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Prozess um BVT-Operation "White Milk": Für Beamten "keine große Geschichte"

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Der Amtsmissbrauch-Prozess gegen mehrere Ex-Spitzenbeamte des mittlerweile aufgelösten Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) ist am Montag fortgesetzt worden. Es geht um einen mutmaßlichen Kriegsverbrecher aus Syrien, den Beamte in Österreich untergebracht haben sollen.

Dieser wird coram publico stattfinden, ein Antrag der Verteidigung auf Ausschluss der Öffentlichkeit wurde abgelehnt. Als erster wurde ein BFA-Beamter befragt, der geholfen haben soll, einem syrischen "Foltergeneral" Asyl zu beschaffen. "Alles ganz normal", beschrieb er vor Gericht die Vorgänge.

Für Asyl gesorgt

Als Ersten befragte die Richterin jenen Mann, der als einziger der vier Angeklagten nicht Teil des Verfassungsschutzes war. Er soll als Leiter des Erstaufnahmezentrums OST in Traiskirchen auf Betreiben eines BVT-Chefinspektors dafür gesorgt haben, dass ein ehemaliger General der syrischen Staatssicherheit - nachdem er vom BVT nach Österreich gebracht wurde - hier auch Asyl bekomme, trotz Fehlens der rechtlichen Voraussetzungen.

Besagtem General werden von der NGO Commission for International Justice and Accountability (CIJA) Kriegsverbrechen vorgeworfen. So soll er als Leiter eines Gefängnisses in Raqqa von Folterungen gewusst haben. Seit längerem ermittelt die Staatsanwaltschaft Wien in dieser Causa gegen den General wegen Beteiligung an Körperverletzung und Folter.

"Ich hab das so wahrgenommen, dass der (der General, Anm.) dort (in Frankreich, Anm.) gefährdet war und nicht dort bleiben kann", sagte einer der früheren BVT-Beamten in seiner Einvernahme. Unter mehreren Vorschlägen, wie man diesen nach Österreich schaffen könne, habe man im BVT erwogen, ihm Asyl zu besorgen. Letztlich habe man sich auch dafür entschieden: "Das war vom Abteilungsleiter und von höheren Führungskräften genehmigt. Ich konnte davon ausgehen, dass das nicht rechtswidrig war. Ich konnte davon ausgehen, dass mir meine Vorgesetzten keine rechtswidrigen Aufträge erteilen."

Die konkrete Operation habe sein Abteilungsleiter genehmigt - dieser, Martin W., ist in der Causa ebenfalls von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) angeklagt worden, infolge einer Erkrankung aber derzeit nicht verhandlungsfähig. Das Verfahren gegen den 60-Jährigen wurde zur Vermeidung von Verzögerungen ausgeschieden.

Angeklagter will von Kriegsverbrechen nichts gewusst haben

Der syrische Offizier wurde Mitte Juni 2015 vom Mossad an die österreichische Grenze gebracht - in einem geheimen Aktenvermerk ist davon die Rede, das "Paket" wäre "geliefert worden". Die Chefinspektoren verbrachten den Mann dann nach Wien, auch dies mit "Segen von oben", wie sie vor Gericht betonten: "Es war weder meine Aufgabe noch die meines Kollegen, etwas ohne Genehmigung der Vorgesetzten zu machen."

Auf die Frage der Richterin, ob er etwas von angeblichen Kriegsverbrechen des Generals gewusst habe, erwiderte einer der beiden, dies sei bei einer Vorbesprechung in Paris weder von den israelischen noch den französischen Behörden thematisiert worden: "Und ich bin für solche Recherchen nicht zuständig." Erstmals von entsprechenden Gerüchten habe man Anfang 2016 bei einer Besprechung im Justizministerium Kenntnis bekommen. Bei diesem Termin seien "der Pilnacek (der einst mächtige Sektionschef Christian Pilnacek, Anm.) und weiß Gott wer" dabei gewesen.

"Lotto-Sechser, so einen General zu haben"

Ähnlich sagte auch der zweite, formal dem ersten Chefinspektor unterstellte Mann aus. Als "kleinstes Glied" der Befehlskette sei eine derartige Geheimdienst-Kooperation für ihn ein Novum gewesen. Er selbst hätte eine solche Kooperation aufgrund seines niedrigen Ranges nicht festlegen können.

Bei einem Treffen mit dem französischen Inlandsnachrichtendienst hätten die französischen Vertreter und später auch der Mossad mit keinem Wort erwähnt, dass der General Kriegsverbrechen begangen haben könnte, entgegnete der Chefinspektor dem Vorwurf, er hätte von den Vorwürfen wissen müssen. "Für einen professionellen Nachrichtendienst ist es wie ein Lotto-Sechser, so einen General zu haben", so der Beamte.

Ebenso wenig sei es ihm möglich gewesen, selbst Legendenpapiere, also Ausweise unter falschem Namen, auszustellen oder ein konspiratives Konto oder Wohnung zu beschaffen. Das sei alles über das Referat und daher mit Wissen seiner Vorgesetzten abgewickelt worden.

"Keine wirklich große Geschichte"

Konkret geht es laut Anklage darum, dass der BFA-Beamte auf Betreiben des drittangeklagten Chefinspektors dafür gesorgt haben soll, dass der Akt des Generals "liegen bleibt", also die zweimonatige Frist nach dessen Ankunft in Österreich abläuft und Österreich damit für dessen Asylverfahren zuständig wird. Der BFA-Beamte selbst bekannte sich nicht schuldig, und gab auch an, dass es keinerlei "Bestimmungen" von einem Chefinspektor des BVT ihm gegenüber gab. Ihm sei klar gewesen, dass es sich bei dem General zwar um eine Person handelt, an der das BVT interessiert gewesen sei, "der Fall war für mich aber eigentlich keine wirklich große Geschichte".

Es sei ein "zweischneidiges Schwert" ob man ein Verfahren schnell bearbeite oder eben etwas "liegen lasse". Letzteres habe auch Vorteile, etwa wenn es um Zeugenschutz gehe. Im Falle des Generals habe es vom BVT eine "Gefährdungsprognose" gegeben, wonach er in Frankreich einer Gefahr ausgesetzt gewesen sei.

Bei der Einschätzung, wonach der General in Frankreich gefährdet gewesen sei, habe er sich "ganz auf das BVT und die Polizei verlassen". Auf die Frage der Richterin, ob er oder jemand seiner Mitarbeiter keine eigenen Ermittlungen angestellt hätten, antwortete er: "Das wäre für mich überschießend. Wir hatten damals wochenlang 15-Stunden-Dienste", und somit keine Kapazitäten. Da der General "überall gefährdet sein hätte können", habe man das Gespräch im Erstaufnahmezentrum vertraulich abgehalten, sodass er nicht von anderen Asylwerbern gesehen wurde.

Prozess bleibt öffentlich

Der Beamte leitet nach wie vor das Erstaufnahmezentrum. "Wenn ich nicht gerade vor Gericht sitze, mache ich weiterhin meinen Job, der im Übrigen nicht gerade lustig ist", antwortete er auf die Frage, ob es gegen ihn Disziplinarmaßnahmen gegeben habe. Und weiters: "Während ich als Beschuldigter geführt wurde, habe ich vom Bundespräsidenten das Bundesverdienstkreuz bekommen."

Weder sei durch einen Prozess coram publico die öffentliche Sicherheit gefährdet, noch würden dadurch Staatsgeheimnisse veröffentlicht werden, begründete die Richterin die Entscheidung, den Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit abzulehnen. Zwischenstaatliche Beziehungen seien durch eine öffentliche Erörterung nicht gefährdet, betonte die Richterin, da über den Inhalt der Verhandlung in den letzten Jahren sowohl in nationalen als auch internationalen Medien berichtet wurde. In der Öffentlichkeit der Verhandlung liege eine wichtige Kontroll- und Präventivfunktion. Das Ergebnis des Verfahrens würde durch einen Ausschluss der Öffentlichkeit entwertet werden, betonte sie. In gewissen Fällen könnten die Angeklagten aber Anträge auf temporären Ausschluss der Öffentlichkeit, für gewisse Verhandlungsteile, stellen, so die Richterin.

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ribbon Zusammenfassung
  • Der Amtsmissbrauch-Prozess gegen mehrere Ex-Spitzenbeamte des mittlerweile aufgelösten Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) ist am Montag fortgesetzt worden.
  • Dieser wird coram publico stattfinden, ein Antrag der Verteidigung auf Ausschluss der Öffentlichkeit wurde abgelehnt.
  • Dem ehemaligen BVT-Abteilungsleiter Martin W., dem Ex-Spionagechef Bernhard P. und zwei früheren Chefinspektoren wird vorgeworfen, sie hätten einen General der syrischen Staatssicherheit in Österreich untergebracht zu haben.
  • Als erster wurde ein BFA-Beamter befragt, der geholfen haben soll, einem syrischen General Asyl zu beschaffen. "Alles ganz normal", beschrieb er vor Gericht die Vorgänge.

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