"Die letzten Tage der Menschheit" bei Salzburger Festspielen
Die Abgründe des Krieges, die zynische Verblendung der Politik und die Desinformation durch die Medien bis hin zur Gleichgültigkeit bilden das Zentrum des Werks. "Kraus war ein Feind der Vereinfachung der Sprache", betonte Wontorra. Die Sprache - auch in Form unterschiedlicher Dialekte - und deren Funktion steht deshalb auch im Mittelpunkt der Bühnenfassung, die eine Koproduktion mit dem Burgtheater Wien ist. Das Zusammenspiel von Presse und Politik, die Einwirkung von Sprache auf die Gesellschaft und die Position der Kunst seien drei zentrale Themenkomplexe, sagte die Dramaturgin. Die Auswahl der Szenen verdeutliche, wie es zu Missverständnissen komme, was daraus entstehe und wie das alles zusammenspiele, dass man am Ende glaube, Krieg sei notwendig.
Michael Maertens spielt den deutschen Gesandten Sigmund Schwarz-Gelber. "Im Grunde sind es neun oder zehn Figuren, die sich in dieser vereinen", erzählte er. Er gerate an dem Abend immer wieder in Konflikt mit den Österreichern, habe eine herablassende Art, was zu politisch interessanten Situationen führe. Für ihn sei die Produktion auch deshalb so spannend, weil man historisch so viel lerne und sehe, wie der Erste Weltkrieg noch immer das Heute beeinflusse. "Das hat wahrscheinlich für das Publikum den größten Mehrwert."
In der Rolle des Vinzenz Chramosta ist Branko Samarovski zu sehen: "Ich darf reden, wie mir der Schnabel gewachsen ist", erzählte er. Er wird vom Kriegsbefürworter zum Gegner. Kriegsberichterstatterin Alice Schalek - gespielt von Marie-Luise Stockinger - stehe für die "unheilige Allianz" der Medien im Kriegsgeschehen, sagte Stockinger. Sie liefert mit einer Kamera auch Livebilder der Protagonisten, die mit historischen Filmsequenzen verwoben werden. "Wir arbeiten multimedial", erklärte sie. "Man wird dem Text nur gerecht, wenn man ihn liest", ist Stockinger überzeugt. Vielleicht trage die Produktion auch dazu bei, dass der Text wieder mehr gelesen werde. Schließlich sei das Thema brandaktuell. "Ich bin in einer Welt groß geworden, wo Diplomatie und Völkerverständigung maßgeblich für das Zusammenleben waren", meinte die Schauspielerin. Jetzt würden viele dieser Institutionen zur Farce degradiert. "Eine Sprache, die wir längst begraben haben, zieht wieder bei uns ein."
Für die Live-Musik zeichnet Peter Fasching - Feldwebel Peter Sedlatschek - verantwortlich. Er arbeitet unter anderem mit einem Donnerblech, das auch mit dem Cellobogen gespielt werden kann. Daraus entstehe ein metallischer Klang, der für den Krieg stehe, wie er sagte. Außerdem hat er Texte von Kraus in Lieder verpackt.
(S E R V I C E: "Die letzten Tage der Menschheit - Tragödie in fünf Akten mit Vorspiel und Epilog", Salzburger Festspiele, Pernerinsel. Dusan David Parizek (Regie und Bühne), Peter Fasching (Musik), Lena Wontorra (Dramaturgie), mit Dörte Lyssewski, Michael Maertens, Branko Samarovski, Elisa Plüss, Marie-Luise Stockinger, Peter Fasching, Felix Rech, Premiere am 25. Juli, weitere Vorstellungen am 27., 29., 30. Juli und 1., 3., 5. und 6. August, www.salzburgerfestspiele.at)
Zusammenfassung
- Die Salzburger Festspiele zeigen ab 25. Juli Karl Kraus' 'Die letzten Tage der Menschheit', das in einer von Dusan David Parizek inszenierten Fassung mit sieben Schauspielern präsentiert wird.
- Das Originalwerk besteht aus mehr als 200 Szenen auf rund 1.000 Seiten und thematisiert die Abgründe des Krieges, die Rolle von Politik und Medien sowie die Macht der Sprache.
- Die Bühnenfassung ist eine Koproduktion mit dem Burgtheater Wien und wird multimedial umgesetzt, unter anderem mit Livebildern und Live-Musik, wobei die Premiere auf der Pernerinsel stattfindet und weitere Vorstellungen bis 6. August laufen.