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Tiroler Studie: Extremtemperaturen verstärken Vorhofflimmern

Heute, 04:01 · Lesedauer 4 min

Vorhofflimmern, die häufigste anhaltende Herzrhythmusstörung beim Menschen, wird offenbar durch extreme Temperaturen beeinflusst: Forscher der Medizinischen Universität Innsbruck zeigten in einer Studie, dass Episoden von Vorhofflimmern bei Kälte häufiger auftraten und Hitze deren Dauer deutlich verlängerte. 203 Patienten mit Herzschrittmacher wurden telemedizinisch überwacht und lieferten die Daten, erklärte Kardiologe und Studienleiter Wolfgang Dichtl im APA-Gespräch.

"Was bei unseren Daten wirklich herausstach, war die Wirkung der Hitze auf die Dauer von Vorhofflimmern-Episoden", sagte der Mediziner. Als die Tageshöchsttemperatur in Richtung 30 Grad ging, verdoppelte sich bei den Hochrisikopatienten die Wahrscheinlichkeit nahezu, dass eine Episode über den nächsten Tag hinaus anhielt. Kälte - definiert über sehr niedrige Tageshöchstwerte um den Gefrierpunkt - habe hingegen vor allem dazu geführt, dass Vorhofflimmern häufiger aufgetreten sei, berichtete Dichtl. Dieser Zusammenhang sei aber bereits allgemein bekannt gewesen, da bei kalten Temperaturen mehr Patienten mit Vorhofflimmern in die Notfallaufnahme eingeliefert werden.

Das Besondere an den Studienergebnissen sei jedenfalls die beobachtete gesteigerte Dauer der Episoden aufgrund höherer Temperaturen. Die Länge der Episode habe wiederum großen Einfluss auf die Vorhofflimmerlast - eine wichtige medizinische Messgröße, die im Englischen "AF burden" genannt wird, betonte der Kardiologe. "Wenn eine Episode mehrere Tage lang andauert, dann hat das einen extremen Einfluss auf die Vorhofflimmerlast. Man kann also sagen: Umso länger das Vorhofflimmern geht, umso größer die AF burden", betonte er. Auch das Schlaganfallrisiko erhöhe sich drastisch, wenn eine Episode länger als 48 Stunden anhält.

Die Forscher konnten dies nachweisen, weil die wertvollen Patientendaten der Herzschrittmacher - mit Informationen zu Herzrhythmus und Vorhofflimmern - Woche für Woche per Telemedizin an die Innsbrucker Klinik übermittelt werden. An der Studie nahmen dabei Patienten aus Tirol, Vorarlberg und Osttirol teil. "Die Teilnehmenden müssen sich um nichts kümmern - ihre Werte werden durchgehend überwacht und die Daten automatisch an uns gesendet", erklärte Erstautor Valentin Bilgeri. Das telemedizinische System ermögliche es, Daten über Jahre hinweg zu sammeln und dadurch detaillierte Auswertungen zum Einfluss von Umweltfaktoren zu machen. Der untersuchte Zeitraum für die Studie habe rund zwei Jahre betragen: "Im Median haben wir die Menschen rund 550 Tage begleitet, in Summe waren das über 112.000 Patiententage", berichtete Bilgeri. Man sammle aber weiterhin Daten und werde im Laufe der nächsten Jahre zusätzliche Analysen machen können.

Parallel dazu seien - in einer Kooperation mit der Universität für Bodenkultur in Wien - Wetterdaten am jeweiligen Wohnort der Teilnehmenden herangezogen worden, berichtete Bilgeri: "Analysiert wurden vier Parameter: Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Luftdruck und Niederschlag". So konnten Zusammenhänge zwischen den Wetterbedingungen und Herzrhythmusstörungen nachgewiesen werden. Während Regen laut den Forschern keine Rolle spielte, verstärkten Luftdruckänderungen und sehr hohe Luftfeuchtigkeit die Wirkungen hingegen zusätzlich.

Risikopatienten sollten Hitze meiden

Für Menschen mit bekannter Herzrhythmusstörung oder erhöhtem Risiko sei vor allem die Hitze problematisch, sagte Dichtl. Sie sollten hohe Temperaturen möglichst meiden und bei Hitzewellen verstärkt auf ihren Kreislauf achten. Parallel dazu würden internationale Forschungsgruppen bereits untersuchen, ob am Körper tragbare Technologien und Smartphone-Apps zur Pulsmessung durch eine frühzeitige Erkennung von Vorhofflimmern das klinische Ergebnis verbessern können.

In einem nächsten Schritt wollten sie unter anderem klären, ab welcher Vorhofflimmer-Belastung das Risiko für Komplikationen deutlich ansteigt. Zusätzlich sollen neue Blutmarker geprüft werden, die offenbar helfen könnten, besonders gefährdete Personen zu identifizieren. Die bereits präsentierten Ergebnisse seien bereits ein weiterer Baustein dafür, die Rolle von Umwelt- und Klimafaktoren bei Herzrhythmusstörungen besser zu verstehen.

Klimawandel dürfte Gesundheit stärker belasten

Vorhofflimmern gilt indes als häufigste Herzrhythmusstörung beim Menschen und kommt vor allem im höheren Lebensalter öfter vor. In der Allgemeinbevölkerung ab etwa 60 Jahren seien rund drei bis fünf Prozent betroffen, unter Berücksichtigung der Dunkelziffer könnten es deutlich mehr sein, hieß es. In der Innsbrucker Schrittmacher-Kohorte hätten hingegen 56 Prozent zumindest eine Vorhofflimmer-Episode gezeigt, womit es sich um eine Hochrisikogruppe gehandelt habe.

Die Untersuchungen seien im Rahmen der über zehn Jahre angelegten ACaSA-Studie gemacht und kürzlich in der Fachzeitschrift "Circulation: Arrhythmia and Electrophysiology" veröffentlicht worden. In einer früheren Auswertung derselben Daten hatten Dichtl und sein Team bereits einen Zusammenhang zwischen Hitze und Schlafapnoe beschrieben. Die nun vorliegenden Ergebnisse zur Wetterabhängigkeit von Vorhofflimmern fügten sich laut Dichtl und Bilgeri jedenfalls in die wachsende Evidenz ein, dass der Klimawandel mit häufigeren Extremtemperaturen das Herz-Kreislauf-System in Zukunft deutlich stärker belasten dürfte.

Zusammenfassung
  • Eine Innsbrucker Studie mit 203 Patienten zeigt, dass Extremtemperaturen das Auftreten und die Dauer von Vorhofflimmern beeinflussen.
  • Bei Tageshöchsttemperaturen um 30 Grad verdoppelte sich die Wahrscheinlichkeit, dass eine Vorhofflimmern-Episode länger als einen Tag andauert.
  • Kälte führte zu häufigeren Vorhofflimmern-Episoden, während hohe Luftfeuchtigkeit und Luftdruckschwankungen die Effekte zusätzlich verstärkten.
  • Die telemedizinisch erhobenen Patientendaten umfassten über 112.000 Patiententage innerhalb von zwei Jahren.
  • Die Forscher warnen, dass der Klimawandel mit häufigeren Extremtemperaturen das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen weiter erhöhen dürfte.