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Straßen und Siedlungen verursachen Inzucht bei Rotwild

Heute, 07:47 · Lesedauer 2 min

Die Zerteilung ihrer Lebensräume durch Straßen oder Siedlungen führt bei Rothirschen und anderen Tieren zunehmend zu Inzucht. "Wir wissen seit den 1990er-Jahren, dass die Lebensraumzerschneidung die Rotwildpopulationen, und auch die Populationen vieler anderer Tierarten, verinselt, wodurch sie genetisch verarmen", sagte der deutsche Wildbiologe Frank Zabel vom Landesjägerverband Schleswig-Holstein. Unter Inzucht wird die Paarung von nahe verwandten Tieren verstanden.

Die Zerteilung der Landschaften geschieht maßgeblich durch Verkehrswege und Siedlungen, die immer mehr Raum einnehmen. Das führe für scheue Tiere zu abgeschnittenen Orten, in denen kein genetischer Austausch stattfindet.

Dem Jagdverband zufolge hat es in den vergangenen Jahren immer mehr dokumentierte Fälle von schweren Missbildungen durch Inzucht bei Rothirschen gegeben. So können etwa Unter- oder Oberkiefer der Tiere verkürzt, der Schädel verdreht oder die Zahnreihen versetzt sein. Dabei seien Fälle der sichtbaren Nachteile in Deutschland und Mitteleuropa zu finden.

Die Missbildungen seien noch die Ausnahme, die genetische Verarmung durch Inzucht hingegen die Regel. Diese reduziere die Anpassungsfähigkeit der Arten an die Umwelt: "Je enger mein Genom ist an den entscheidenden Stellen, umso weniger kann ich auf Veränderungen reagieren", erklärte Zabel.

Nach Ansicht des Vorstands der Deutschen Wildtier Stiftung sind die Inzuchtnachweise bei Rotwild nur "die Spitze des Eisberges". "Wenn es der Hirsch nicht schafft, dann schaffen es die kleineren Tierarten natürlich erst recht nicht, weil die nicht so weite Strecken ziehen", sagte Klaus Hackländer. Der Hirsch stehe stellvertretend für eine ganze Reihe von Tierarten, wie etwa den Luchs.

Wildtierbiologe fordert neues Flächenmanagement

Um dem Problem entgegenzuwirken, plädiert der Wildtierbiologe für einen bundesweiten Wildwegeplan in Deutschland: "Wir brauchen ein Management von Flächen und Korridoren, damit die Tiere den Weg finden und sich auch auf der anderen Seite fortpflanzen können."

Dabei wären mindestens 100 Wildquerungshilfen über Verkehrswege hinweg - wie es auch der Deutsche Jagdverband fordert - optimal. Sollte sich nicht für solche Korridore eingesetzt werden, gebe es die Gefahr, dass Tierarten wie der Rothirsch auf großen Flächen Deutschlands keine Chance mehr hätten, warnt Hackländer.

Zusammenfassung
  • Die Zerteilung von Lebensräumen durch Straßen und Siedlungen führt bei Rotwild und anderen Tierarten zunehmend zu Inzucht und genetischer Verarmung, wie seit den 1990er-Jahren bekannt ist.
  • Immer häufiger werden in Deutschland und Mitteleuropa schwere Missbildungen bei Rothirschen dokumentiert, darunter verkürzte Kiefer und verdrehte Schädel, während die genetische Verarmung bereits zur Regel geworden ist.
  • Wildbiologen fordern mindestens 100 Wildquerungshilfen und ein bundesweites Flächenmanagement, um den genetischen Austausch zu ermöglichen und das Aussterben von Arten wie dem Rothirsch auf großen Flächen zu verhindern.