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Zivilrechtsklage in Causa Ischgl abgewiesen

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Die Zivilrechtsklage in der Causa Ischgl wurde abgewiesen. Konkret handelte es sich bei den abgewiesenen Klagen um zwei Schadenersatzforderungen gegen die Republik Österreich.

Die Causa Ischgl wird nicht nur strafrechtlich vermutlich keine Konsequenzen haben, auch auf zivilrechtlichem Wege wurden die ersten Amtshaftungsklagen vom Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien abgewiesen. In zwei Fällen erging nun diese Entscheidung, teilte das Gericht am Mittwoch mit. Aus dem Epidemiegesetz könne keine Rechtspflicht gegenüber einzelnen Personen abgeleitet werden, hieß es. Der Verbraucherschutzverein (VSV) sprach von einem "Justizskandal".

"Einzelpersonen haben kein Recht darauf, vom Staat vor Ansteckung geschützt zu werden, auch wenn das gebotene Handeln der Behörden die Ansteckungsgefahr insgesamt und daher auch für den Einzelnen reduzieren soll", begründete die Richterin ihre Entscheidung. Vielmehr würden Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie die "Allgemeinheit" betreffen" - nicht Einzelpersonen. Der Republik sei in den "hier relevanten Zeiträumen weder ein schuldhaftes noch ein rechtswidriges Verhalten anzulasten", hieß es weiter. Die klagenden Parteien haben nun die Möglichkeit beim Oberlandesgericht Wien in Berufung zu gehen.

Verbraucherschutzverein brachte Klage ein

Konkret handelte es sich bei den abgewiesenen Klagen um zwei Schadenersatzforderungen. Ein deutscher Tourist, der sich im März 2020 in Ischgl aufgehalten hatte, steckte sich dort mit dem Coronavirus an und musste für mehrere Wochen ins Krankenhaus. Er forderte rund 90.000 Euro. Bei dem zweiten Fall handelte es sich um eine Frau, die sich zur selben Zeit in dem Tiroler Wintersportort aufgehalten hatte und rund 10.000 Euro Schadenersatz verlangte. Urteile über den ersten Verhandlungstag, bei dem rund 100.000 Euro gefordert wurden, lagen noch nicht vor.

Der Verbraucherschutzverein (VSV) hatte im Namen der Opfer Klage eingereicht und bezeichnete die nunmehrigen Entscheidungen als "Skandalurteile" gegen die man Berufung erheben wolle. VSV-Obmann Peter Kolba kritisierte in einer Stellungnahme scharf, dass die Richterin keine Zeugen hörte und auf die "vorgebrachten Rechtsgrundlagen" nicht eingegangen sei. Nach Rechtsmeinung des VSV, der auch ein Rechtsgutachten vorgelegt hatte, ist die Ansicht des Gerichts, dass das Epidemiegesetz die Allgemeinheit und nicht Einzelpersonen schütze, nicht rechtens. "Wir werden es nicht zulassen, dass über die massiven Behördenfehler in Ischgl im Jahr 2020 der Mantel des Schweigens gebreitet wird", so Kolba.

Das Gericht argumentierte laut VSV, dass sich nicht mit "erforderlicher Sicherheit" feststellen lasse, dass am 1. März 2020 15 isländische Ischgl-Urlaubsrückkehrer in ihrer Heimat positiv getestet worden seien. Diese Meldungen seien aber über das Europäische Warnsystem der Gesundheitsbehörden (EWRS) dokumentiert. "Es ist völlig absurd, Zeugenbeweise abzulehnen und dann im Akt erliegenden Urkunden nicht zu trauen", meinte Kolba.

Strafrechtliche Ermittlungen ebenfalls eingestellt

Weiters gehe das Gericht davon aus, dass "nur aufgrund einer Hören-Sagen-Meldung einer isländischen Reiseleiterin", die Behörden annehmen durften, dass sich die isländischen Touristen am Rückflug und nicht in Ischgl angesteckt hätten. Das Land Tirol teilte am 5. März in einer Presseaussendung mit, dass Touristen aus Island im Flugzeug und nicht in Tirol angesteckt wurden, nachdem ein weiterer infizierter Fluggast an Bord gewesen war. Kolba kritisierte, dass im Urteil nicht auf die "verspätete Schließung von Lokalen" eingegangen wurde und "kein Wort zu verspätet kundgemachten Verordnungen und insbesondere kein Wort zu dem Abreisechaos am 13. März 2020" verloren wurde. Er beurteilte das Urteil als "dürftig begründet" und "vollkommen einseitig".

Der VSV reichte bisher rund 50 zivilrechtliche Klagen auf Schadenersatz ein. Lockdown-bedingt wurden mündliche Verhandlungen verschoben. Die nächste soll am 13. Dezember 2021 stattfinden.

Erst vergangene Woche stellte die Innsbrucker Staatsanwaltschaft die strafrechtlichen Ermittlungen in der Causa Ischgl ein. Es wurde gegen fünf Personen - u.a. gegen den Tiroler Landesamtsdirektor Herbert Forster und den Ischgler Bürgermeister Werner Kurz - ermittelt. Auf Basis eines 15.000 Seiten umfassenden Aktes konnten aber keine Beweise dafür gefunden werden, "dass jemand schuldhaft etwas getan oder unterlassen hätte, das zu einer Erhöhung der Ansteckungsgefahr geführt hätte", so die Staatsanwaltschaft. Der VSV kündigte an, einen Fortführungsantrag einbringen zu wollen.

In dem Tiroler Wintersportort Ischgl war es zu Beginn der Pandemie zu einem größeren Ausbruch des Coronavirus SARS-CoV-2 gekommen. Die ersten Fälle wurden Anfang März 2020 bekannt, die Ansteckungen sollen vor allem in Apres-Ski-Lokalen passiert sein. Den Behörden war vorgeworfen worden, zu spät und nicht umfassend genug reagiert zu haben. Ein bereits präsentierter Expertenbericht sah kein Versagen, aber Fehleinschätzungen der Behörden. Druck aus der Tourismuswirtschaft auf Entscheidungsträger wurde nicht festgestellt.

ribbon Zusammenfassung
  • Die Causa Ischgl wird nicht nur strafrechtlich keine Konsequenzen haben, auch auf zivilrechtlichem Wege wurden die ersten Klagen vom Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien abgewiesen.
  • In zwei Fällen erging nun diese Entscheidung, teilte das Gericht am Mittwoch mit. Aus dem Epidemiegesetz könne keine Rechtspflicht gegenüber einzelnen Personen abgeleitet werden, hieß es.
  • "Einzelpersonen haben kein Recht darauf, vom Staat vor Ansteckung geschützt zu werden, auch wenn das gebotene Handeln der Behörden die Ansteckungsgefahr insgesamt und daher auch für den Einzelnen reduzieren soll", so die Richterin.
  • Der Republik sei in den "hier relevanten Zeiträumen weder ein schuldhaftes noch ein rechtswidriges Verhalten anzulasten", hieß es weiter.
  • Die klagenden Parteien haben nun die Möglichkeit beim Oberlandesgericht Wien in Berufung zu gehen.

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