APA/GEORG HOCHMUTH

Totschnig will Debatte über Laborfleisch anstoßen

0

In der Schweiz - und damit erstmals in Europa - wurde ein Zulassungsgesuch für Laborfleisch gestellt. Am Freitag verlangte Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) zu dem Thema auch in Österreich eine differenzierte Debatte und Transparenz. Er warnte vor den mit Laborfleisch verbundenen Gefahren.

"Laborfleisch aus der Fabrik, das unter sterilen Bedingungen mit künstlichen Zusätzen und Energie gezüchtet wird, hat nichts mit natürlichem Fleisch zu tun", gab Totschnig am Freitag zu bedenken.

"Hier werden Inhaltsstoffe und Methoden eingesetzt, deren Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit genauestens untersucht werden müssen", meinte der Minister in einer Presseaussendung. Laborfleisch sei - auch und vor allem aus Verbraucherschutzgründen - kritisch zu sehen, was die Industrialisierung der Lebensmittelproduktion, die Kennzeichnung und die weitgehend unbekannten Auswirkungen auf die Natur betrifft.

Kennzeichnung für Laborfleisch gefordert

"Wir brauchen eine klare Kennzeichnung, damit Konsumentinnen und Konsumenten eindeutig erkennen können, ob es sich um künstliches Zellgewebe aus dem Labor oder um ein natürliches Lebensmittel handelt. Ich will Wahlfreiheit und Transparenz für die Konsumentinnen und Konsumenten. Fleisch muss Fleisch bleiben, so wie das Wort Milch nur für natürliche Milch verwendet werden darf", meinte der Minister. Irreführenden Bezeichnungen müsse konsequent entgegengetreten werden: "Hier werde ich für eine breite Allianz in Brüssel kämpfen."

Hühnerähnliches Laborfleisch ist in Singapur schon seit Ende 2020 erhältlich. Auch in den USA gibt es bereits Zulassungen für künstlich im Labor gezüchtetes Fleisch. "Wer auf künstliche Produkte wie Laborfleisch setzt, begibt sich in die Abhängigkeit einer internationalen Lebensmittelindustrie, wo Großkonzerne bestimmen, was auf den Teller kommt", warnte Totschnig. Demgegenüber würden die heimischen bäuerlichen Betriebe flächendeckend natürliche und regionale Lebensmittel garantieren.

Großer Energiebedarf bei Herstellung

Am globalen Lebensmittelmarkt wird bereits groß in Start-Ups und Forschungen zur Entwicklung künstlicher Lebensmittel aus dem Labor investiert. Damit diese Art der Lebensmittelproduktion nicht in die Hände weniger internationaler Konzerne gerate, "bedarf es einer faktenbasierten und umfassenden Folgenabschätzung zu Laborfleisch auf EU-Ebene", sagte Totschnig. Vor allem dürfe mit Laborfleisch kein "Green-Washing" betrieben werden, verwies der Minister auf erste Studien der Universität Oxford. Sie würden darauf hinweisen, dass die Produktion von Laborfleisch klimaschädlicher ist als natürliches Fleisch. Eine kürzlich veröffentlichte Studie der Universität von Kalifornien in Davis kommt zum Schluss, dass der Energiebedarf von Laborfleisch bis zu 25-mal so viel CO2-Äquivalente pro Kilogramm Fleisch freisetzt wie Produkte aus der Tierhaltung.

"Frankenstein-Technologie"

"Unsere Bauernfamilien produzieren an 365 Tagen im Jahr gesunde, naturbelassene Lebensmittel in höchster Qualität. Werden diese durch ein industrielles Laborprodukt ersetzt, profitiert davon niemand, außer wenige multinationale Großkonzerne. Das führt in eine enorme Abhängigkeit, die Versorgungssicherheit bleibt auf der Strecke", hielt Bauernbund-Präsident Georg Strasser fest. Laborfleisch werde aus Zellen lebender Tiere und dem Blut ungeborener Kälber in Bioreaktoren mit künstlicher Nährlösung herangezüchtet: "Diese Frankenstein-Technologie gehört strengstens überprüft hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt. Das Vorsorgeprinzip muss gerade in diesem Fall unbedingt gelten."

"Greenwashing" bei der Tierhaltung

Für den Verein gegen Tierfabriken (VGT) ist die Forderung nach einer Kennzeichnung für Zellkulturfleisch, bevor es noch eine EU-weite Zulassung gibt, "absurd", wie in einer Aussendung betont wurde: "Währenddessen gibt es in Österreich noch immer keine Herkunftskennzeichnung tierlicher Produkte in der Gastronomie, von einer Haltungskennzeichnung ganz zu schweigen." "Greenwashing" werde derzeit eher bei der Tierhaltung betrieben, "etwa, indem versucht wird, den Treibhauseffekt von Methan, das 25-Mal so wirksam wie CO2 ist und dort vor allem durch die Rinderhaltung ausgestoßen wird, kleinzurechnen", meinte der VGT.

Die "Vier Pfoten" begrüßten die Diskussion zum Thema Laborfleisch, forderten aber zugleich eine ebenso intensive Debatte über die Auswirkungen der Intensivtierhaltung und des exzessiven Fleischkonsums auf das Klima. Weltweit sei die Nutztierhaltung für rund 16 Prozent aller Treibhausgasemissionen verantwortlich, hieß es in einer Aussendung. In Österreich werde mit knapp 60 Kilogramm pro Kopf jährlich drei Mal so viel Fleisch verzehrt, wie es die Österreichische Gesellschaft für Ernährung empfiehlt. Eine "klare Strategie der Politik, wie künftig der Fleischkonsum gesenkt und damit die Anzahl der Nutztiere reduziert werden kann", lasse weiter auf sich warten.

ribbon Zusammenfassung
  • In der Schweiz - und damit erstmals in Europa - wurde ein Zulassungsgesuch für Laborfleisch gestellt.
  • Am Freitag verlangte Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) zu dem Thema auch in Österreich eine differenzierte Debatte und Transparenz.
  • Er warnte vor den mit Laborfleisch verbundenen Gefahren.