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Wiener Spitalsschließung wegen großer Brandschutz-Mängel

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Das Traumazentrum Wien-Brigittenau - das ehemalige Lorenz-Böhler-Spital - muss geschlossen und saniert werden. Als Grund wurden bau- und brandschutztechnische Maßnahmen genannt. Der Sachverständige Erich Kern, der das entsprechende Gutachten verfasst hat, erläuterte am Dienstag im Ö1-"Morgenjournal", dass eine rasche Schließung nötig ist, weil die Mängel beim Brandschutz groß seien. Die AUVA sagte, es gebe nun "keine Zeit für Schuldzuweisungen oder andere Scharmützel".

Die groben Mängel seien laut Kern Ende Jänner bzw. Anfang Februar festgestellt worden. In dieser Form seien die Probleme zuvor nicht bekannt gewesen. Die Situation stelle ein Risiko dar, das man nicht eingehen könne. Inzwischen sei klar, dass es keine Alternativen für eine vorübergehende Schließung gebe: "Seit einer Woche wissen wir, dass der Mangel nicht zu kompensieren ist."

Die AUVA reagierte am Dienstag und versicherte, dass durch das Beistellen eines Feuerwehrzuges alle Personen, die sich noch im Gebäude befinden, bis zur endgültigen Absiedelung in "höchstmöglicher Sicherheit" seien. "Die Verlagerung des Betriebs ist im Sinne der Sicherheit von Leib und Leben alternativlos." Das von Kern und seinem Team im Februar übermittelte Gutachten habe das wahre Ausmaß der brandschutztechnischen Defizite offengelegt. Die AUVA führt die groben Mängel auf Versäumnisse bei Baumaßnahmen vor über 30 Jahren zurück. Laut AUVA habe diese Entwicklung ein rasches Handeln unabdingbar gemacht.

"Wir als AUVA stehen dazu, dass wir niemanden im Stich lassen, der unsere medizinische Versorgung benötigt. Alle geplanten und akuten Operationen sowie notwendige Therapien werden an den alternativen Standorten durchgeführt werden", hieß es in der Aussendung der AUVA.

Aufgetaucht war das Problem laut Kern im vergangenen Sommer. Dabei wurde bei Untersuchungen der Substanz des mehr als 50 Jahre alten Gebäudes festgestellt, dass der bestehende Feuerwiderstand der Stahlkonstruktion 30 Minuten beträgt. Feuerwehr und Behörden würden aber einen Widerstand von 90 Minuten für notwendig halten.

Um die Diskrepanz auszugleichen, sei ein Sicherheitskonzept erarbeitet worden. Dieses habe auch Evakuierungspläne vorgesehen. Kern sollte dieses Konzept laut eigenen Angaben überprüfen - und stellte im Zuge seiner Begutachtung prompt ein weiteres Problem fest. Die Schichtdicke der Brandschutzbeschichtung sei nicht ausreichend gewesen. Möglicherweise betrage der Feuerwiderstand dadurch nicht einmal 30 Minuten, erklärte Kern.

Für die Absiedlung sei nach Gesprächen mit den Behörden nun eine Frist von einem Monat eingeräumt worden. In dieser Zeit hält die Berufsfeuerwehr Wien beim Spital Bereitschaft. Die stationären Leistungen werden während er Schließung im AUVA-Traumazentrum Meidling und im AKH Wien erbracht. Eine Erstuntersuchungsambulanz für selbstkommende Patientinnen und Patienten soll in der Brigittenau bestehen bleiben.

Laut AUVA liefen zudem Gespräche mit der Stadt Wien, um weitere Kapazitäten zu sichern. "Und selbstverständlich ist keine Streichung von Stellen geplant, weder im ärztlichen, therapeutischen und pflegerischen Dienst, noch in sonstigen Bereichen des Hauses."

Die nächsten Schritte sollen die Sicherung des laufenden Betriebs gewährleisten. Zudem sollen noch offene Fragen hinsichtlich der medizinischen Versorgung im Haus und an den ausgelagerten Standorten geklärt werden. Die Mittelfristplanung bis Ende 2024 soll bis Mitte März stehen. Außerdem soll die endgültige Absiedelung des aktuellen Standortes bis Anfang April 2024 finalisiert werden. Anfang 2025 soll die Wiederaufnahme des Betriebs in Brigittenau als Übergangslösung stattfinden. Als letzten Punkt nennt die AUVA die Fertigstellung und den Bezug des Forschungs-, Wirtschafts- und Gesundheitscampus Brigittenau bis 2030.

Die AUVA wolle laut eigener Aussage rechtzeitig über alle bevorstehenden Schritte informieren, gesteht aber Fehler ein. "Aufgrund der Dynamik der vergangenen Tage und diverser Fehlinformationen ist uns das nicht immer so gelungen, wie wir uns das vorstellen. Das bedauern wir ausdrücklich und werden künftig alle notwendigen Schritte setzen, um eine zeitnahe Kommunikation der weiteren Pläne an alle unsere Partner sicherzustellen."

Noch am Dienstag sollten die nächsten Gespräche mit dem Zentralbetriebsrat der AUVA sowie den Betriebsräten an Ort und Stelle stattfinden. Neben der Planung für die Zukunft sollen auch "allfällige Fehler" im Anschluss aufgearbeitet werden. "Bis dahin bitten wir um Ihr Verständnis, dass wir keine Zeit für Schuldzuweisungen oder andere Scharmützel haben."

Noch scheint ein möglicher Konsens aber nicht in Sichtweite: Am Nachmittag wurde bekräftigt, dass eine angekündigte Protestkundgebung stattfinden soll. Ab 8.30 Uhr will sich die Belegschaft am morgigen Mittwoch vor dem Krankenhaus versammeln, wie der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende, der Unfallchirurg Heinz Brenner, im APA-Gespräch am Dienstag erläuterte.

Die Demonstration ist durchaus prominent besetzt, angekündigt wurden Reden der GPA-Vorsitzenden Barbara Teiber sowie vom Wiener Ärztekammerpräsidenten Johannes Steinhart. Laut Brenner ändert der Umstand, dass der beauftragte Brandschutz-Gutachter eine rasche Schließung als unabdingbar sieht, nichts an den Plänen. Man wolle die Versammlung jedenfalls abhalten.

Denn Kern habe noch Anfang der Woche dem Personal erläutert, dass eine Sanierung bei laufendem Betrieb sehr wohl möglich sei. Brenner forderte die Einholung einer zweiten Meinung - also eines weiteren Gutachtens. Sollte dieses auch zu dem Schluss kommen, dass eine Absiedlung nötig ist, plädierte der Betriebsrats-Vertreter für längere Übergangsfristen.

Solche seien möglich, da die Feuerwehr inzwischen anwesend sei, gab er zu bedenken. Prüfen solle man auch, ob nicht direkt am Krankenhaus während der Arbeiten Ausweichquartiere mit Containern geschaffen werden könnten, verlangte er.

ribbon Zusammenfassung
  • Das Traumazentrum Wien-Brigittenau, vormals Lorenz-Böhler-Spital, muss aufgrund erheblicher Brandschutzmängel geschlossen werden.
  • Die Mängel wurden Ende Januar/Anfang Februar festgestellt; das über 50 Jahre alte Gebäude weist lediglich einen 30-minütigen Feuerwiderstand auf, statt der geforderten 90 Minuten.
  • Während der Schließung werden die stationären Leistungen im AUVA-Traumazentrum Meidling und im AKH Wien fortgeführt, eine Erstuntersuchungsambulanz bleibt in der Brigittenau erhalten.