisse Veränderung der Botschaften an - von pessimistisch-makaber bis hin zu optimistisch-utopisch. Die Britin Sue Coe stellt in ihren Zeichnungen im Untergeschoss dar, wie sich Tiere wehren, menschliches Eigentum zu sein. Sie verdreht die Ordnung und zeigt Tiere beim Erntedankfest Menschen verspeisen. Verschiedene Künstler zeichnen auf, wie im Zuge des Kolonialismus nicht nur afrikanische Völker, sondern auch die dort lebenden Tiere ausgebeutet wurden. In Porträts von Versuchstieren aus dem All wird klar, dass sie leiden mussten. Doch ihr Leid, ihr Schmerz, ihre Angst sind nur zu erahnen.
"Hochhausschweine" als Proteinquelle
Besonders beeindruckend ist die Videoarbeit "Hochhausschweine" der aus Singapur stammenden Ang Siew Ching. Ohne nur einen Tropfen Blut oder gequälte Tiere zu zeigen, entlarvt die Künstlerin die Grausamkeit von Chinas hoch technologisierten Hochhausfarmen, in denen Schweine niemals das Tageslicht sehen oder wirklichen Boden berühren und von Beginn ihrer Geburt nur als eins behandelt werden - als Proteinquelle. In den Installationen und Videoarbeiten der Griechin Janis Rafa geht es um die Kontrolle und brutale Dressur von Rennpferden, wobei sie größtenteils nur die Utensilien und das Umfeld zeigt, nicht aber die Menschen und Pferde selber.
Generell versuchen viele Künstler in ihren Werken die seit Jahrhunderten vorherrschende anthropozentrische Perspektive zu verlassen, die Tiere unsichtbar, stumm und zweitrangig gemacht hat. Die Notwendigkeit, Tiere nicht mehr zu vermenschlichen oder durch ihre Beziehung zum Menschen zu definieren, löste der Belgier David Claerbout grandios in seiner Adaptation des Animationsklassiker "Das Dschungelbuch" von 1967, in dem er Mogli komplett aus dem Film strich.
"Warum Tiere anschauen?"
In seinem berühmten Essay "Warum Tiere anschauen?", von dem die Ausstellung ihren Titel ableitet, beleuchtete der Künstler und Kunstkritiker John Berger bereits 1980 die im Zuge der Moderne zunehmende Entfremdung zwischen Mensch und Tier. Tiere wurden immer häufiger zu Nutztieren oder direkt zu Nahrungsmitteln. Doch was wir nicht kennen, können wir auch nicht wertschätzen. So versuchen viele Künstler in ihren Werken den Tieren ihre Würde, ihren Selbstwert zurückzugeben. Der Ägypter Nabil Boutros versucht in seinen Fotografien die Persönlichkeiten und Individualitäten der von ihm porträtierten Schafe herauszuarbeiten. "Wenn Du den Tieren beim Fotografieren in die Augen schaust, wird dir schnell bewusst, dass auch sie eine Seele haben", meint der Künstler.
Können Tiere überhaupt etwas empfinden? Wie sehen sie uns Menschen? Träumen sie sogar von der Freiheit, wie sich der kroatische Künstler Igor Grubic draußen vorm Museumseingang mit seinen Plakat-Installationen fragt. Das dramatische Video der Italienerin Tiziana Pers, in dem ein Schwein sich aus einem Transportlaster während der Fahrt zum Schlachthof befreit und dabei brutal auf die Straße stürzt, scheint die Antwort darauf zu geben.
Kritik an industrieller Massentierhaltung
Der spanische Fotograf Xavi Bou fängt in seiner "Ornithographies"-Serie hingegen die flüchtige Schönheit verschiedener Vogelarten im Flug ein und verwandelt sie in faszinierende visuelle Erzählungen. Die mit Hochgeschwindigkeitsvideos gefilmten Flugrouten ähneln abstrakten Gemälden und "zeigen die Sinnlichkeit dieser Vögel, die wir Menschen immer seltener wahrnehmen", meint Bou. In diesem Sinne hat der Brite Marcus Coates an der Fassade des Museums eine Art digitalen Kalender angebracht, der den Menschen zeigt, welche tierischen Phänomene man heute in Athen sehen kann, wenn man drauf achtet. Es geht um die Lebenszyklen der Natur, die die wenigsten Stadtbewohner heute noch kennen oder überhaupt sehen.
Die Ausstellung will das Bewusstsein für die Lebensbedingungen von Tieren schärfen und zeigen, dass sie Bestandteil unseres Lebens sind. Natürlich gehen viele Werke darauf ein, wie der vom Menschen provozierte Klimawandel den Lebensraum der Tiere zerstört, was industrielle Massentierhaltung ihnen antut. Vor allem aber geht es darum, Tiere als nicht menschliche Lebewesen und Individuen zu zeigen, damit wir sie respektieren. "Es geht um Empathie und Respekt. Auf dieser Basis ist mehr Tierwohl und die Anerkennung von Tierrechten nur noch eine logische Konsequenz", ist Kuratorin Katerina Gregos überzeugt.
(Von Manuel Meyer/APA)
(S E R V I C E - www.emst.gr/en/exhibitions-en/why-look-at-animals)
Zusammenfassung
- Kuratorin Katerina Gregos verzichtet bewusst auf schockierende Bilder gequälter Tiere und setzt stattdessen auf subtile, empathische Darstellungen und Andeutungen von Gewalt.
- Die Ausstellung ist mit sieben Etagen die größte Wechselausstellung in der Geschichte des Museums und thematisiert die Beziehung zwischen Mensch und Tier aus neuer, nicht-anthropozentrischer Perspektive.
- Künstler wie Sue Coe, Ang Siew Ching und David Claerbout beleuchten Themen wie industrielle Massentierhaltung, Kolonialismus und die Persönlichkeiten von Tieren.
- Ziel der Ausstellung ist es, das Bewusstsein für Tierrechte und Tierwohl zu schärfen und Tiere als fühlende Individuen zu zeigen, wobei Empathie und Respekt im Mittelpunkt stehen.