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Ehemalige Synagoge in St. Pölten in neuem Glanz

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Nach umfassender Renovierung und Adaptierung zu einem Kulturzentrum präsentiert sich die Ehemalige Synagoge in St. Pölten - ein 1913 entstandenes Jugendstiljuwel der Architekten Theodor Schreier und Viktor Postelberg - kurz vor der Wiedereröffnung in neuem Glanz und ist bei Tagen der offenen Tür von Freitag bis Sonntag bei freiem Eintritt zu besichtigen. Bis 10. November werden Ausstellungen, Konzerte und ein Vermittlungsprogramm geboten.

Die während der nationalsozialistischen Novemberpogrome 1938 schwer beschädigte Synagoge wurde 1954 von der Stadt St. Pölten an die Israelitische Kultusgemeinde Wien als Rechtsnachfolgerin der ausgelöschten jüdischen Gemeinde von St. Pölten restituiert. Das Gebäude verfiel in den folgenden Jahren zusehends, ein Abriss - wie in Krems erfolgt - konnte jedoch verhindert werden. Stadt, Land und Bund ermöglichten eine erste Restaurierung von 1980 bis 1984.

Im Rahmen des Projekts "Kultur St. Pölten 2024" wurde nach neuerlicher zweijähriger Renovierung nun auch ein neues Nutzungskonzept auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse des im ehemaligen Kantorhaus befindlichen Instituts für jüdische Geschichte Österreichs erstellt. Institutsleiterin Martha Keil hat eine anschauliche Dauerausstellung "Die Synagoge und ihre Gemeinde" auf der Frauenempore kuratiert, die nicht nur einige Objekte, Fotos und Dokumente sowie an Medienstationen u.a. Interviews mit Überlebenden enthält, sondern auch die teilweise unsensible Renovierung der 1980er-Jahre aufzeigt und im monatlichen Wechsel jeweils eines der 321 Shoah-Opfer aus St. Pölten gedenkt.

Ab 17. Mai folgt zusätzlich eine Sonderausstellung "Dinge bewegen. Gegenstände und ihre jüdischen Geschichten". Im Juni kuratiert Johann Kneihs "Jewish Weekends", ein Festival für jüdische Kultur. Auch abseits des Veranstaltungslebens soll die Ehemalige Synagoge ein "Ort der Familiengeschichte und Treffpunkt für regelmäßige Besuche" werden, hofft Keil. Das nächste Nachkommentreffen ist im September 2024 geplant. So gibt es etwa Kontakt zur Pianistin Irene Schreier Scott, 94-jährige Enkelin des 1943 in Theresienstadt umgekommenen Theodor Schreier, und deren Tochter und Enkelin.

Eine Besonderheit bildet die von Johann Moser in den Raum gesetzte Installation in Form eines Lichtstrahls. Sie entzieht sich auf den ersten Blick der eindeutigen Sinnzuordnung, durchschneidet gleichsam das harmonische Innere, erinnert dadurch einerseits an die Gewaltgeschichte des Hauses, lässt aber vielleicht auch symbolhaft eine Spur von Weiterleben aufleuchten. Unwillkürlich assoziiert man Leonard Cohens Song "Anthem": "There is a crack in everything. That's how the light gets in."

Der Nationalfonds der Republik Österreich, das Bundesdenkmalamt, das Land Niederösterreich und die Stadt St. Pölten haben zur Restaurierung und Adaptierung des Gebäudes gemeinsam 4,6 Millionen Euro akquiriert. Die baulichen Maßnahmen - u.a. neuer Eingangsbereich, barrierefreier Zugang durch Liftzubau - erfolgten durch das Architekturbüro Wolfgang Pfoser. Ein Bestandsvertrag zwischen der Israelitischen Kultusgemeinde Wien als Eigentümerin und der NÖ Museum Betriebs Gmbh regelt die langfristige Verwendung des Gebäudes.

(S E R V I C E - St. Pölten, Ehemalige Synagoge, Dr. Karl-Renner-Promenade 22, geöffnet von 19. April bis 10. November 2024. Information: Tel. 02742/908090-972, www.ehemalige-synagoge.at)

ribbon Zusammenfassung
  • Die ehemalige Synagoge in St. Pölten erstrahlt nach Renovierung als Kulturzentrum und bietet vom 19. April bis 10. November freien Eintritt für Ausstellungen und Konzerte.
  • Mit 4,6 Millionen Euro von Nationalfonds, Bundesdenkmalamt, Land Niederösterreich und Stadt finanziert, gedenkt eine Dauerausstellung auf der Frauenempore den 321 Shoah-Opfern aus St. Pölten.
  • Im Juni findet das 'Jewish Weekends' Festival statt, und ein Besucherhöhepunkt wird das Nachkommen-Treffen im September 2024 sein.