Suche nach zweiter Erde hakt auch an passender Atmosphäre
Neue Sterne umgibt zu Beginn eine Scheibe aus Gas, Staub und Asteroiden, aus der sich dann Gas- und Gesteinsplaneten formen. Von den Elementen, die der angehende Planet aus dieser Scheibe aufnimmt, hängt es ab, wie viel Wasser er später haben kann oder eben welche Ur-Atmosphäre er ausbildet. Bisherige Beobachtungen von Exoplaneten zeigen, dass es viele massearme Planeten mit ausgedehnten Wasserstoff-Helium-dominierten Atmosphären gibt. Bis heute ist die Erde das einzige bekannte Beispiel eines Lebensraums mit einer Stickstoff-Sauerstoff-dominierten Atmosphäre, in der sich komplexes Leben, das Sauerstoff atmet, entwickeln konnte.
Auf (astronomisch gesehen) lange Sicht sind die offenbar deutlich häufigeren Helium-Wasserstoff-Atmosphären aber nicht stabil: "Bei unseren Untersuchungen haben wir herausgefunden, dass die angesammelte Ur-Atmosphäre innerhalb von hunderttausenden bis mehreren Millionen Jahren verloren geht, sofern die Masse des Planeten unter jener der Erde liegt", erklärt Helmut Lammer, Erstautor der Studie, die in der Fachzeitschrift Nature Astronomy veröffentlicht wurde. "Massereichere Körper verlieren ihre primordiale Atmosphäre (Ur-Atmosphäre, Anm.) jedoch nicht, oder dieser Prozess kann mehrere hundert Millionen Jahre dauern".
In der Studie wurde die Evolution dieser primordialen Atmosphären untersucht. Konzentriert hat man sich dabei auf sonnenähnliche Sterne. Die Forscher stellten fest, dass ein Planet, der - je nach Strahlungsintensität seines Sterns - zwischen 95 und 125 Prozent der Erdmasse besitzt, Wasserstoff und Helium zur Gänze verliert. Ist seine Masse etwas größer, verflüchtigt sich nur der leichtere Wasserstoff, während die Gravitation den Verlust des schwereren Heliums verhindert. Und wenn die Planetenmasse noch weiter ansteigt, werden beide Gase gehalten, der Druck könnte dann weit über 1.000 bar betragen.
Erde hatte nicht sofort ihre jetzige Größe
Das von den Forschern verwendete Modell zeige auch, dass die Erde am Ende des protosolaren Nebels - etwa vier Millionen Jahre nach Entstehung der Sonne - noch nicht zu ihrer vollständigen Größe angewachsen sein konnte, heißt es in der Studie. "Wäre dem so, hätte unsere Erde nun eine dichte Helium-Atmosphäre und Leben, wie wir es kennen, wäre auf ihr wohl nicht möglich", sagt Ko-Autor Manuel Scherf. Er erwartet auf Basis der Studienergebnisse, dass zahlreiche Zweite-Erde-Kandidaten eine Helium-dominierte Atmosphäre haben und auf ihren Oberflächen ein Druck von hunderten bar herrscht. "Diese unerwartete Entdeckung wird die Anzahl habitabler, erdähnlicher Planeten - und demnach auch die Wahrscheinlichkeit von komplexem und intelligentem Leben in unserer Milchstraße - wohl noch weiter reduzieren", prophezeit Scherf.
Zusammenfassung
- Forscher des Grazer Instituts für Weltraumforschung zeigen, dass viele erdähnliche Exoplaneten trotz Lage in der habitablen Zone Helium-dominierte Atmosphären besitzen, in denen sich komplexes Leben nicht entwickeln kann.
- Planeten mit 95 bis 125 Prozent der Erdmasse verlieren laut Studie Wasserstoff und Helium vollständig, während massereichere Planeten diese Gase behalten und Oberflächendrücke von über 1.000 bar erreichen können.
- Das Modell legt nahe, dass die Erde nach etwa vier Millionen Jahren noch nicht ihre heutige Größe hatte, da sie sonst mit hoher Wahrscheinlichkeit eine dichte Helium-Atmosphäre und damit lebensfeindliche Bedingungen entwickelt hätte.