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Burgtheater untersucht Träume und Albträume der "Troerinnen"

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Eine Gruppe von Frauen, auf sich selbst zurückgeworfen, gezeichnet vom Krieg, gefangen im Limbus: Das Setting von Euripides' "Troerinnen" könnte angesichts der Gräueltaten in der Ukraine aktueller nicht sein. Für die australische Regisseurin Adena Jacobs, die am Tag nach dem russischen Einmarsch nach Wien flog, ist es eine unvorhergesehene Koinzidenz. "Die Ereignisse wühlen uns im Team sehr auf", sagte sie im Vorfeld der Premiere (23. April) im APA-Gespräch.

Auf die Bühne bringt die 1982 geborene Regisseurin allerdings nicht ausschließlich Euripides' Original, sondern eine neu geschaffene Zusammenstellung von antiken Texten, die von Euripides über Ovid bis Seneca stammen und sich alle mit dem Mythos der Troerinnen um die zentrale Figur Hekabe beschäftigen. Etwa die Hälfte der Textfassung stammt darüber hinaus von der australischen Dramatikerin Jane M. Griffith, mit der Jacobs schon seit vielen Jahren zusammenarbeitet. Ins Deutsche übertragen - "und mit einem einheitlichen, hoch poetischen Stil" versehen - wurde der Textkorpus schließlich von der Wiener Dramatikerin Gerhild Steinbuch.

Antike Stoffe aus feministischer Sicht sind ihre Spezialität. "Auch wenn ich nach jeder Produktion sage, ich werde nun auch mal etwas anderes machen", schmunzelte sie. Schließlich sei sie von diesen "Frauenkörpern am Ende der Zivilisation" inspiriert worden und wollte ihr Innenleben nun aus weiblicher Sicht untersuchen. "Euripides war ja schließlich auch nur ein Mann, der aus der männlichen Außensicht über diese Schicksale geschrieben hat." Sie sei mehr daran interessiert, "wie sich diese Frauen in ihren Körpern und Psychen fühlen und wie sie sich ihre Zukunft vorstellen. Wir gehen ins Innere all dieser Frauen, explorieren ihre Träume und Albträume."

Im Zentrum stehen in der nunmehrigen Fassung der "Troerinnen" bekannte mythologische Figuren wie Hekabe (Sylvie Rohrer), Helena (Patrycia Ziółkowska), Andromache (Sabine Haupt) und Kassandra (Lilith Häßle), die nach dem Trojanischen Krieg vor dem Nichts stehen. Als Chorführerin steht Safira Robens auf der Bühne. "Es ist eine fragmentarischere Version, die aber näher an die Figuren herankommt", zeigte sich Jacobs überzeugt. "Über all diese Frauen gibt es Mythen, wir alle kennen diese romantisierten Werke in der bildenden Kunst, wie diese Frauen etwa geraubt werden. Aber wenn man genau darüber nachdenkt, was wirklich passiert ist, wird es ziemlich brutal." Diese Brutalität werde herausgearbeitet und benannt. "Die Sprache ist sehr politisch. Sie sind in einer Welt, in der ihnen alles genommen wurde und sie sprechen, um sich wieder zusammenzusetzen und ihre Erfahrungen zu archivieren."

Dass sie nun mit Schauspielerinnen arbeitet, deren Sprache sie nicht spricht, empfinde sie ab und zu "wie eine Glaswand". "Weil ich aber sehr intensiv an der Entstehung des Textes beteiligt war, ist es dann aber auch wieder leichter", lachte sie. Auf jeden Fall könne sie sich auf das Ensemble verlassen: "Die Schauspielerinnen jagen nach den richtigen Zwischentönen."

Bevor es jedoch an die Textfassung ging, sei Jacobs mit ihrem Team in das visuelle Konzept eingetaucht. Mit ihrer Bühnenbildnerin Eugyeene Teh arbeite sie schon seit vielen Jahren zusammen. Am Beginn jeder Produktion stehe die Bühnenästhetik. Im Fall der Troerinnen sei es darum gegangen, Nicht-Orte des Wartens, des Ausharrens zu erschaffen, die jedoch dynamisch genug seien, um das Brennglas auf einzelne Szene zu lenken. "Eugyeene hat eine inwendige, fluide Landschaft geschaffen, durch die die Geschichten der Frauen rauschen."

Die schrecklichen Bilder aus der Ukraine würden bei den "Troerinnen" wohl auch im Publikum auftauchen. "Zuerst fand ich es verstörend, das Stück in dieser Situation zu machen. Es ist schwer zu sagen, welchen Platz die Kunst in dieser Zeit einnehmen kann und soll", so Jacobs. "Denn: Was sind schon Metaphern, wenn es ganz in unserer Nähe Realität ist?"

Erfreut zeigte sie sich über die europäische Haltung zur Avantgarde am Theater: "Hier herrscht mehr Appetit auf Dinge, die die Grenzen sprengen", so ihre Diagnose. Auch sei es hierzulande weniger fragwürdig, Künstler zu sein. Um diesen Status müsse man in Australien oft mehr kämpfen. Auch mit welcher Kraft in Österreich am Wiederaufsperren der Theater nach den Lockdowns gerungen wurde, habe sie beeindruckt.

(Das Gespräch führte Sonja Harter/APA)

(S E R V I C E - "Die Troerinnen" nach Euripides mit Texten von Euripides, Ovid, Seneca und Jane M. Griffiths im Burgtheater. Deutsch von Gerhild Steinbuch, Regie: Adena Jacobs, Bühne: Eugyeene Teh, mit u.a. Sylvie Rohrer, Patrycia Ziółkowska, Sabine Haupt und Lilith Häßle. Premiere am 23. April, 20 Uhr. Weitere Termine: 29. April, 2., 12. und 15. Mai. Karten unter Tel. (01) 51444 4545 oder www.burgtheater.at)

ribbon Zusammenfassung
  • Eine Gruppe von Frauen, auf sich selbst zurückgeworfen, gezeichnet vom Krieg, gefangen im Limbus: Das Setting von Euripides' "Troerinnen" könnte angesichts der Gräueltaten in der Ukraine aktueller nicht sein.
  • Für die australische Regisseurin Adena Jacobs, die am Tag nach dem russischen Einmarsch nach Wien flog, ist es eine unvorhergesehene Koinzidenz.
  • "Die Ereignisse wühlen uns im Team sehr auf", sagte sie im Vorfeld der Premiere im APA-Gespräch.