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Hausner in Cannes: "Ein Humor, der manchmal wehtut"

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Die Côte d'Azur ist Jessica Hausner bestens vertraut: Die österreichische Filmemacherin ist auch heuer wieder beim Filmfestival von Cannes vertreten und stellt dort ihre neueste Arbeit "Club Zero" vor. Hollywoodstar Mia Wasikowska spielt darin eine manipulative Lehrerin, die eine Gruppe von Schülern dazu bringt, nichts mehr zu essen. Vor der Weltpremiere am Montag (22. Mai) sprach Hausner mit der APA über ihre Arbeitsweise, Wertschätzung für Pädagoginnen und ihren Humor.

APA: Sie sind mit "Club Zero" zum zweiten Mal im Wettbewerb von Cannes vertreten. Wie ist die Gefühlslage so kurz vor der Weltpremiere?

Jessica Hausner: Ich habe alle möglichen Gefühle. In erster Linie bin ich gespannt, wie der Film ankommt. Der Entstehungszeitraum umfasst doch fast vier Jahre - mit Recherche, Drehbuchentwicklung, Finanzierung, Vorbereitung, Dreh, Schnitt. Man versucht dann, die Ursprungsidee zu retten - nach so einem lange Prozess ist ja alles doch nicht ganz genau so, wie man dachte (lacht). Das ist aber normal. Ich bin einfach sehr gespannt, wie der Film aufgenommen wird, und Cannes ist dafür ein großartiger Ort. Es ist eine Art Feuerprobe für den Film.

APA: Beim Vorgängerfilm "Little Joe" wurde Ihre Hauptdarstellerin Emily Beecham in Cannes ausgezeichnet, und auch davor gab es etliche Festivalpreise für Sie. Wird man durch solche Erfolge ehrgeiziger?

Hausner: Ich würde es eher so formulieren, dass der Zuspruch für einen Film bestärkend wirkt. Dadurch fallen einem die nächsten Schritte leichter. Ich kann mehr auf meine Ideen vertrauen und gehe vielleicht einen Hauch mutiger in das nächste Projekt. Andererseits ist da natürlich die Anerkennung, die möglicherweise die Finanzierung des nächsten Vorhabens etwas erleichtert.

APA: Sie beschäftigen sich in "Club Zero" mit Macht, Manipulation und Glaube, wobei die Ursprungsidee einige Jahre zurückgeht. Wie hat sich das über diese Zeit entwickelt?

Hausner: Ein Ausgangspunkt war die Sorge der Eltern, dass ihren Kindern etwas zustoßen könnte. Das ist eine Urangst, die mich zunächst sehr berührt hat und von der ich bei meiner Recherche ausgegangen bin. Der zweite Aspekt hat sich schnell dazugesellt: die Manipulation und der Glaube. Es hat mich immer schon fasziniert, dass Sektenmitglieder oder Anhänger von ideologischen Gruppen oft vollkommen von ihrem Glauben überzeugt sind, das kann man ihnen nicht ausreden. Es ist wirklich schwierig, Argumente zu finden, und der Grund dafür ist, dass eben jede und jeder letztlich etwas anderes glaubt. Das war eine große Erkenntnis in der Drehbucharbeit: Wir alle glauben bestimmte Dinge. Nur bei den meisten fällt das nicht so auf, weil sie eben zur Mehrheit gehören - und dann sind halt die anderen die Verrückten.

APA: Ist Ihr Film auch als Kritik an der fehlenden Wertschätzung von pädagogischen Betreuungseinrichtungen zu verstehen?

Hausner: Es ist eine Kritik an den Werten unserer Gesellschaft. Eigentlich sollten die Kinderbetreuerinnen und -betreuer in unserer Gesellschaft die am meisten geachteten und am besten bezahlten Personen sein, wenn wir davon ausgehen, dass Kinder das Wertvollste sind, das wir haben. Aber so ist es nicht. Das ist ein Zeichen, dass vieles in unserer Gesellschaft nicht optimal organisiert ist. Es ist tatsächlich an der Zeit, etwas zu ändern. Die Diskussion um Arbeitszeiten halte ich in diesem Kontext für ganz wichtig. Das betrifft auch Gender-Gerechtigkeit: Wie können sich Mann und Frau die Arbeitszeit so teilen, dass es gerecht ist und dass die Kinder gut betreut werden? Das muss sich jetzt jede und jeder selber zusammenflicken. Ich habe nicht wirklich das Gefühl, dass das unserer Gemeinschaft und ihren Vertretern in der Politik wichtig genug ist. Da ist unsere Wertverteilung komisch.

APA: Im Zuge der Recherchen haben Sie auch mit vielen Schülerinnen und Schülern gesprochen. Welche besonderen Erkenntnisse haben Sie daraus gezogen?

Hausner: Ich habe viele von den Jugendlichen befragt nach Essstörungen und sonstigem selbstzerstörerischen Verhalten, nach Gruppenzwang und nach Glaubensgemeinschaften. Vielen ist der Klimaschutz sehr wichtig, sie sind da auch sehr aktiv, aber auch Ernährung ist ein Thema. Mir ist dieser unverwechselbare, ehrliche Idealismus der jungen Menschen aufgefallen. Das hat mich an meine eigene Jugend erinnert, auch ich wollte die Welt verbessern - und will es immer noch. Das war wichtig in der Erzählung in diesem Film, das die jungen Leute anfänglich mit ehrlichen, begeisterten Motiven dastehen.

APA: Mia Wasikowska muss als Lehrerin Miss Novak relativ wenig tun, um die Jugendlichen auf ihre Seite zu ziehen. Das drückt sich auch in ihrem sehr reduzierten Spiel aus...

Hausner: Wir haben gemeinsam eine Recherche gemacht, bei der wir ehemalige Sektenmitglieder getroffen haben. Mit ihnen haben wir darüber gesprochen, warum sie sich einer Sekte angeschlossen haben, wie Gehirnwäsche funktioniert und welche Personen die Anführer waren. Dabei haben wir viel Material gesammelt, um Mias Rolle zu gestalten. Es hat sich herausgestellt, dass eine Sektenführerin oder ein Sektenführer dann am überzeugendsten ist, wenn diese Person wirklich daran glaubt. Wenn die Person keine geheime, böse Absicht hat, sondern sie glaubt das, was sie sagt, wirklich! Das war auch die Hauptregieanweisung an Mia Wasikowska. Ihre Figur will die Kinder retten und vor dem Untergang bewahren.

APA: Visuell setzen Sie auf sehr präzise Einstellungen und starke Farbgebungen. Was waren dabei die Überlegungen?

Hausner: Ich arbeite mit dem Kameramann Martin Gschlacht schon lange zusammen. Wir versuchen, für jedes Projekt eine eigene Bildsprache zu finden, wobei es natürlich Elemente gibt, die sich im Laufe der Zeit wiederholen. Die Kamera hat dabei eine beobachtende Funktion, sie ist aber nicht allmächtig. Dieses Beobachten ist also nicht perfekt auf die Handlung fokussiert. Sondern die Kamerabewegung ist dazu da, einen ungewöhnlicheren Blick auf die Handlung zu werfen und so das Publikum mit einzubeziehen in die Frage, worum es überhaupt geht. Die Farbgebung bespreche ich wiederum mit der Kostümbildnerin Tanja Hausner, die auch meine Schwester ist. Sie ist eine der ersten Kollaborateurinnen. Sobald das Drehbuch da ist, überlegen wir uns, welche Farben interessant wären, welchen Stil wir erfinden wollen. Der visuelle Stil meiner Filme wird eben auch stark über das Kostüm transportiert.

APA: Trotz der Ernsthaftigkeit und beizeiten beklemmenden Surrealität gibt es durchaus Momente in "Club Zero", die zum Lachen anregen. Wie wichtig ist Ihnen Humor?

Hausner: Der Humor ist mir tatsächlich wichtig. Wenn ich an eine Geschichte denke, versuche ich am Anfang den richtigen Tonfall zu finden. Der hat oft mit einem schwarzen oder sehr trockenen Humor zu tun, der aus einer gewissen Absurdität kommt. Vorher haben wir über die Kameraposition gesprochen, die einen eher distanzierteren Blick auf die Ereignisse wirft. Und aus dieser Distanz heraus wirkt manches eben wirklich lächerlich, und sei es noch so tragisch, wenn man drinnen steckt. Es ist immer eine Frage der Perspektive. Was für den einen tragisch ist, ist für den anderen banal. Das ist manchmal schwer anzuerkennen. Deswegen ist das auch ein Humor, der manchmal wehtut. Schließlicht ist es auch beschämend festzustellen, dass man doch nicht so wichtig ist, wie man geglaubt hat.

(Das Gespräch führte Christoph Griessner/APA)

(S E R V I C E - www.festival-cannes.com/en/f/club-zero/)

ribbon Zusammenfassung
  • Die Côte d'Azur ist Jessica Hausner bestens vertraut: Die österreichische Filmemacherin ist auch heuer wieder beim Filmfestival von Cannes vertreten und stellt dort ihre neueste Arbeit "Club Zero" vor.
  • Vor der Weltpremiere am Montag sprach Hausner mit der APA über ihre Arbeitsweise, Wertschätzung für Pädagoginnen und ihren Humor.

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