Prozess wegen Prostitutionshandels in Salzburg gestartet
Bei den sieben Angeklagten handelt es sich um eine 31-jährige Rumänin, zwei Österreicherinnen im Alter von 32 und 39 Jahren sowie um zwei Österreicher im Alter von 38 Jahren und zwei Kolumbianer im Alter von 29 Jahren. Die zwei Kolumbianer sind allerdings nicht zur Verhandlung gekommen. Die fünf anwesenden Angeklagten zeigten sich zum Teil geständig.
Laut der 71-seitigen Anklageschrift habe die kriminelle Vereinigung den Frauen über Kontaktpersonen in Kolumbien und anhand von Werbevideos in sozialen Medien vorgetäuscht, sie könnten in Österreich legal als Prostituierte arbeiten und viel Geld verdienen. Sie müssten lediglich für die Flug- und Quartierskosten aufkommen.
Entgegen diesen Versprechen seien die aus ärmlichen Verhältnissen stammenden Frauen als illegale Sexarbeiterinnen eingesetzt und ausgebeutet worden, heißt es in der Anklageschrift. Wie die Opfer später den Ermittlern schilderten, wurden sie eingeschüchtert und teils auch misshandelt. Einen Großteil ihres Verdienstes hätten sie abgeben müssen.
Kopf der Bande auf der Flucht
Laut Staatsanwalt habe die kriminelle Vereinigung zunächst von Salzburg und später, als bereits Ermittlungen eingeleitet worden sind, von der Türkei aus agiert. Die erstangeklagte Rumänin soll die Lebensgefährtin und rechte Hand des "Chefs" gewesen sein, mit dem sie ein gemeinsames Kind hat. Der österreichisch-türkische Staatsbürger soll sich derzeit auf der Flucht befinden.
Der spanisch sprechenden Rumänin, die ein Laufhaus in der Schweiz führte und Anfang 2023 wie die Zweitangeklagte im Salzburger Flachgau einen Wohnsitz gemeldet hatte, wird angelastet, dass sie kolumbianischen Frauen über Werbevideos und andere Kommunikationsmittel wie Messengerdienste eine seriöse Sexarbeit versprochen habe. Die Beschuldigte soll auch Flüge der Frauen organisiert haben, die wegen der Visumspflicht jeweils nur drei Monate nach Österreich reisen konnten. Sie soll die Opfer an Freier angeboten und die Rolle als Übersetzerin eingenommen haben - auch in einem Video, in dem den Frauen als Druckmittel Gewalt angedroht und auch angetan wurde.
Die 32-jährige, aus Oberösterreich stammende Zweitangeklagte habe die Frauen laut Anklage an die Freier vermittelt, die Drittangeklagte soll Autos für die Fahrten der Prostituierten zu den Freiern angemietet haben. Die angeklagten Männer sollen die Opfer zu den Freiern chauffiert und das Entgelt für die sexuellen Dienste eingesammelt haben. Später mussten die Kolumbianerinnen das Geld an unterschiedliche Empfänger überweisen, wie der Staatsanwalt ausführte. Nur ganz selten durften sie kleinere Beträge an ihre Familien überweisen.
Zweitangeklagte verglich ihr Leben mit einer Netflix-Serie
Die Anklage basiere auch auf dem Ergebnis der Einvernahme von Beschuldigten und 18 Opfern. Es sei auch das Tagebuch der Zweitangeklagten sichergestellt worden, in dem sie ihr Leben mit einer Netflix-Serie verglichen habe, erklärte der Staatsanwalt.
Wer von den als Prostituierte angeworbenen Frauen nicht gehorchte, den soll der Drahtzieher des Menschenhändlernetzwerkes den Ermittlungen zufolge auch mit dem Tod bedroht haben. Wer sich den strengen Vorgaben der Täter widersetzte, wurde demnach schwer misshandelt. "Die Gewaltakte filmten die Kriminellen und nutzten die Videos, um andere Opfer einzuschüchtern", hatte Europol im September berichtet. Darüber hinaus übten sie Kontrolle durch Drohungen und Gewaltakte gegen Familienangehörige in Kolumbien aus.
Verteidiger: Angeklagte nahmen nur untergeordnete Rolle ein
Die fünf Angeklagten zeigten sich laut ihren Verteidigern vor dem Schöffensenat teilweise geständig. Die Anwälte der drei Frauen erklärten unisono, dass es sich bei ihnen nicht um führende Mitglieder eines kriminellen Netzwerkes gehandelt habe, sondern sie hätten nur eine untergeordnete Rolle eingenommen. Sie seien mit dem Chef der Bande, der mittlerweile untergetaucht ist, in einer persönlichen Beziehung gestanden und von ihm in dasselbe Schema der Abhängigkeit gepresst worden wie die Opfer.
"Sie hatte Angst um ihr Leben", sagte der Verteidiger der Zweitangeklagten. "Hier sitzen nicht die Führenden, hier sitzen die Bauern", meinte er noch und kritisierte, dass entlastende Fakten in der Anklageschrift kaum erwähnt worden seien. Wie der Verteidiger der Erstangeklagten erklärte, habe nicht sie die Flüge organisiert, sondern die kolumbianische Lebensgefährtin der Drahtzieherin in Kolumbien, die denselben Vornamen trage wie die Erstangeklagte. Wegen dieser Namensverwechslung sei der Angeklagten eine tragende Rolle zugeordnet worden, was jedoch nicht stimme. Da ihr Lebensgefährte, der "Europa-Chef" der Bande, nicht Spanisch sprechen konnte, sei sie als Übersetzerin tätig gewesen, auch in einem Video.
Der Verteidiger der Drittangeklagten sagte, sie sei verliebt in den Kopf der Bande und ihm hörig gewesen. Und der Anwalt der beschuldigten Österreicher erklärte, die Männer aus Salzburg seien Taxifahrer und hätten in Ausübung ihres Berufes Personen von A nach B gefahren. Die Aussage eines Mandanten vor der Polizei habe zudem zur Aufklärung des Falles beigetragen.
21 Verhandlungstage anberaumt
Mittlerweile wurden weitere Personen in Zusammenhang mit diesem Fall verhaftet. Bei einer international koordinierten Großrazzia sind am 5. September in Kolumbien fünf verdächtige Kolumbianer festgenommen worden. Die Staatsanwaltschaft Salzburg hat die Festnahme der fünf verdächtigen Kolumbianer angeordnet.
Im Falle einer Verurteilung reicht der Strafrahmen für die Angeklagten bei dem Prozess in Salzburg bis zu zehn Jahren Haft. Das Gericht hat bis zum 28. November 21 Verhandlungstage festgelegt.
Zusammenfassung
- Am Landesgericht Salzburg hat am Montag ein mehrtägiger Prozess gegen sieben Angeklagte wegen grenzüberschreitenden Prostitutionshandels, Menschenhandels und weiterer Delikte begonnen.
- Die Gruppe soll mindestens 43 Frauen aus Kolumbien zwischen Mai 2021 und August 2024 mit falschen Versprechungen nach Österreich gelockt und dort ausgebeutet haben.
- Laut Anklage wurden die Opfer eingeschüchtert, teilweise misshandelt und mussten den Großteil ihres Verdienstes abgeben, wobei Gewaltakte gefilmt und als Druckmittel eingesetzt wurden.
- Der mutmaßliche Kopf der Bande ist auf der Flucht, während die fünf anwesenden Angeklagten sich teilweise geständig zeigten, aber laut Verteidigung nur untergeordnete Rollen eingenommen haben.
- Bis zum 28. November sind 21 Verhandlungstage angesetzt, der Strafrahmen beträgt bis zu zehn Jahre Haft, und am 5. September wurden in Kolumbien fünf weitere Verdächtige festgenommen.