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Vierjährige vor Jugendamt versteckt: Mutter verurteilt

Eine 39-Jährige wurde am Landesgericht zu 18 Monaten Haft, davon zwei Monate unbedingt, verurteilt worden. Sie hatte seit Ende September ihre vierjährige Tochter der Kinder- und Jugendhilfe der Stadt Wien (MA 11) entzogen. In diesem Zusammenhang soll sie ihre Tochter auch aus ihrer Wohnung abgeseilt haben. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Laut Strafantrag soll die Mutter die Vierjährige mithilfe zusammengeknoteter Leintücher und einer Kinderschaukel aus dem dritten Stock abgeseilt haben, als Einsatzkräfte der Wega an ihrer Tür klopften, um das Kind wieder der MA 11 zu übergeben.

Indes wurde die Vierjährige, die seit Ende September von der Bildfläche verschwunden war, am Montag wieder der MA 11 übergeben, wie Behördensprecherin Ingrid Pöschmann der APA bestätigte.

Das Mädchen sei in Begleitung des Vaters und der zuständigen Regionalstellenleiterin der MA 11 ins Krisenzentrum gekommen, sagte Pöschmann. Das Kind befinde sich "in einem guten Zustand". Wo sich das Mädchen zuletzt aufgehalten hatte, wisse man aktuell noch nicht, sei aber bestrebt, das herauszufinden.

Wiedersehen mit Geschwistern

Im Krisenzentrum gab es für das Mädchen ein Wiedersehen mit den beiden älteren Geschwistern, die zwischenzeitlich ebenfalls verschwunden bzw. aus dem Krisenzentrum davongelaufen waren. Die 13 Jahre alte Schwester und der elfjährige Bruder der Kleinen befinden sich laut Pöschmann seit der letzten Februar-Woche wieder im Krisenzentrum. "Die Freude bei den Kindern über das Wiedersehen war sehr groß", meinte die Sprecherin.

Nun werde geprüft, "wo die Kinder langfristig gemeinsam untergebracht werden können".

Nicht geständig zum Abseil-Vorwurf

Zur Kindesentziehung war die Angeklagte geständig. Sie habe nicht verstanden, weshalb ihr die Kinder weggenommen wurden, behauptete die Mutter: "Sie (offenbar gemeint: die MA 11, Anm.) haben mich gezwungen zu unterschreiben." Danach hätten ihr ihre Kinder bei einem Besuch von Misshandlungen im Krisenzentrum berichtet.

Ihre jüngste Tochter habe zu weinen begonnen: "Sie hat sich auf den Boden geschmissen und geschrien. Sie hat ein Trauma. Ich konnte sie nicht zurückgeben. Das war so ein Schmerz." "Sie war in Sorge", betonte Verteidiger Salzborn, "es geht da nicht um eine hohe kriminelle Energie."

Zu diesem Thema waren zur Verhandlung keine Zeugen geladen, sodass Richter Christoph Kraushofer im Sinn des Beschleunigungsgebots den Vorfall vom 15. Februar aus dem laufenden Verfahren ausschied.Das Abseilen wird zu einem späteren Zeitpunkt separat verhandelt. 

Sorgerecht entzogen

Der dreifachen Mutter - neben dem vier Jahre alten Mädchen ist die 38-jährige Mutter einer 13 Jahre alten Tochter und eines elf Jahre alten Buben - war am 8. Mai 2023 das Sorgerecht für ihre Kinder vorläufig entzogen worden. Ihre Kinder sollen aufgrund der Überforderung der allein erziehenden Mutter keinen strukturierten Tagesablauf und kein kindgerechtes, adäquates Zuhause gehabt haben.

Zudem hatten sie nur unregelmäßig die Schule besucht und wirkten teilweise ungepflegt und vernachlässigt. Den Behörden lagen auch mehrere Gefährdungsanzeigen vor.

Die abgenommenen Kinder wurden in ein Krisenzentrum gebracht. Unmittelbar danach tauchte die Mutter mit der jüngsten Tochter nach einem Tagesbesuch unter, indem sie die Kleine nicht mehr in die Einrichtung zurückbrachte.

Kinder verschwanden

Die beiden Älteren liefen wiederum weg, vermutlich gleich zur Mutter. Ende September wurde die Mutter vom Landesgericht erstmals wegen Kindesentziehung verurteilt. Sie fasste eine Haftstrafe von neun Monaten aus, wobei ihr die Strafe unter Setzung einer Probezeit bedingt nachgesehen wurde.

Dessen ungeachtet übergab sie ihre Kinder weiterhin nicht der MA 11, der obsorgeberechtigten Behörde. Vor allem um die vermisste Vierjährige machte sich die MA 11 Sorgen, schließlich wurde von der Polizei nach den verschwundenen Kindern gesucht. Mitte Februar wurden die 13-Jährige und der Elfjährige in der Wohnung in Döbling angetroffen, die die Mutter erst geöffnet hatte, nachdem Wega-Beamte angedroht hatten, sich gewaltsam Zutritt zu verschaffen.

18 Monate bedingt

Bei einer Strafdrohung von bis zu drei Jahren fasste die einschlägig Vorbestrafte 18 Monate aus, wobei nur zwei Monate unbedingt ausgesprochen wurden. Den Rest bekam die 38-Jährige bedingt nachgesehen.

Die aus der Vorverurteilung resultierende offene neunmonatige Vorstrafe wurde der Frau nicht widerrufen, die Probezeit auf fünf Jahre verlängert.

Den unbedingten Strafteil aus der nunmehrigen Verurteilung muss die Frau auch nicht bis zum 15. April absitzen - die U-Haft wurde Montagmittag aufgehoben. Die Frau wurde unmittelbar danach - sehr zur Freude ihrer im Grauen Haus anwesenden Angehörigen und Freunde - enthaftet.

Wer sorgt künftig für die Kinder?

Der Mutter schwebe ein Besuchsrecht, in weiterer Folge ein erweitertes Besuchsrecht und Übernachtungen ihrer Kinder an den Wochenenden vor: "Letzten Endes ist das Ziel, dass sie wieder die Obsorge für die Kinder bekommt." 

Laut MA 11- Sprecherin Pöschmann gibt es regelmäßige Kontakte zwischen Angehörigen der Kindesmutter und den älteren zwei Kindern, "die gut verlaufen". Sollte sich zeigen, dass das Kindeswohl garantiert ist, kämen Verwandte als zukünftige Obsorgeberechtigte in Betracht: "Das muss aber genau überprüft werden."

Video: Wie man Kinder vor Gefahren im Internet schützen kann

ribbon Zusammenfassung
  • Eine 38-jährige Mutter wurde wegen Kindesentziehung zu 18 Monaten Haft, davon zwei Monate unbedingt, verurteilt; sie soll ihre vierjährige Tochter abgeseilt haben, bestreitet dies jedoch.
  • Das Sorgerecht wurde ihr aufgrund von Überforderung und Vernachlässigung der Kinder entzogen; die Kinder hatten keinen geregelten Tagesablauf und besuchten die Schule nur unregelmäßig.
  • Die älteren Geschwister kehrten nach ihrer Unterbringung in einem Krisenzentrum zur Mutter zurück; die Vierjährige wurde erst am Tag der Verhandlung der MA 11 übergeben.
  • Die Mutter gestand die Kindesentziehung, aber der Vorfall des Abseilens wird gesondert verhandelt, da keine Zeugen geladen waren und die Mutter dies bestreitet.
  • Nach der Verhandlung wurde die Mutter aus der U-Haft entlassen; sie strebt ein Besuchsrecht an und hofft, die Obsorge für ihre Kinder zurückzuerlangen.