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Album von Mariah Carey: "Ich weiß, dass ich üben sollte"

Heute, 08:31 · Lesedauer 5 min

Es ist ein sonniger Tag in London. Aus dem Fenster der riesigen Hotelsuite hat man einen wunderbaren Blick auf die Themse, die Golden-Jubilee-Brücken und das Riesenrad London Eye. Doch als Mariah Carey in einem edlen Seidenpyjama den Raum betritt, lässt sie zuerst die Vorhänge zuziehen.

Eigentlich hatte die Sängerin shoppen gehen wollen, wie sie unumwunden zugibt. Doch ihr Manager erklärt, dass ein terminliches Missverständnis vorliegt. Carey seufzt kurz, dann sagt sie freundlich Hallo und macht es sich auf einem luxuriösen Sofa bequem, um über ihr neues Album "Here For It All" zu sprechen.

Es ist ihr erstes Studioalbum seit "Caution", das 2018 erschien. "Es hat lange gedauert", räumt die 56-Jährige im Interview der Deutschen Presse-Agentur ein. "Ich habe sehr hart daran gearbeitet. Um all das Zeug zu verarbeiten, habe ich eine ganze Reihe von Songs geschrieben - und daraus ist mein brandneues Album geworden."

Wenn Carey "all das Zeug" sagt, dann meint sie die schweren Zeiten, die hinter ihr liegen. Obwohl sie es nicht explizit benennt, ist klar, welche privaten Rückschläge gemeint sind. 2023 zerbrach ihre langjährige Liaison mit Bryan Tanaka. 2024 starben ihre Mutter Patricia und ihre Schwester Alison am selben Tag.

"So I weathered the storms that most can't handle, suprisingly I'm alive to stand up" ("Ich habe Stürme überstanden, die andere nicht ausgehalten hätten, überraschenderweise lebe ich noch und stehe aufrecht"), singt sie kämpferisch in der Ballade "Nothing Is Impossible". "I will not break, I won't be broken." ("Ich werde nicht zerbrechen, ich lasse mich nicht brechen.")

Carey findet sich "ziemlich romantisch"

Doch "Here For It All" enthält auch ganz andere Songs, etwa die beatlastige Leadsingle "Type Dangerous", in der Carey über Männer singt, die nicht das sind, was sie vorgeben zu sein. "I like 'em dangerous" ("Ich mag sie gefährlich"), singt sie im Refrain, der durchaus mit einem Augenzwinkern zu verstehen ist. "Was denken wir uns dabei?", sagt sie und lacht. "Wir suchen nach einem Typen, der etwas Gefährliches an sich hat."

Medienberichten zufolge, soll sie mit dem Musiker Anderson Paak (Silk Sonic) liiert sein. Auf dem neuen Album singen die beiden das Duett "Play This Song". Die geschmeidige Soulballade zählt zu den besten Songs der Platte. Zu ihrem Privatleben äußert sich die Sängerin nicht. "Ich finde, ich bin ziemlich romantisch", verrät sie aber. Eine weitere wunderbare Retro-Soulballade mit Wohlfühl-Atmosphäre ist "In Your Feelings".

"Ich weiß, dass ich üben sollte"

Ganz so akrobatisch wie früher singt Mariah Carey inzwischen nicht mehr. Das sogenannte Pfeifregister, die Töne oberhalb der Kopf- und Falsettstimme, bedient sie auf "Here For At All" kaum. Doch der Klang ihrer Stimme hat sich kaum verändert und ist unverkennbar. "Es ist nicht so, dass ich nicht üben müsste", sagt die Popdiva und grinst. "Ich sage mir das selbst. Ich weiß, dass ich üben sollte, also mache ich es auch."

Nicht immer funktioniere das, berichtet sie. "Manchmal kommt es einfach von selbst – und manchmal muss man warten und sich fragen: Wo ist meine Stimme? Wenn ich Honig und Zitrone trinke, dann kommt sie schon wieder. Es gibt einige Dinge, die man machen kann, und andere, die man besser lässt. Ich hoffe, dass ich die richtigen Dinge tue."

Diva? - "Das ist sogar ein Kompliment"

Als Künstlerin fühle sie sich frei - jedenfalls meistens. "Manchmal verspüre ich Druck", sagt sie. "Wenn ich gern etwas machen möchte, und dann müssen wir arbeiten. So wie vorhin, bevor ich hier reingekommen bin. Ich wollte eigentlich shoppen gehen, was ich sonst eigentlich nie mache. Ich gehe wirklich fast nie shoppen. Aber heute wollte ich es." Sie lacht verlegen.

Wie denkt sie über den Begriff Diva? "Die Leute können mich gern eine Diva nennen. Das ist großartig. Das ist sogar ein Kompliment", sagt sie. "Meine Mutter war Opernsängerin – eine echte Diva – und sie sang schon in jungen Jahren an einem New Yorker Theater. Und sie hat mir beigebracht, was es heißt, eine Diva zu sein. In der Opernwelt war das Wort Diva nichts Negatives. Es war eher ein Ausdruck für Stärke, Ausstrahlung oder eine besondere Präsenz. Es ist, was es ist."

Balladen bleiben Careys Spezialität

Nach zahlreichen Hitalben, rund 220 Millionen verkauften Platten, fünf Grammys und 34 Nominierungen muss Carey nichts mehr beweisen. Doch die Sängerin ist spürbar voller Vorfreude angesichts der Veröffentlichung. "Nichts wird für mich zur Gewohnheit", stellt sie klar. "Ich bin immer dankbar für alles, was ich erlebe und was ich bekomme."

Mit "Here For It All" präsentiert die 56-Jährige, die kürzlich bei ein paar Konzerten in Großbritannien Fans und Kritiker begeisterte, ein solides 16. Album. Während die modernen R&B-Nummern ("Mi","Sugar Sweet" oder "Confetti & Champagne") eher gefällig klingen, zeigt Mariah Carey ihre wahre Klasse in den sanften Soulstücken ("Play This Song","In Your Feelings") und den großen Balladen ("My Love", "Here For It All"), die seit Beginn ihrer Karriere ihre Spezialität sind.

Zusammenfassung
  • Mariah Carey bringt mit 56 Jahren ihr erstes Studioalbum seit 2018 heraus, das den Titel "Here For It All" trägt.
  • Das Album entstand nach schweren persönlichen Verlusten, darunter das Ende ihrer Beziehung 2023 und der Tod ihrer Mutter und Schwester 2024.
  • Carey gibt offen zu, dass sie ihre Stimme heute anders nutzt und das berühmte Pfeifregister kaum noch einsetzt.
  • Mit etwa 220 Millionen verkauften Platten, fünf Grammys und 34 Nominierungen bleibt sie dennoch dankbar und voller Vorfreude auf neue Musik.
  • Balladen und sanfte Soulstücke wie das Duett mit Anderson Paak gelten weiterhin als Careys musikalische Spezialität.