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Birgit Birnbacher erzählt uns "Wovon wir leben"

"Wovon wir leben", der neue Roman von Birgit Birnbacher, kann als Geschichte über Gewinner und Verlierer gelesen werden. Ein Gewinner wäre Oskar, der ein Jahr bedingungsloses Grundeinkommen zugesprochen bekommen hat; eine Verliererin wäre Julia, die nach einem beinahe tödlichen Fehler als Krankenschwester entlassen wird. Doch ganz so einfach ist es bei der Salzburger Bachmann-Preisträgerin des Jahres 2019 auch diesmal nicht.

In ihrem Roman "Ich an meiner Seite", der 2020 für den Deutschen Buchpreis nominiert wurde, erzählte Birnbacher von einem Haftentlassenen, einem Therapeuten und dem harten Kampf um die Wiedereingliederung in die Gesellschaft. Sie überzeugte dabei mit hoher Zugewandtheit zu den von ihr beschriebenen Figuren und Respekt vor deren Intimsphäre. Auch in ihrem neuen Buch haben sich die Erfahrungen der Soziologin, die als Sozialarbeiterin und Behindertenpädagogin gearbeitet hat, eingeschrieben. Birnbachers Schreiben ist differenziert und empathisch.

Schauplatz ist ein Dorf, Schwarzbach, in alpiner Lage ganz offenbar südlich der Stadt Salzburg gelegen: "Alles, was ich hier sehe, kenne ich", heißt es von der Icherzählerin, die nach dem Verlust ihres Arbeitsplatzes und ihrer Dienstwohnung in ihre Heimatgemeinde zurückkehrt. "Die nassen Felsen, durch die sich Tunnel nach Tunnel bohrt, die steilen Wände, die kargen Überbleibsel von Bäumen, dürre Äste, die sich dem rauen Klima zum Trotz gen Himmel recken."

Zu Hause wird sie schon erwartet. Der kranke Vater, der offenbar von der Mutter Richtung Neuanfang im Süden verlassen wurde, sieht in der heimkehrenden Tochter, die ja ein Pflegeprofi ist, nicht nur ganz selbstverständlich die neue, kostenlose Heimhilfe. Er hat sie auch schon dem Nachbarn als Hilfskraft für eine Ziege versprochen, die dieser kürzlich beim Kartenspielen gewonnen hat, mit ihrem Geschrei aber alle verrückt macht. Julia will sich aber nicht in das ihr zugedachte, ganz "normale" Frauenschicksal fügen - und auch sonst hat Birnbacher viele unerwartete Wendungen ihrer Geschichte und unkonventionelle Details ihrer Figuren auf Lager.

Manches stinkt zum Himmel in dem Ort, in dem jeder jeden kennt, aber nicht jeder jeden mag, doch es gibt auch Hoffnung. Menschen, die in Apathie zu versinken drohen, brauchen mitunter nur einen kleinen Anstoß, eine Mischung aus Zuwendung und Solidarität, um plötzlich wieder neuen Lebensmut zu fassen; Männer, die sich sonst schon gegen Mittag im Dorfwirtshaus eingefunden haben, um sich ihre Zeit zu vertreiben, packen plötzlich mit an; und auch der Städter Oskar, der einen Herzinfarkt hinter sich hat, und die arbeitslose Julia, die (sich) nicht aufgeben will, kommen einander näher.

Wie bei allem, wird bei Birnbacher jedoch auch daraus nicht einfach eine Liebesgeschichte. Sondern ein differenziertes Hinsehen und sorgsames Beschreiben. Wovon wir leben? Wer weiß das schon? Birgit Birnbacher legt nahe: Jeder braucht ein wenig andere Überlebensmittel. Aber keiner lebt für sich allein.

(S E R V I C E - Birgit Birnbacher: "Wovon wir leben", Zsolnay Verlag, 192 Seiten, 24,70 Euro)

ribbon Zusammenfassung
  • "Wovon wir leben", der neue Roman von Birgit Birnbacher, kann als Geschichte über Gewinner und Verlierer gelesen werden.
  • Ein Gewinner wäre Oskar, der ein Jahr bedingungsloses Grundeinkommen zugesprochen bekommen hat; eine Verliererin wäre Julia, die nach einem beinahe tödlichen Fehler als Krankenschwester entlassen wird.
  • Zu Hause wird sie schon erwartet.
  • (S E R V I C E - Birgit Birnbacher: "Wovon wir leben", Zsolnay Verlag, 192 Seiten, 24,70 Euro)