APA/Galiani Berlin Verlag

Autor Tobias Roth sieht "Gegenwartsrelevanz" der Renaissance

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Um über die Renaissance der Renaissance zu sprechen, dafür ist Tobias Roth wohl der geeignetste Gesprächspartner. Der 1985 in München geborene Autor legte 2020 mit "Welt der Renaissance" ein prächtiges "Großlesebuch" vor, in dem diese Blütezeit anhand von Texten 68 damaliger Autorinnen und Autoren greifbar wurde. Diese Woche ist Roth in Österreich: für das Symposium "Das Heute der Renaissance" im KHM und die Schallaburg-Ausstellung "Renaissance einst, jetzt html5-dom-document-internal-entity1-amp-end hier".

Im Vorbereitungsteam für die Ausstellung, die am Freitag mit einem Festakt in dem Renaissanceschloss bei Melk eröffnet wird, stelle er seit über einem Jahr Überlegungen an, wie man den Schauplatz der "zauberhaft schönen Burg" als Teil der Ausstellung nutzen könne, erzählt Roth. "Da bietet sich etwa der Terrakotta-Innenhof total an, denn er transportiert viel vom Programm der Renaissance und bringt gleichzeitig Groteskes und Komisches ein. Diese Mischung finde ich in der Renaissance toll. Es wird nie langweilig", schwärmt er über diesen Übergang von Mittelalter zur Neuzeit. "Es wird viel fleischiger, viel saftiger. Der Mensch gerät in den Mittelpunkt. Der Blick senkt sich vom Himmel auf die Erde. Und gleichzeitig erfolgt die Entdeckung der Natur, das Ausgreifen in die Welt."

Bei dem von Markus Hengstschläger konzipierten und moderierten Symposium, das am Donnerstag (11. April) ab 14.30 Uhr im Bassano-Saal des Kunsthistorischen Museums (KHM) stattfindet und als gemeinsame Begleitveranstaltung der Kooperation "2024 - Jahr der Renaissance" von KHM, Schallaburg und Schloss Ambras Innsbruck fungiert, "bin ich der Beauftragte für Gegenwartsrelevanz", lacht Roth. Diese Relevanz ist hoch, ist er sich sicher, "doch zum Glück brauchen wir keine Renaissance der Renaissance, weil die Renaissance ja seither nie so weg war wie um 1300 die Antike. Die war wirklich tot und futschikato. Als sich die Energie auf die klassische Antike richtete, hat man sich auf etwas ganz Fremdes eingelassen. Dieser Bezug, der uns heute so selbstverständlich scheint, ist erst damals entstanden."

Im Gespräch mit der APA versprüht der Autor und Lyriker, der Sprach- und Literaturwissenschaften sowie Kunstgeschichte studierte, jene Begeisterung für sein Lebensthema, die er auch in seine Porträt-Bände der Renaissance-Städte Neapel (2023) und Florenz (2024) einfließen ließ (im September folgt Rom). "Es gibt Kontinuitäten, Dinge, die damals beginnen und bis heute weiterwirken", sagt Roth und nennt die Aufwertung des Künstlers gegenüber dem Handwerk, die wissenschaftliche Neugierde und die Lust am systematischen Denken beispielhaft als Dinge, die uns bis heute begleiten.

"Andererseits gibt es auch Parallelen. Etwa, dass Reiche immer reicher werden." Heutige Oligarchen hätten in den Medici ihre Vorläufer. "Auch bei den technischen Innovationen kann man sicher ein Spiegelverhältnis feststellen. Damals ist Papier aufgekommen, hat die Brille die Lebens-Lesezeit massiv verändert. Der Buchdruck hat Wissen und Wissensverbreitung demokratisiert. Unsere heutige Generation ist mit dem Aufkommen des Internets Zeugin eines nächsten umfassenden Schritts geworden. Diesen Vergleich kann man noch weiterziehen. Eines der interessantesten Bücher erschien gegen Ende der Epoche: Der Index der verbotenen Bücher. Die Reformen kamen wie immer zu spät. Also hat man versucht, Probleme mit Vorzensur zu lösen. Heute würde man sagen: Man hat einen Uploadfilter eingeführt. Wir erleben heute ganz ähnliche Versuche, doch schon damals hat man gesehen, wie schwierig es ist, ein neues Medium mit alten Maßnahmen kontrollieren zu wollen."

Gibt es etwas, was wir von der Renaissance zur Bewältigung der Krisen der heutigen Zeit lernen können? "Ich weiß nicht, ob die Renaissance Lösungsansätze für die Klimakrise bereithalten kann, da ist sie ja eher Teil des Problems. Vieles, was uns später in die heutige Lage gebracht hat, kommt ja von damals: Der Mensch im Zentrum! Damit hat sie uns ja das Ganze eingebrockt. Aber natürlich kann man nicht mehr ins Mittelalter zurück. Ideen haben keinen Rückwärtsgang. Die Aktualität der Renaissance liegt aber auch darin, was wir heute nicht haben und wir heute vielleicht mehr kultivieren müssten. So bedeutete das Studium der klassischen Antike damals ausdrücklich auch ein Studium der Menschlichkeit. Das sollten wir uns auf der Zunge zergehen lassen."

Was Tobias Roth, der viele der Renaissance-Texte erstmals ins Deutsche übertragen hat, besonders vermisst, ist die damalige "extreme Wertschätzung sprachlicher Schönheit. Die Bedeutung der Ausdrucksfähigkeit wurde hochgehalten." Dabei dürfe man freilich nicht vergessen, dass in der Renaissance der überwiegende Teil der Menschen Analphabeten waren. "Ganz viel fand in der mündliche Rede statt. Damals gab es eine große Sorgsamkeit des Sprechens. Auch heute gibt es ein Bewusstsein für die Wichtigkeit von Sprache - wie man etwa beim Thema Gendern oder in der Frage, was 'gutes Deutsch' ist, sieht." Die Schönheit des sprachlichen Ausdrucks werde dabei marginalisiert. Den Einwand, dass man heute eher durch Texte "in einfacher Sprache" versuche, Inklusion zu erreichen, lässt Tobias Roth nicht gelten: "Einfach kann auch schön sein."

(Das Gespräch führte Wolfgang Huber-Lang/APA)

(S E R V I C E - Symposium "Das Heute der Renaissance", Donnerstag, 11. April, 14.30 - 17.30 Uhr, Kunsthistorisches Museum Wien, Bassano-Saal. Mit Sabine Haag, Erwin Klissenbauer, Guido Messling, Veronika Sandbichler, Tobias Roth, Christiane Spiel, Heinz Fassmann, Clemens Pig und Lisz Hirn. Ausstellung "Renaissance einst, jetzt und hier" in der Schallaburg, 13. April - 3. November, www.schallaburg.at; "Holbein. Burgkmair. Dürer. Renaissance im Norden", Ausstellung im Kunsthistorischen Museum, bis 30. Juni; Tobias Roth: "Welt der Renaissance", Galiani Berlin, 640 Seiten, 89 Euro, ISBN: 978-3-86971-205-5; Tobias Roth: "Welt der Renaissance: Neapel. Italienische Kulturstädte, Band 1", Galiani Berlin, 208 Seiten, 22,70 Euro, ISBN: 978-3-86971-287-1; Tobias Roth: "Welt der Renaissance: Florenz. Italienische Kulturstädte, Band 2", Galiani Berlin, 208 Seiten, 22,70 Euro, ISBN: 978-3-86971-299-4)

ribbon Zusammenfassung
  • Autor Tobias Roth erkennt eine 'Gegenwartsrelevanz' der Renaissance und beteiligt sich an einem Symposium sowie einer Ausstellung in Österreich.
  • 2020 veröffentlichte Roth das Buch 'Welt der Renaissance', das die Blütezeit der Epoche anhand von Texten zeitgenössischer Autoren beleuchtet.
  • Das Symposium 'Das Heute der Renaissance' findet am 11. April im Kunsthistorischen Museum Wien statt, Roth ist für die Gegenwartsrelevanz zuständig.
  • Die Schallaburg-Ausstellung 'Renaissance einst, jetzt und hier' wird am Freitag eröffnet und zeigt die Renaissance als lebendige Epoche.
  • Roth, der auch Porträt-Bände zu Neapel und Florenz verfasste, betont die langfristigen Auswirkungen der Renaissance und die Bedeutung der Sprache.