APA/Wolfgang Huber-Lang

Gebärdensprache, Textilcollagen und Videos in der Secession

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Eigentlich hat Christine Sun Kim mit American Football nichts am Hut: "Es ist ein ungesunder Sport." Die Einladung, im Jahr 2020 im Rahmen des Superbowl die amerikanische Nationalhymne sowie "America the Beautiful" in Gebärdensprache zu performen, konnte die gehörlose US-Amerikanerin mit koreanischen Wurzeln jedoch nicht ausschlagen. Ihre Performance ist nun Teil der Ausstellung "Cues on Point" im Secessionshauptraum, die am Abend eröffnet wird.

"Ich musste das machen - um vor einem großen Publikum auf unsere Bemühungen nach mehr Sichtbarkeit für Gehörlose hinzuweisen, aber auch für meine Eltern, die nach Amerika emigriert sind", sagt die 1980 in Kalifornien geborene und heute Berlin lebende Künstlerin im mittels Gebärdendolmetscher geführten Gespräch mit der APA. Ihr damaliger Auftritt ist auf Youtube nachzusehen, die Stadionatmosphäre wird per Tonspur im Ausstellungsraum nachempfindbar gemacht.

Zu sehen ist eine Videoarbeit, in der die Dolmetscherin Beth und die Umsetzung der beiden Lieder in ein Zeichensystem, das mit der amerikanischen Gebärdensprache arbeitet, aber auch eine Notation für Musik und Tanz versucht. Diese enge Kollaboration sei wie Dating, lacht die Künstlerin. Es geht um Übersetzung und Hierarchisierung, um Sprache und Sound, Körper, um Norm und Ausschluss. "Vor allem geht es um Echos. Überall sind wir von Echos umgehen", sagt Christine Sun Kim und führt die Verschiebungen zwischen ihrer Aussage und dem, was gedolmetscht beim Zuhörer ankommt ebenso ins Treffen wie ihre eigene Herkunft oder ihre Arbeit als Künstlerin.

Ein Echo von Rhythmik und Dynamik ihrer Gebärdensprache findet sich auch an den Wänden der Secession. Großformatige Wandzeichnungen lassen sich in der von Bettina Spörr kuratierten und bis 16. April laufenden Ausstellung als Übersetzung von Bewegungen dechiffrieren, Zeichnungen rekurrieren auf Infografiken, Comics und Notationssysteme. Auch bei Kresiah Mukwazhi, die im Untergeschoß ihre erste Einzelausstellung in einer österreichischen Institution zeigt, ist ein Beipacktext unerlässlich. Die 1992 in Simbabwe geboren und dort lebende Künstlerin, die ihr Land zuletzt bei der Kunstbiennale Venedig vertreten hat, beschäftigt sich kritisch mit der Lage in ihrer Heimat. Doch alleine das in der zentralen neuen Videoarbeit, das sie selbst in Verkleidung vor einem Hintergrund aus Leopardenfellmuster zeigt, benutzte System von Zeichen und Querverweisen, ist komplex. "Es gibt viele Layer und mehrere Bedeutungsebenen", erklärt Kuratorin Jeanette Pacher im Gespräch mit der APA. Mukwazhi trägt einen roten Overall und eine alle Gesichtszüge unkenntlich machende Maske, schwingt eine offenbar in Streifen geschnittene weiße Fahne - und singt die Nationalhymne ihres patriarchal geprägten Landes.

Ihre feministische Position, ihre Kritik an Ausbeutung, Ungleichheit und politischer Gewalt, kommt in den ebenfalls für Wien neu entstandenen Textilarbeiten deutlicher zum Ausdruck. Für die titelgebende Installation "Kirawa" braucht man dagegen wieder Zusatzinfos: Tradition und Spiritualität wird dabei mit aktueller Thematik aufgeladen. "Mit den Werken dieser Ausstellung möchte ich Momentaufnahmen eines imaginären sicheren Ortes schaffen, an dem wir Heilung suchen, Kämpfe austragen und Antworten finden. Ich zeige eine Gesellschaft, die in Disharmonie lebt und krank ist, weil jene, die das Leben dieser Welt in sich tragen und am Laufen halten, tagtäglich vergewaltigt und missbraucht werden. Ich frage, wer dafür verantwortlich ist. Wann wird das enden?", so die Künstlerin in einem Statement zur Ausstellung.

Im Grafischen Kabinett schließlich läuft "Loophole" von Jordan Strafer. Die in New York lebende Künstlerin hat in einem von einigen bildnerischen Arbeiten begleiteten 25-minütigen Video einen aufsehenden Vergewaltigungsprozess in den 1990ern, an dem ihre mittlerweile verstorbene Mutter als Assistentin der Verteidigung teilnahm, als Erotikthriller nachspielen lassen. Lange vor MeToo sorgte die Affäre des Verteidigers mit einer Geschworenen für Debatten. Darstellungen der Staatsgewalt sind auch hier zentraler Teil des Settings, gesungen wird ebenfalls - allerdings nicht die Nationalhymne, sondern ein Song von Frank Sinatra. "Wichtig ist ihr die Ambivalenz der Gefühle", erklärt Kurator Christian Lübbert. "Es geht um Anziehung und Ablehnung."

(S E R V I C E - "Christine Sun Kim: Cues on Point", "Kresiah Mukwazhi: Kirawa", "Jordan Strafer: Loophole", Ausstellungen in der Secession, Wien 1, Friedrichstraße 12. Eröffnung heute, Donnerstag, 19 Uhr. 17. Februar bis 16. April, Dienstag-Sonntag 10-18 Uhr, www.secession.at)

ribbon Zusammenfassung
  • Eigentlich hat Christine Sun Kim mit American Football nichts am Hut: "Es ist ein ungesunder Sport."
  • Die Einladung, im Jahr 2020 im Rahmen des Superbowl die amerikanische Nationalhymne sowie "America the Beautiful" in Gebärdensprache zu performen, konnte die gehörlose US-Amerikanerin mit koreanischen Wurzeln jedoch nicht ausschlagen.
  • Ihre Performance ist nun Teil der Ausstellung "Cues on Point" im Secessionshauptraum, die am Abend eröffnet wird.

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