APA/APA/HELMUT FOHRINGER/HELMUT FOHRINGER

Föttinger: "Josefstadt ist durch mich relativ rot geworden"

Düstere Einschätzungen der politischen Landschaft, Resignation über die Rolle von Kultur, ein Rückblick auf die von ihm seit 19 Jahren vorangetriebene inhaltliche Erneuerung des Hauses und hitzige Diskussionen über die heimische Medienlandschaft und Kulturförderung: Die Spielplanpressekonferenz 2024/25 des Theaters in der Josefstadt hatte am Mittwoch bereits Züge einer Abschiedspressekonferenz, auch wenn Direktor Herbert Föttinger noch zwei Spielzeiten bestreitet.

"Was die Zukunft von Österreich betrifft, wird es sehr dunkel werden", hob Föttinger nach einer imaginären "Schweigeminute" angesichts des Erstarkens der FPÖ bei der EU-Wahl mit Blick auf die Nationalratswahlen im Herbst zunächst zu einer umfassenden Geschichtsstunde an, in der er - angelehnt an das Stück "Leben und Sterben in Wien" - Parallelen zwischen den frühen 1930er-Jahren und dem Heute zog. "Viele sagen jetzt, wir müssen aufwachen. Ich sage, wird dürfen gar nicht mehr schlafen gehen!" Angesichts des europaweiten Rechtsrucks zeigte sich der Theaterdirektor auch resigniert, welche Rolle Theater spielen können. "Ich verstehe, dass Theater etwas bewegen wollen. Ich glaube daran nicht. Ich bin ganz sicher, dass Kunst die Realpolitik eines Landes nicht verändern kann", so Föttinger. Allerdings glaube er daran, als Theater "als moralisches Rückgrat im Land" zu fungieren und zumindest jene Menschen, die ins Theater kommen, in ihrer politischen Haltung stärken zu können.

Nach einem Rückblick auf seine Vorgänger von Otto Schenk über Hans Gratzer ("Das war eine Panne. Das hätte nicht passieren müssen.") bis zu Helmuth Lohner ("Als ich ans Haus kam, gab es einen sehr kulinarischen Spielplan") zog Föttinger - immerhin zwei Jahre vor seinem Abschied - ein Resümee seiner bisher 19 Jahre als Direktor, in der er den Spielplan mit Uraufführungen und Stücken mit gesellschaftspolitischer Relevanz angereichert habe. Von seiner Nachfolgerin oder seinem Nachfolger, der oder die laut Stiftungsrats- und Aufsichtsratsvorsitzendem Thomas Drozda "Ende Juni" präsentiert werden soll, wünsche er sich eine Fortsetzung dieses Kurses. "Es ist wichtig, ein Theater in Wien zu haben, das Haltung zeigt. Das ist mein politisches Glaubensbekenntnis." Dass er im letzten Moment doch noch eine Runde dranhängen werde, schloss er aus. "Ich werde tatsächlich aufhören!"

Als Beweis, dass gesellschaftlich relevantes, zeitgenössisches Theater durchaus gut ankomme, nannte Föttinger die drei ökonomisch erfolgreichsten Produktionen der aktuellen Saison (Turrinis "Bis nächsten Freitag", Thomas Arzts "Leben und Sterben in Wien" und "James Brown Trug Lockenwickler"). "Das ist eine unglaubliche Genugtuung für mich", so der Direktor, der die aktuelle Spaltung in der Gesellschaft auf die starke Polarisierung zurückführt und in diesem Zusammenhang auch seine Kritik am aktuellen Volkstheater-Spielzeit-Video erneuerte, in dem ein Journalist mit einer Waffe auf eine Schauspielerin zielt. "Ich fand diese Aktion einfach unterirdisch", so Föttinger, der sich nur wenige Minuten später einer Diskussion mit den anwesenden Journalisten stellen musste, nachdem er pauschal die "Kronen Zeitung" und deren Leser ("Keiner von denen geht in die Josefstadt") verurteilt hatte, wofür er sich schließlich entschuldigte.

Mit seiner politischen Haltung hielt er beim Hochhalten des roten Spielzeithefts nicht hinter den Berg: "Die Josefstadt ist durch mich relativ rot geworden", so Föttinger, der aus diesem Anlass an seinen Vater erinnerte, der ein FPÖ-Fan gewesen sei. "Er wollte nicht, dass es eine österreichische Kultur gibt. Er war deutschnational." In diesem Sinne hob er auch einige der für die kommende Spielzeit geplanten, politischen Produktionen hervor. Mit Max Frischs "Biedermann und die Brandstifter" habe er "präventiv ein Stück geplant, das ich überhaupt nicht mag", da es "so simpel" sei. Beim Wiederlesen habe er jedoch begriffen, dass es genau darum gehe: "Es ist deshalb so einfach, weil die Welt so einfach ist." Genauso "unmaskiert und frech" wie die Brandstifter agiere auch die FPÖ, genauso naiv wie Biedermann agiere die Bevölkerung, "die der FPÖ auch noch die Streichhölzer gibt". In der Hauptrolle wird Johannes Krisch zu sehen sein, Regie führt Stephanie Mohr, Premiere ist am 10. Oktober.

Mit der Uraufführung von Lisa Wentz' Stück "Azur oder die Farbe des Wassers" (Premiere am 30. Jänner 2025) kommt ein Stück über Missbrauchsfälle in einem katholischen Bubeninternat, "das uns auch Queer-Feindlichkeit zeigt", Regie führt David Bösch, mit dem die Autorin bereits am Akademietheater zusammengearbeitet hat. Als ein Opus magnum bezeichnete Föttinger schließlich ein weiteres politisch hoch relevantes Stück: Matthew López' "Das Vermächtnis", das aus zwei Teilen besteht und an den Wochenenden bereits um 15 Uhr beginnt und um 19 Uhr fortgesetzt wird, ist ein Generationendrama über das Leben homosexueller Männer während und nach der großen HIV-Epidemie. Premiere ist am 15. März. Regie führt Elmar Goerden.

Eines der Highlights in den Kammerspielen werde "Nachtland" von Marius Mayenburg (Regie: Ramin Gray), in dem eine Familie auf dem Dachboden des verstorbenen Vaters ein mit A. Hitler signiertes Bild findet und angesichts der Frage, wie mit dem Werk umgegangen werden soll ("canceln oder ökonomisch verwerten?") auseinanderdriftet. In dem Stück stellt sich laut Föttinger die Frage: "Wie gehen wir mit der Vergangenheit um, wie salonfähig machen wir die Rechten?" Ebenfalls keine leichte Kost wird die Uraufführung von Ferdinand von Schirachs "Sie sagt. Er sagt" über den Nachgang einer Vergewaltigung und die Frage, was Wahrheit bedeute. Er sei sehr froh, dass es in diesem Stück keine Abstimmung gebe, "weil man dieses Thema nicht während einer Aufführung bewerten kann". Die weiteren Stücke der Spielzeit - u.a. "Der Alpenkönig und der Menschenfeind", "Onkel Wanja" oder "Das weite Land" - "dienen auch dazu, dem Publikum Freude zu machen", so Föttinger, der die aktuelle Auslastung von 83,5 Prozent bis zum Ende seiner Direktion auf 90 Prozent heben möchte.

Die Eigendeckung beträgt laut Thomas Drozda rund 25 Prozent, das laufende Jahr werde man positiv abschließen. Eine Journalistenfrage, wie man den Umstand bewerte, gleich viel Subvention wie das Volkstheater zu bekommen, das deutlich weniger Spieltage und eine geringere Auslastung aufweist, brachte Föttinger schließlich noch einmal in Rage: "Das ist eine absolute Frechheit", so der Direktor, "Das ist einfach nicht fair und ungerecht und von Frau Kaup-Hasler (Kulturstadträtin (SPÖ), Anm.) kein guter Zug. So sehr ich sie mag, aber es ist ganz klar, dass sie ein Theater bevorzugt. Das ist das Volkstheater und nicht die bürgerliche Josefstadt. Aber Freunde, wer sagt, dass die Josefstadt bürgerlich ist, der muss ja eh schon irgendwo Lähmungen im Hirn haben. Dieses Theater ist ein absolut demokratisches, antifaschistisches Theater. Nicht so stark digital, das gebe ich zu. Wir sind noch analog, aber unsere Inhalte haben schon eine gewisse Schärfe."

Am Ende gab es schließlich noch einen Ausblick auf Föttingers letzte Spielzeit 2025/26. In der erwarten das Publikum u.a. neue Stücke von Felix Mitterer, Daniel Kehlmann und Peter Turrini (Titel: "Was für ein schönes Ende") sowie Inszenierungen von Nikolaus Habjan (hier hofft man auf den positiven Abschluss der Verhandlungen einer Koproduktion), Andrea Breth und dem ehemaligen Burgtheaterdirektor Matthias Hartmann, der zum Abschluss Thomas Bernhards "Theatermacher" inszenieren wird. Die Hauptrolle selbst wird Föttinger übernehmen. "Ich hab's ganz gern, wenn sich ein Kreis schließt." Eine ursprünglich geplante Inszenierung von Claus Peymann in den Kammerspielen wird durch eine Inszenierung von Alexandra Liedtke ersetzt. Er hoffe, dass der derzeit erkrankte Peymann dafür in seiner Abschluss-Saison inszenieren werde, so Föttinger.

(S E R V I C E - www.josefstadt.org)

ribbon Zusammenfassung
  • Herbert Föttinger, Direktor des Theaters in der Josefstadt, äußerte sich besorgt über die politische Zukunft Österreichs und zog Parallelen zu den 1930er-Jahren.
  • Föttinger betonte, dass Theater die Realpolitik eines Landes nicht verändern könne, aber als moralisches Rückgrat fungieren solle.
  • In seinen 19 Jahren als Direktor hat Föttinger den Spielplan mit gesellschaftspolitisch relevanten Stücken angereichert und plant, seine Direktion nach zwei weiteren Spielzeiten zu beenden.
  • Die aktuelle Auslastung des Theaters beträgt 83,5 Prozent, mit dem Ziel, diese auf 90 Prozent zu steigern.
  • Die kommende Spielzeit 2024/25 beinhaltet politisch relevante Stücke wie Max Frischs 'Biedermann und die Brandstifter' und Lisa Wentz' 'Azur oder die Farbe des Wassers'.