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Anthony Hopkins schreibt in Memoiren über seine Schwächen

Heute, 07:48 · Lesedauer 5 min

Anthony Hopkins zieht mit 87 Jahren Bilanz und beschönigt dabei nichts. Freimütig bekennt sich der zweifache Oscar-Preisträger in seiner Autobiografie "We Did Ok, Kid" zu Schwächen und Tiefpunkten in seinem Leben. Alkohol spielte lange Zeit eine Rolle, das Trinken aufzugeben zog sich über Jahre hin. Der Wendepunkt kam vor knapp 50 Jahren.

An einem Samstagabend sei er betrunken im Blackout durch Beverly Hills gefahren. "Ich hätte jemanden umbringen können. Ich hätte eine ganze Familie auslöschen können", schreibt Hopkins. Als er wieder nüchtern war, habe er eine Stimme gehört, die ihn fragte: "Willst du leben oder sterben?". Um 11 Uhr am 29. Dezember 1975 habe er den Alkohol aufgegeben und seinem Agenten erklärt, er sei Alkoholiker, er brauche Hilfe. Noch heute würde er zu Treffen der Selbsthilfegruppe der Anonymen Alkoholiker gehen.

Hopkins schreibt auch über die Entfremdung von seinem einzigen Kind, Tochter Abigail, aus seiner kurzlebigen ersten Ehe mit der Schauspielerin Petronella Barker. Er verließ die Familie im Herbst 1969, ein gutes Jahr nach der Geburt des Mädchens. Sein Trinken und seine Depressionen hätten die Ehe mit zum Scheitern gebracht, schreibt der Schauspieler. Es sei "der traurigste Teil" seines Lebens und das, was er am allermeisten bedaure, dass er damals keinen Kontakt hielt. Er habe später vergeblich versucht, seine Tochter zurückzugewinnen. "Es wird mir immer leidtun, dass ich sie verletzt habe".

In über 380 Seiten schaut Hopkins auf sein bewegtes Leben zurück, von seiner Kindheit als Sohn eines Bäckers in Wales bis zum Alterssitz in Kalifornien. Es ist eine spannende, berührende Lektüre, dank der tief persönlichen Reflexion des ergrauten Hollywood-Stars.

Zu einem Foto von sich als Dreijähriger mit seinem Vater an einem Strand in Wales schreibt Hopkins, dass er diesem kleinen Buben sagen möchte: "We did okay, kid" (Das haben wir gut gemacht, Bub). Zugleich räumt der Star ein, dass ihn das "eigenartige Gefühl des Verlorenseins oder Nichtklarkommens" ein Leben lang begleitet habe.

"Hoffnungsloser Fall"

Er sei ein Einzelgänger gewesen, unbeliebt bei Mitschülern, zudem ein schlechter Schüler. Sogar seine Eltern hätten ihn damals für einen "hoffnungslosen Fall" gehalten, doch er wollte ihnen das Gegenteil beweisen.

Als "überirdische Erfahrung" beschreibt Hopkins eine Filmvorführung an seiner Schule von "Hamlet" (1948) mit Laurence Olivier in der Hauptrolle. Das weckte seine Begeisterung für Shakespeare und die Schauspielerei. Mit 17 Jahren erhält er ein Stipendium in Wales, dann studiert er an der Royal Academy of Dramatic Art in London. Am Theater erwarb er sich den Ruf eines Charakterdarstellers - allein als "King Lear" stand er zahllose Male auf der Bühne. Die erste Filmrolle hat er 1968 in "Der Löwe im Winter" als der junge Richard Löwenherz an der Seite von Katharine Hepburn und Peter O"Toole.

Der Weg nach Hollywood

Für Dreharbeiten mit Goldie Hawn in "Das Mädchen von Petrovka" (1974) kam Hopkins erstmals nach Hollywood. "Ich war im Paradies", beschreibt er seine Begeisterung für "die strahlende Sonne und den ganzen Wahnsinn dort". Mit seiner Arzt-Rolle in David Lynchs Schwarzweiß-Drama "Der Elefantenmensch" (1980) fasst der Brite in Hollywood weiter Fuß.

"Ist das ein Kinderfilm?", habe er seinen Agenten gefragt, als ein Angebot für "Das Schweigen der Lämmer" bei ihm eintraf, schreibt Hopkins. Dann habe er das Drehbuch gelesen und gleich gewusst: "Diese Rolle wird mein Leben verändern". Gerade einmal 16 Minuten ist er in dem Psychothriller von Regisseur Jonathan Demme auf der Leinwand zu sehen, doch das reichte.

Das Duell zwischen dem psychopathischen Hannibal Lecter und der standfesten FBI-Agentin Clarice Starling (Jodie Foster) schrieb Filmgeschichte. Hopkins holte mit der Grusel-Rolle 1992 den Oscar als bester Hauptdarsteller. Sein Erfolgsrezept: Er habe Lecter nicht als Monster, sondern entgegen allen Erwartungen als stillen, höflichen Mann gespielt.

Die Rolle des pflichtbewussten Butlers in dem Drama "Was vom Tage übrig blieb" (1993) bringt ihm eine weitere Oscar-Nominierung ein, ebenso die Darstellung des US-Präsidenten in Oliver Stones "Nixon" (1995) und seine Nebenrolle in Steven Spielbergs Historiendrama "Amistad" (1997). Bei der Oscarverleihung 2020 war er für eine Nebenrolle in "Die zwei Päpste" nominiert.

Die zweite Ehe scheitert

Nur beruflich läuft es bestens. Nach 25 gemeinsamen Jahren platzt seine zweite Ehe mit der Britin Jennifer Lynton. Er habe die Beziehung vermasselt, bekennt Hopkins in seinen Memoiren, auch durch Seitensprünge. "Ich hätte ein besserer Mann sein können, aber ich war es nicht".

Erst seine dritte Ehefrau habe es geschafft, seinen "Rhinozeros-Panzer" zu knacken und ihn aus seiner Einsamkeit herauszuholen, schreibt der Schauspieler. Die Widmung in seinem Buch - "In Liebe für Stella" - ist an die gebürtige Kolumbianerin Stella Arroyave gerichtet. 2003 gab er der Antiquitätenhändlerin in Kalifornien das Ja-Wort. Sie habe ihm auch dabei geholfen, seine alte Leidenschaft fürs Malen neu zu entdecken und den Dialog mit jungen Schauspielern zu suchen, um ihnen Tipps zu geben.

Zweiter Oscar im hohen Alter

Diese Begegnungen hätten ihm selbst geholfen, verbliebene Bitterkeit und Wut abzulegen und mehr Emotionen zu zeigen, resümiert Hopkins. Seinen zweiten Oscar schreibt er dieser Erfahrung zu.

Er habe die Rolle des demenzkranken Mannes in "The Father" in ihrer ganzen Verletzlichkeit nur spielen können, weil die Studenten ihm beigebracht hätten, sich stärker zu öffnen. Hopkins brillierte in dem Drama als stolzer, störrischer Mann, der zusehends seiner Demenz verfällt. Im April 2021 holte er mit 83 Jahren seinen zweiten Oscar als bester Hauptdarsteller. Nie zuvor hatte ein zum Zeitpunkt der Auszeichnung älterer Schauspieler diesen Preis gewonnen.

(S E R V I C E - Anthony Hopkins: "We Did Ok, Kid - Die Autobiografie", übersetzt von Conny Lösch, Goldmann Verlag, 384 Seiten, 27,50 Euro)

Zusammenfassung
  • Anthony Hopkins blickt in seiner neuen Autobiografie "We Did Ok, Kid" mit 87 Jahren schonungslos auf sein Leben und bekennt sich offen zu Alkoholproblemen und persönlichen Schwächen.
  • Der Wendepunkt kam am 29. Dezember 1975, als er nach einem Blackout den Alkohol aufgab und seitdem regelmäßig Treffen der Anonymen Alkoholiker besucht.
  • Hopkins beschreibt die Entfremdung von seiner Tochter Abigail aus erster Ehe als "traurigsten Teil" seines Lebens und betont, dass er es am meisten bereut, keinen Kontakt gehalten zu haben.
  • Seine Karriere führte ihn vom Einzelgänger und schlechten Schüler in Wales bis zum gefeierten Hollywood-Star und zweifachen Oscar-Preisträger, darunter 2021 als ältester Hauptdarsteller mit 83 Jahren für "The Father".
  • Erst mit seiner dritten Ehefrau Stella Arroyave fand Hopkins emotionale Stabilität und neue Inspiration, was er als entscheidend für seine spätere Offenheit und seinen zweiten Oscar sieht.