Hirschls "Content" auf der Bühne: Inhalt ohne Sinn
Angela Merkel erklärt darin Listicles - oder besser die KI-generierte Stimme der deutschen Altkanzlerin, während die Angestellten in sinnentleerter Handgriffschoreografie schwelgen und ebensolche Listen à la "Die 104 besten Gründe, warum der Toaster nicht am Tisch stehen sollte" schreiben. Sie schreddern Nokias oder veranstalten Weitwurfwettbewerbe mit den Geräten. Eine hohle Phase. Aber eine, die andauert.
Die reale Welt unter ihnen und um sie herum zerfällt, bricht ein wie die alte Kohlegrube, auf der man steht. Die neue Ausbeutung geht nicht mit Staublunge einher, sondern mit Staubhirn. Aber es geht am Ende immer noch um die Kohle. Wurscht. Die digitale Welt lässt auf einer Welle der Bedeutungslosigkeit surfen. Bis man vom Brett gehauen wird, das ist dann nicht mehr ganz so wurscht. Oder eigentlich schon. Hirschl entwirft eine Welt, die aus sich heraus besteht, sich immer wieder selbst befruchtet bis hin zum Stadium der Debilität.
Alle werden zu Ich
Hirschl lässt in seiner Satire vom Investigativjournalisten bis zum im Selbstoptimierungsmantra verhafteten Start-up-Unternehmer, von der das Nichts erst akzeptieren Lernenden bis hin zur Fahrradbotin die Personage der Gegenwart auflaufen. Doch alle Akteure werden am Ende zu Ich, der eigentlichen Erzählfigur. Alle sind Ich - und damit auch niemand. Dafür gibt es die Doppelgängerin, die sukzessive das Leben und vor allem das Posten übernimmt.
Im Kern liefert Hirschl mit dem während eines Stadtschreiberstipendiums in Dortmund entstandenen "Content" weniger überspitzte Satire, denn aktuelle Zustandsbeschreibung. Und Aslı Kışlal gelingt es bei ihrem Schauspielhaus-Debüt, die Zeilen disparat wie der Roman auf die Bühne zu transponieren, fragmentiert in einzelne Sequenzen. Länger hält die Aufmerksamkeitsspanne auch nicht. Um die Figuren zu zitieren: Creepy ist gar kein Ausdruck.
(Von Martin Fichter-Wöß/APA)
(S E R V I C E - "Content" von Aslı Kışlal nach Elias Hirschl im Schauspielhaus, Porzellangasse 19, 1090 Wien. Regie: Aslı Kışlal, Bühne: Shahrzad Rahmani, Kostüme: Nadine Abena Cobbina, Musik: Uwe Felchle. Mit Tala Al-Deen, Tina Keserović, Sophia Löffler, Ursula Reiter und Maximilian Thienen. Weitere Aufführungen am 9., 10., 16. und 17. Mai sowie am 28. und 29. Juni. Mitte September ist die Inszenierung dann beim Koproduktionspartner, dem Theater Kosmos in Bregenz, zu sehen. www.schauspielhaus.at/content)
Zusammenfassung
- Elias Hirschls Roman 'Content' wurde von Aslı Kışlal im Schauspielhaus Wien uraufgeführt und thematisiert die sinnentleerten Tätigkeiten in einem Unternehmen, das Content um des Contents willen produziert.
- Die Inszenierung zeigt eine Welt der digitalen Ausbeutung und Identitätslosigkeit, in der alle Charaktere zu einem 'Ich' werden und Angela Merkels KI-Stimme Listicles erklärt.
- Weitere Aufführungen finden im Mai und Juni statt, mit einer Fortsetzung im September im Theater Kosmos in Bregenz.