APA/APA/THEMENBILD/HERBERT PFARRHOFER

Schwere Vorwürfe gegen Kärntner SOS-Kinderdorf

Heute, 18:05 · Lesedauer 3 min

In einem SOS-Kinderdorf in Kärnten sollen nach Recherchen der Wiener Wochenzeitung "Falter" Kinder bis vor wenigen Jahren von Pädagogen geschlagen, gequält und misshandelt worden sein. Die Minderjährigen sollen eingesperrt und etwa nackt fotografiert worden sein, wie es am Dienstag in der Veröffentlichung hieß. Die Vorwürfe sollen verdeckt worden sein. SOS-Kinderdorf sprach in einer Stellungnahme von "Fehlverhalten und Gewalt durch pädagogische Fachkräfte und Führungskräfte".

Betroffen ist laut "Falter" der Standort Moosburg nahe Klagenfurt. Die Informationen der Wochenzeitung stammen aus einer Studie, die SOS-Kinderdorf selbst in Auftrag gegeben hatte. Die Jahre alten Ergebnisse wurden aber bis heute nicht veröffentlicht.

"Das Leid, das Kinder in der Betreuung von SOS-Kinderdorf erfahren haben, macht uns zutiefst betroffen. Erkenntnisse aus der Studie und aus anderen zahlreichen internen Aufarbeitungsmaßnahmen zeigen auf, dass am Standort Moosburg Fehler passiert sind und wir den Schutz von Kindern nicht immer lückenlos gewährleisten konnten", hieß es in einer Stellungnahme der NGO gegenüber der APA.

Der "Falter" zitiert aus der Studie, dass ein Pädagoge etwa Nacktfotos von Kindern auf seinem privaten Laptop hatte. Eine Kinderdorf-Mutter soll ein Mädchen drei Jahre lang jede Nacht in ihrem Zimmer eingesperrt haben, Kinder sollen mit Essens- und Wasserentzug bestraft worden sein. So soll etwa ein Wasserhahn abmontiert worden sein. Beim Duschen beobachtete die Pädagogin die Kinder, "um heimliches Saufen zu verhindern", zitiert der "Falter" aus der Studie. Die wehrlosen Minderjährigen sollen demnach auch gebissen und geschlagen worden sein.

Ein Kinderdorf-Leiter soll über die Vorgänge informiert gewesen sein, diese auch dokumentiert haben. Doch statt den Minderjährigen zu helfen, zeigte er sich ihnen gegenüber laut der Studie selbst gewalttätig.

Pädagogisches Fehlverhalten zwischen 2008 und 2020

SOS-Kinderdorf gab an, einen "umfassenden Aufarbeitungsprozess" von mehreren Fällen, die zwischen 2008 und 2020 vorgefallen waren, untersucht zu haben. 2020 sei dann im Auftrag der Geschäftsführung eine externe Begleitung hinzugezogen worden, um die Strukturen und Entwicklungen am Standort Moosburg aus einem "externen Blickwinkel" zu analysieren. Das Institut für Männer- und Geschlechterforschung wurde mit der Studie beauftragt.

Die Organisation entschuldigt sich laut Stellungnahme bei allen Betroffenen, von denen einige bereits ein Opferschutzverfahren durchlaufen haben. Ebenso seien Entschädigungszahlungen sowie die Finanzierung von Therapieeinheiten zuerkannt worden. "Damit können wir das Vergangene nicht ungeschehen machen, möchten aber eine Geste der Wiedergutmachung leisten."

Den Vorwurf, dass es keine Aufarbeitung gegeben habe, wolle SOS-Kinderdorf aber zurückweisen. Eine "umfassende Bearbeitung" sei 2020 eingeleitet worden, ein Teil davon war die vom "Falter" zitierte Studie. Daraus hätten sich nach Angaben von SOS-Kinderdorf Maßnahmen für den Standort abgeleitet.

"Strukturelle Änderungen" als Konsequenz

"Die versäumten Meldungen wurden nachgeholt, SOS-Kinderdorf hat sich von Führungskräften getrennt und die Vorwürfe mit Hilfe externer Unterstützungen umfassend aufgearbeitet. Am Standort wurden strukturelle Änderungen vorgenommen", hieß es in der Stellungnahme. 2021 sei unter anderem eine neue Leitungsstruktur in Kraft getreten. Die Aufarbeitung habe in enger Zusammenarbeit mit dem Auftraggeber, der Kinder- und Jugendhilfe des Landes Kärnten, stattgefunden. Zudem gab es mehrere Monate einen Aufnahmestopp für den Standort in Moosburg. "Die Kinder- und Jugendhilfe evaluierte SOS-Kinderdorf in pädagogischen sowie in wirtschaftlichen Belangen. Im Dezember 2020 wurde der Aufnahmestopp offiziell wieder aufgehoben", so SOS Kinderdorf.

Eine APA-Anfrage an die für die Kinder- und Jugendhilfe Kärnten zuständige Referentin, Landesrätin Sara Schaar (SPÖ), blieb vorerst unbeantwortet.

Zusammenfassung
  • Im SOS-Kinderdorf Moosburg in Kärnten sollen Kinder zwischen 2008 und 2020 laut einer internen, bislang unveröffentlichten Studie schwer misshandelt, eingesperrt und nackt fotografiert worden sein.
  • SOS-Kinderdorf leitete 2020 einen umfassenden Aufarbeitungsprozess mit externer Begleitung ein, führte strukturelle Änderungen durch und zahlte Entschädigungen sowie Therapien für Betroffene.
  • Am Standort Moosburg gab es nach Bekanntwerden der Vorwürfe einen mehrmonatigen Aufnahmestopp, eine neue Leitungsstruktur wurde 2021 eingeführt und die Kinder- und Jugendhilfe des Landes Kärnten war in die Aufarbeitung eingebunden.