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Austro-Forscher fanden einzigartiges Gräberfeld in Bosnien

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Bronze- und eisenzeitlichen Bestattungsriten sind Archäologen in Bosnien-Herzegowina auf die Spur gekommen. Am Fundplatz Kopilo entdeckte ein österreichisch-bosnisches Forscherteam das bisher "erste und einzige" Gräberfeld der Region aus dieser Zeit. Anders als im Rest Europas wurden Tote hier bestattet und nicht verbrannt, erzählte Grabungsleiter Mario Gavranovic im APA-Gespräch. Die Skelette sollen nun Aufschluss über Ernährung, Krankheiten und Migrationsprozesse geben.

Gräber seien - etwa in Form von Zufallsfunden bei Bauarbeiten - auch schon früher entdeckt worden, berichtete Gavranovic. Mit einem Team des Österreichischen Archäologischen Instituts der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und bosnischen Archäologen untersuchte er seit 2019 die Höhensiedlung von Kopilo. Eine archäologische Dokumentation der Funde sowie menschliche Überreste aus der Zeit habe es bisher nicht gegeben.

Über die Siedlung und ihre Bevölkerung sei jedoch einiges bekannt: Sie hätte Viehzucht, Ackerbau, Metallurgie und Handwerk betrieben und sich - das zeigt die etwa 1000-jährige Besiedlung des Ortes von etwa 1300 vor Christus bis zur Ankunft der Römer - gut an Veränderungen anpassen können. Aber: "Wie die Gräber ausgesehen haben, welche Bestattungspraktiken vorhanden waren und wo sich die Gräberfelder befanden, wusste man nicht", erklärte Gavranovic. 2021 sollte sich das ändern, wurde in unmittelbarer Nähe der Siedlung Kopilo, rund 70 Kilometer westlich von Sarajevo gelegen, doch die Nekropole entdeckt. Diese aufzuspüren sei - so der Grabungsleiter - kein allzu leichtes Unterfangen gewesen: Äußerliche Anzeichen habe es kaum gegeben, da sei "nur eine Wiese" gewesen. An der Oberfläche habe man jedoch menschliche Knochen gefunden, die die Archäologen dazu veranlassten, genauer hinzusehen.

In der Nekropole, die vom 11. bis ins 5. Jahrhundert vor Christus genutzt wurde, fand man nun 46 Gräber und 53 Individuen aller Altersstufen. Meist fanden sich zwei bis fünf Gräber innerhalb einer runden Steinkonstruktion. Bestattet wurden die Toten in einer seitlichen Lage mit leicht angewinkelten Beinen und Armen. Auch Grabbeigaben - oft ein kleines Gefäß, das neben dem Kopf platziert wurde - wurden entdeckt.

Gefunden wurden außerdem Schmuck - etwa Fibel-Formen, die nur hier vorkamen -, Eisenwaffen und Glasperlen. Eisenmetallurgie habe in der Siedlung schon im 9. und 8. Jahrhundert vor Christus stattgefunden - "relativ früh für diesen Raum". Überrascht zeigte sich der Grabungsleiter von einigen Anhängern, die man bisher nur aus Griechenland und dem Ostbalkan kannte. Das sei Zeugnis von Kommunikation und Handel mit fernen Gebieten. Obwohl die Bestattungsriten der Menschen von der damalig vorherrschenden Urnenfelderkultur unberührt blieben, dürfe man sich "keine isolierte Gesellschaft vorstellen".

"Spuren von Knochenmanipulationen in den Gräbern" würden zeigen, dass die Gräber später wieder geöffnet wurden - möglicherweise, um weitere Tote in ein Grab zu legen, denn es fanden auch doppelte und dreifache Bestattungen statt. Zwei Gräber belegen die "sekundäre Bestattung" - Leichname wurden nicht sofort nach dem Tod begraben, sondern erst nach ihrer Verwesung. Kinderskelette waren überproportional häufig vertreten, Gavranovic führt das auf eine hohe Sterblichkeitsrate zurück. Gleichzeitig werde durch eigene Kindergräber deutlich, dass auch junge Menschen als wertvolle Mitglieder der Gemeinschaft angesehen wurden. Am Gräberfeld seien auch Rituale oder Versammlungen abgehalten worden. Der Archäologe spricht von "sehr, sehr komplexen Bestattungsriten" und einer "engen Beziehung der Gemeinschaft zu den Toten".

2022 wurden die gesamte Terrasse der Nekropole freigelegt, erforscht und dokumentiert. Derzeit sind dort keine Grabungen mehr geplant, dafür soll in Wien und Sarajevo weiter an den Funden geforscht werden. Gavranovic und sein Team wollen nun ein vierjähriges Forschungsprojekt beantragen, um aus den Skelettfunden und den Beigaben aus den Gräbern auf die damalige Gesellschaft zu schließen. Mehrere naturwissenschaftliche Analysen sind geplant. Die Untersuchungen sollen über Verwandtschaftsbeziehungen zwischen gemeinsam begrabenen Menschen, über die Herkunft der Individuen und deren Ernährung sowie über die Herkunft der Rohmaterialien von Metall-Gegenständen Aufschluss geben.

ribbon Zusammenfassung
  • Bronze- und eisenzeitlichen Bestattungsriten sind Archäologen in Bosnien-Herzegowina auf die Spur gekommen.
  • Am Fundplatz Kopilo entdeckte ein österreichisch-bosnisches Forscherteam das bisher "erste und einzige" Gräberfeld der Region aus dieser Zeit.
  • Anders als im Rest Europas wurden Tote hier bestattet und nicht verbrannt, erzählte Grabungsleiter Mario Gavranovic im APA-Gespräch.

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